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Sonderzahlungen: Berechnung bei unterjähriger Änderung der Arbeitszeit und fehlender kollektivvertraglicher Regelung

MARGITMADER (WIEN)
§ 11 KollV für Angestellte des Metallgewerbes
  1. Sieht der KollV keine ausdrückliche Regelung für die Berechnung der Sonderzahlungen bei Änderung der Arbeitszeit während des Jahres vor, enthält aber Aliquotierungsregeln für den Wechsel vom Lehr- zum Arbeitsverhältnis oder für unterjähriges Ausscheiden von AN, liegt eine echte planwidrige Lücke vor, die durch Analogie zu schließen ist.

  2. Die Sonderzahlungen sind demnach in Form einer Mischberechnung, die auf das jeweilige Ausmaß der Voll- und Teilzeitarbeit abstellt, zu berechnen.

Die Kl war bei der späteren Insolvenzschuldnerin vom 8.1.2015 bis 5.6.2015 als Angestellte beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem KollV für Angestellte im Metallgewerbe.

Vom 8.1.2015 bis 30.4.2015 war die Kl geringfügig mit fünf Stunden pro Woche und einem Monatsgehalt von 405,98 € brutto beschäftigt. Ab 1.5.2015 bis zu ihrem vorzeitigen Austritt gem § 25 IO am 5.6.2015 war sie im Rahmen einer 33 Stunden Woche mit einem Gehalt von 2.461,62 € brutto angestellt.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid lehnte die Bekl den Antrag der Kl auf Gewährung von (weiteren) 940 € an aliquoten Sonderzahlungen mit der Begründung ab, dass angesichts der Änderung der Wochenstundenzahl eine Mischberechnung anzustellen sei.

Die Kl vertritt in ihrer dagegen gerichteten Klage den Standpunkt, die Sonderzahlungen seien nach dem KollV anhand der im Monat November bzw im Monat der Auszahlung gebührenden Gehälter zu berechnen. Diese fixe Regelung lasse für Abweichungen keinen Raum.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei zweckmäßiger und vernünftiger Auslegung des KollV sei die innerhalb der Sonderzahlungsperiode stark veränderte Einkommenssituation durch Anstellung einer Mischberechnung zu berücksichtigen. Dieses Ergebnis harmoniere mit den Aliquotierungsregelungen für ein- und austretende AN,219der Abzugsmöglichkeit für zu viel bezahlte Sonderzahlungen bei unterjährigem Ausscheiden in der Endabrechnung und der Berechnungsmethode bei Beendigung eines Lehrverhältnisses mit anschließender Angestelltentätigkeit.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Kl keine Folge. Der KollV regle die Sonderzahlungsberechnung bei Änderung des Beschäftigungsausmaßes innerhalb der Abrechnungsperiode nicht. Eine vernünftige und zweckentsprechende, den gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der AG und AN berücksichtigende Auslegung führe jedoch zu dem vom Erstgericht erzielten Ergebnis. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung könne noch nicht geschlossen werden, dass die Kollektivvertragsparteien eine Änderung des Beschäftigungsausmaßes bei den Sonderzahlungen überhaupt nicht berücksichtigen wollten. Es wäre systemwidrig, den vorliegenden Fall einer wesentlichen Änderung anders zu behandeln als den der Weiterbeschäftigung nach Beendigung einer Lehre, für den der KollV eine Mischberechnung ausdrücklich vorsehe. Die ordentliche Revision sei zulässig, da der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung regelmäßig eine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme. [...]

Rechtliche Beurteilung:

Die Revision ist zulässig, weil die E von der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung abhängt, deren rechtliche Bedeutung sich auf einen großen Personenkreis von AN und AG erstreckt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Der OGH vertritt in seiner auch vom Berufungsgericht zitierten stRsp den Grundsatz, dass kollektivvertragliche Sonderzahlungen bei wesentlichen Änderungen des Entgelts wegen Wechsels vom Lehr- zum Arbeitsverhältnis während der Abrechnungsperiode im Zweifel zu aliquotieren sind, wenn der KollV dies wenigstens ganz allgemein, insb für den Fall, vorsieht, dass ein AN während des Jahres eintritt oder austritt. Auch dann, wenn eine ausdrückliche, klarstellende Regelung fehlt, ist dann eine Aliquotierung vorzunehmen, basierend einerseits auf der Lehrlingsentschädigung für die Dauer der Lehrzeit und andererseits auf dem Gehalt für die Dauer des folgenden Dienstverhältnisses (8 ObA 175/00v, DRdA 2001, 427 [Löschnigg]; so auch bereits 4 Ob 104/78 [4 Ob 105/78] = SZ 52/75 = Arb 9781 [KollV für die metallverarbeitende Industrie]).

Dieses Ergebnis beruht auf der Überlegung, dass durch die Weiterbeschäftigung nach Beendigung der Lehrzeit nicht ein bestehendes Arbeitsverhältnis einfach fortgesetzt, sondern ein neues, das ganz anderen Zielen, Rahmenbedingungen und Rechtsvorschriften unterliegt, begründet wird (4 Ob 104/78).

2. Für den vorliegenden Fall einer bloßen Änderung des Beschäftigungsausmaßes innerhalb eines ununterbrochenen Angestelltendienstverhältnisses ist diese Rsp daher nicht unmittelbar einschlägig.

Die Frage, ob das Erfordernis einer Mischberechnung der Sonderzahlungen im dargestellten Sinn dennoch verallgemeinerungsfähig ist, wurde bisher in der höchstgerichtlichen Judikatur noch nicht beantwortet. Die Entscheidungen 8 ObA 30/04a (RIS-Justiz RS0118927) und 9 ObA 85/10f sprachen diese Konstellation grundsätzlich an, ließen die Antwort aber offen, weil der anzuwendende KollV jeweils eine ausdrückliche Regelung für die Berechnung der Jahresremuneration bei innerhalb des letzten Jahres eingetretenen Lohnschwankungen vorsah.

Den Kollektivvertragsparteien ist es grundsätzlich unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (RIS-Justiz RS0048332), soweit deren Ausgestaltung nicht gegen die gesetzlichen Rahmenbedingungen oder gegen grundlegende Wertungen der Arbeitsrechts- und Sozialrechtsordnung verstößt. Strittige Fragen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, der Anspruchshöhe und der Anspruchsdauer sind durch Interpretation der jeweiligen kollektivvertraglichen Bestimmungen zu lösen (8 ObA 30/04a; RIS-Justiz RS0048332; Rabl in

Reissner
[Hrsg], AngG2 § 16 AngG Rz 51 ff). Diesem Grundsatz folgend hat der OGH in der E 9 ObA 85/10f einen kollektivvertraglichen 13-wöchigen Durchrechnungszeitraum bei schwankender Entgelthöhe nach dem KollV für Handelsangestellte als angemessen beurteilt.

3. Der im vorliegenden Fall maßgebliche § 13 [richtig: § 11] KollV für Angestellte des Metallgewerbes lautet auszugsweise:

„(1) Allen Angestellten gebührt einmal in jedem Kalenderjahr ein 13. und 14. Monatsgehalt (Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuss). [...](2) Der Berechnung des 13. Monatsgehalts ist das im November gebührende Monatsgehalt (Lehrlingsentschädigung, Fixum) zugrunde zu legen. Der Berechnung des 14. Monatsgehalts ist das im Monat der Auszahlung gebührende Monatsgehalt (Lehrlingsentschädigung, Fixum) zugrunde zu legen.Bei Angestellten, die während des Kalenderjahres ihre Lehrzeit vollendet haben, setzt sich das 13. und 14. Monatsgehalt aus dem aliquoten Teil der letzten monatlichen Lehrlingsentschädigung und aus dem aliquoten Teil des Angestelltenbezugs zusammen. [...](4) Den während des Kalenderjahres eintretenden oder austretenden Angestellten (Lehrlingen) gebührt der aliquote Anteil des 13. und 14. Monatsgehaltes entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit. Angestellte, die das 13. und 14. Monatsgehalt bereits erhalten haben, aber noch vor Ablauf des Kalenderjahres ausscheiden, ist der verhältnismäßig zu viel bezahlte Anteil, der auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfällt, bei der Endabrechnung in Abzug zu bringen. [...]“

Die kollektivvertragliche Bezugnahme auf das Entgelt eines konkreten Monats steht – entgegen den Revisionsausführungen – einer Aliquotierung nicht entgegen. Damit wird zwar festgelegt, in welcher Höhe die Sonderzahlungen zustehen, wenn es im Bezugszeitraum zu schwankenden Entgelthöhen gekommen ist, aber nicht ausgeschlossen, dass andere Umstände, insb eine Änderung des Beschäftigungsausmaßes, Berücksichtigung finden können.220

Die Aliquotierungsregeln für Lehrlinge und unterjährig beschäftigte Angestellte, vor allem aber die anteilige Rückverrechnung einer erhaltenen Sonderzahlung im Fall des Ausscheidens des Angestellten vor Ablauf des Kalenderjahres machen vielmehr deutlich, dass die Kollektivvertragsparteien durchaus nicht davon ausgegangen sind, dass die Sonderzahlungen (wie es dem Standpunkt der Kl entsprechen würde) auf jeden Fall in voller Höhe des Gehalts des Bezugsmonats zustehen müssen, sofern nur das Dienstverhältnis am Stichtag aufrecht war.

Die am Regelungszusammenhang und -zweck orientierte Interpretation des KollV führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass er keine bestimmte Regelung für den Fall vorsieht, dass es innerhalb des Kalenderjahres im aufrechten Angestelltenverhältnis zu einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes gekommen ist und damit eine planwidrige Lücke vorliegt.

4. Für bestimmte, typische Fälle des Wechsels des Beschäftigungsausmaßes hat der Gesetzgeber selbst Regelungen über die Berechnung der Sonderzahlungen angeordnet, die eine Aliquotierung in dem der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung entsprechenden Ausmaß im Kalenderjahr vorsehen (§ 16 Abs 2 AngG; § 19d Abs 5 AZG; § 15j Abs 7 MSchG; § 8b Abs 7 VKG; § 11 Abs 2 AVRAG).

In Lehre und Literatur wird eine analoge Anwendung dieser Mischberechnung auf alle Fälle der unterjährigen Veränderung des Beschäftigungsausmaßes befürwortet, sofern der anzuwendende KollV diesbezüglich eine Regelungslücke aufweist (Preiss in ZellKomm2 § 16 AngG Rz 30; Heilegger in

Heilegger/Klein/Schwarz
, Arbeitszeitgesetz4 § 19d Rz 104; Löschnigg, Arbeitsrecht12 6/176; Schrank, AZG3 § 19d Rz 101; Rauch, AR10 381; Rabl, aaO § 16 AngG Rz 51).

5. Dieser Auffassung ist auch beizupflichten. Die Aliquotierung der Sonderzahlungen bei Änderungen des Beschäftigungsausmaßes ist zur Herstellung eines gerechten Ausgleichs der sozialen und wirtschaftlichen Interessen geboten, weil damit die Höhe der Sonderzahlungen vom tatsächlich verdienten Entgelt abhängig gemacht wird und nicht von einer möglicherweise bloß zufälligen Bezugsgröße zum Fälligkeitszeitpunkt.

Diese Auslegung ist im Fall eines Wechsels von Teilzeit auf Vollzeit – oder, wie im Fall der Kl, einer Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes – auch nur scheinbar nachteilig, weil auch in diesem Fall das tatsächlich verdiente Entgelt maßgebliche Bezugsgröße ist und keine unsachliche Behandlung dieser DN zu erkennen ist.

Umgekehrt wäre aber das Unterbleiben der Aliquotierung in jenen Fällen, in denen es während des vorangegangenen Bezugszeitraums zu einer Herabsetzung der Arbeitszeit gekommen ist, für die Betroffenen benachteiligend, weil ihnen – anders als vor Jahresende ausgetretenen Mitarbeitern – ihre während der Vollzeitbeschäftigung anteilig erworbenen Sonderzahlungsanwartschaften wegen der Herabsetzung der Arbeitszeit nachträglich gekürzt würden. Es besteht keine sachliche Rechtfertigung für dieses Ergebnis, das dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten in der RL über Teilzeitarbeit (RL 97/81/EG in der durch die RL 98/23/EG geänderten Fassung) auf unionsrechtlicher Ebene widersprechen würde.

6. Mit einer alternativen Heranziehung des arithmetischen Mittels der Gehaltsansätze für die Sonderzahlungsberechnung, wie sie die Revision eventualiter anstrebt, könnte kein rechnerisch sachgerechtes, mit der zeitlichen Aliquotierung auch nur annähernd gleichwertiges Ergebnis erzielt werden.

[...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Der OGH hatte sich im Anlassfall mit der Berechnung von kollektivvertraglichen Sonderzahlungen bei Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit während des Kalenderjahres auseinander zu setzen. Der anzuwendende KollV sieht keine ausdrückliche Regelung für diesen Fall vor, legt aber fest, dass die Sonderzahlungen in Höhe eines konkreten Monatsgehalts – nämlich in Höhe des Gehalts des Auszahlungsmonats bzw in Höhe des Novembergehalts – zustehen.

Die vorliegende E wirkt weit über den Anlassfall hinaus, da nicht nur der hier anzuwendende KollV für das Metallgewerbe, sondern auch zahllose andere Kollektivverträge keine ausdrücklichen Regelungen für die Berechnung der Sonderzahlungen bei unterjähriger Änderung der Arbeitszeit enthalten.

Konkret war zu prüfen, ob eine Mischberechnung, die auf das jeweilige Arbeitszeitausmaß abstellt, vorzunehmen ist oder – entsprechend dem Vorbringen der Kl – das Entgelt des letzten Beschäftigungsmonats als Basis der Berechnung heranzuziehen ist.

Die bekl IEF-Service GmbH lehnte einen Teil der beantragten Sonderzahlungen mit der Begründung, auf Grund der Änderung der Wochenstundenanzahl sei eine Mischberechnung vorzunehmen, ab. Für den Zeitraum der geringfügigen Beschäftigung wurden die Sonderzahlungen daher nur auf Basis des dafür gebührenden Entgelts zugesprochen. Der darüber hinausgehende Differenzbetrag wurde abgewiesen.

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht folgten der Rechtsauffassung der IEF-Service GmbH. Der anzuwendende KollV regle die Sonderzahlungsberechnung bei Änderung des Beschäftigungsausmaßes innerhalb der Abrechnungsperiode zwar unbestrittenermaßen nicht, eine vernünftige und zweckentsprechende, den gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der AG und AN berücksichtigende Auslegung führe jedoch zu dem erzielten Ergebnis. Nach Ansicht des Berufungsgerichts könne aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung im KollV noch nicht geschlossen werden, dass die Kollektivvertragsparteien eine Änderung des Beschäftigungsausmaßes gar nicht berücksichtigen wollten. Darüber hinaus wäre es221systemwidrig, den vorliegenden Fall einer wesentlichen Änderung der Arbeitszeit anders zu behandeln als den Fall der Weiterbeschäftigung nach einer Lehre, für den der KollV ausdrücklich eine Mischberechnung vorsehe. Die Revision wurde zugelassen.

Der OGH folgte der Rechtsauffassung der IEFService GmbH und bestätigte die Entscheidung der beiden Unterinstanzen.

2.
Kollektivvertragliche Sonderzahlungen

Rechtsgrundlage der Sonderzahlungen ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen (vgl § 9 Abs 2 HGHAG), nicht das Gesetz, sondern der jeweilige KollV sowie allfällige arbeitsvertragliche Vereinbarungen. Die Kollektivvertragsparteien sind in der Ausgestaltung der Sonderzahlungen frei und es bleibt ihnen unbenommen, den Anspruch an bestimmte Bedingungen zu knüpfen oder Aliquotierungsvorschriften vorzusehen, soweit nicht gegen gesetzliche Rahmenbedingungen oder grundlegende Wertungen der Arbeitsrechtsordnung verstoßen wird (RIS-Justiz RS0048332). Strittige Fragen hinsichtlich der Voraussetzungen, der Höhe sowie der Dauer des Anspruchs sind durch Interpretation der jeweiligen kollektivvertraglichen Bestimmungen zu lösen (OGH 15.4.2004, 8 ObA 30/04a; RIS-Justiz RS0048332; Rabl in

Reissner
[Hrsg], AngG2 § 16 AngG Rz 51 ff; Löschnigg, Arbeitsrecht12 6/167). Diesem Grundsatz folgend hat der OGH in der E vom 30.3.2011, 9 ObA 85/10f, einen 13-wöchigen Durchrechnungszeitraum bei schwankender Entgelthöhe nach dem KollV für Handelsangestellte als angemessen beurteilt.

Der Gesetzgeber hat aber für bestimmte, typische Fälle der Änderung des Beschäftigungsausmaßes – wie zB der Inanspruchnahme einer Gleitpension, Eltern- oder Bildungsteilzeit – Regelungen getroffen, die eine Aliquotierung entsprechend dem Ausmaß der Voll- und Teilzeitbeschäftigung vorsehen (siehe § 16 Abs 2 AngG; § 19d Abs 5 AZG; § 15j Abs 7 MSchG; § 8b Abs 7 VKG; § 11 Abs 2 AVRAG).

3.
Interpretation des anzuwendenden KollV
3.1.
Wechsel vom Lehr- zum Arbeitsverhältnis

Sieht ein KollV bei Weiterbeschäftigung eines Lehrlings expressis verbis eine Aliquotierung der Sonderzahlungen vor, so dient dies nach Ansicht des OGH nur der Klarstellung. Auch ohne ausdrückliche Regelung ergäbe eine vernünftige und zweckentsprechende, den gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der AG und AN beabsichtigende Auslegung (SZ 62/135 ua), dass eine Aliquotierung vorzunehmen sei. Aus dem Fehlen einer derartigen Regelung könne daher nicht geschlossen werden, dass eine Aliquotierung keinesfalls erfolgen dürfe. Es sei vielmehr der Umkehrschluss zu ziehen: Eine Aliquotierung sei insb gerade dann vorzunehmen, wenn eine ausdrückliche, klarstellende Regelung fehlt (OGH8 ObA 175/00vDRdA 2001, 427 [Löschnigg]; so auch bereits OGH 8.5.1979, 4 Ob 104/78[4 Ob 105/78] = SZ 52/75 = Arb 9781 [KollV für die metallverarbeitende Industrie]). Durch die Weiterbeschäftigung nach Beendigung der Lehrzeit werde nicht ein bestehendes Arbeitsverhältnis fortgesetzt, sondern ein neues Vertragsverhältnis, das anderen Zielen, Rahmenbedingungen und Rechtsvorschriften unterliegt, begründet (OGH 8.5.1979, 4 Ob 104/78). Anderes könne laut OGH nur dann gelten, wenn der KollV entweder überhaupt keine Aliquotierung vorsieht oder ausdrücklich anordnet, dass eine Aliquotierung in diesem Fall nicht stattzufinden hat.

Im Anlassfall war daher zu prüfen, ob dieser für den Wechsel vom Lehr- zum Arbeitsverhältnis entwickelte Grundsatz verallgemeinerungsfähig ist und auf den Fall der Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit im aufrechten Arbeitsverhältnis übertragen werden kann. Den beiden OGH-Entscheidungen 8 ObA 30/04a (RIS-Justiz RS0118927) und 9 ObA 85/10f lag zwar eine derartige Sachverhaltskonstellation zugrunde, sie ließen die Antwort aber offen, da die jeweils anzuwendenden Kollektivverträge eine ausdrückliche Regelung für die Berechnung der Sonderzahlungen bei schwankenden Lohnbezügen bzw bei unterschiedlichem Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung vorsahen.

3.2.
Änderung des Arbeitszeitausmaßes

§ 11 KollV für Angestellte des Metallgewerbes sieht sinngemäß vor, dass der Berechnung des 13. Monatsgehalts das im November gebührende Monatsgehalt, der Berechnung des 14. Monatsgehalts das im Monat der Auszahlung gebührende Monatsgehalt zugrunde zu legen ist. Bei Angestellten, die während des Kalenderjahres ihre Lehrzeit vollendet haben, setzt sich das 13. und 14. Monatsgehalt aus dem aliquoten Teil der letzten monatlichen Lehrlingsentschädigung und aus dem aliquoten Teil des Angestelltenbezugs zusammen. Bei unterjährigem Ein- oder Austreten von AN ist ebenfalls eine Aliquotierung vorzunehmen.

Für den Fall der Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit während des Kalenderjahres ist keine ausdrückliche Regelung vorgesehen. Zentrale Kernfrage ist daher, wie das Fehlen einer derartigen Regelung im KollV zu interpretieren ist. Dabei ist zu beachten, dass auf Grund der Gestaltungsfreiheit der Kollektivvertragsparteien jeder KollV einer eigenständigen Beurteilung zu unterziehen ist.

Nach der stRsp sind Kollektivverträge in ihrem normativen Teil nach den Bestimmungen der §§ 6, 7 ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0010088). Dabei ist in erster Linie der Wortsinn – im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen sowie die Absicht der Kollektivvertragsparteien, die sich aus dem Regelungszusammenhang insgesamt ergibt, zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089; siehe jüngst: OGH9 ObA 120/16mARD 6528/5/2016). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige und zweckentsprechende Regelung222treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitsvertragsparteien herbeiführen wollen (RIS-Justiz RS0010088; RS0008828; RS0008897).

Im Anlassfall hatte der OGH zu prüfen, ob auf Grund der von den Kollektivvertragsparteien getroffenen Regelung, wonach die Sonderzahlungen in der Höhe eines konkreten Monatsgehalts zustehen, eine Mischberechnung – außer beim Wechsel vom Lehr- zum Angestelltenverhältnis – generell ausgeschlossen sein soll.

Nach Ansicht der Kl ergibt sich aus dem Umstand, dass der KollV bezüglich der Höhe der Sonderzahlungen ausdrücklich auf das Entgelt eines konkreten Monats Bezug nimmt – und nicht bloß allgemein von einem Monatsgehalt spricht – eindeutig, dass die Kollektivvertragsparteien hier eine abschließende Regelung treffen wollten. Daraus sei abzuleiten, dass die Kollektivvertragsparteien nicht das ganze Jahr als Beobachtungszeitraum für die Bemessung der Sonderzahlungen heranziehen wollten. Von einer Mischberechnung sei nur dann auszugehen, wenn der KollV dies ausdrücklich anordne oder keine Regelungen zur Höhe der Sonderzahlungen enthalte. Der anzuwendende KollV habe jedoch eine ausdrückliche Regelung getroffen. Für eine Mischberechnung sei daher kein Raum. Aus dem Fehlen einer Aliquotierungsregel für den Fall der Änderung der Arbeitszeit sei noch nicht zu schließen, dass die Kollektivvertragsparteien diesbezüglich vom allgemeinen Grundsatz der Bemessung der Sonderzahlungen abgehen wollten. Der KollV habe vielmehr für den Fall der Änderung der Arbeitszeit keine abweichende Regelung hinsichtlich der Höhe der Sonderzahlungen vorsehen wollen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Kollektivvertragsparteien den vorliegenden Fall nicht geregelt hätten. Der KollV sähe nur bei unterjährigem Ausscheiden eine Aliquotierung vor, nicht jedoch für den Fall der Änderung der Arbeitszeit. Darüber hinaus liege hier – im Gegensatz zum Wechsel vom Lehr- zum Angestelltenverhältnis – ein durchgehendes aufrechtes Arbeitsverhältnis vor, bei dem sich lediglich das Ausmaß der Arbeitszeit geändert habe. Es sei daher – entgegen der Ansicht der Bekl – nicht von einer Regelungslücke auszugehen, die durch Analogie geschlossen werden müsse.

Dieser Rechtsauffassung ist der OGH nicht gefolgt und hat diese Interpretation des KollV dezidiert abgelehnt. Aus dem Fehlen von Aliquotierungsregeln für den Fall der Änderung der Arbeitszeit könne nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Aliquotierung in diesem Fall jedenfalls ausgeschlossen sein soll. Nach Ansicht des OGH steht die Bezugnahme auf das Entgelt eines konkreten Monats einer Mischberechnung nicht entgegen. Der ausschließliche Zweck dieser Regelung bestehe darin, festzulegen, in welcher Höhe die Sonderzahlungen bei stark schwankenden Monatsbezügen zustehen sollen. Damit soll aber nicht ausgeschlossen werden, dass andere Umstände, wie insb eine Änderung des Beschäftigungsausmaßes, nicht ebenfalls berücksichtigt werden können. Der KollV regele zwar nicht den unterjährigen Wechsel des Beschäftigungsausmaßes, enthalte aber Aliquotierungsregeln für die Weiterbeschäftigung von Lehrlingen und unterjährig ausscheidenden Angestellten.

Aus diesen Aliquotierungsregeln, sowie insb der anteiligen Rückverrechnung einer bereits erhaltenen Sonderzahlung bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, schließt der OGH, dass auch nach dem Willen der Kollektivvertragsparteien Sonderzahlungen keineswegs in jedem Fall immer in voller Höhe des Gehalts des Bezugsmonats zustehen müssen. Eine am Regelungszusammenhang und -zweck orientierte Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen könne daher laut OGH nur zum Ergebnis kommen, dass für den Fall der Änderung des Beschäftigungsausmaßes während des Kalenderjahres eine echte, planwidrige Lücke vorliege. Diese Lücke sei im Wege der Analogie zu schließen. Aus der Tatsache, dass der KollV für bestimmte Fälle Aliquotierungsregeln enthalte, könne nur der Schluss gezogen werden, dass die Kollektivvertragsparteien auch für diesen Fall Aliquotierungsregeln vorgesehen hätten, wenn ihnen diese Problemstellung im Zeitpunkt des Abschlusses des KollV bewusst gewesen wäre.

In der Lehre und Literatur wird eine analoge Anwendung der Mischberechnung auf alle Fälle der unterjährigen Veränderung des Beschäftigungsausmaßes befürwortet, sofern der anzuwendende KollV diesbezüglich eine Regelungslücke aufweist (Preiss in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 16 AngG Rz 30; Heilegger in
Heilegger/Klein/Schwarz
, Arbeitszeitgesetz4 § 19d Rz 104; Löschnigg, Arbeitsrecht12 [2015] 6/176; Schrank, AZG3 § 19d Rz 101; Rauch, Arbeitsrecht für Arbeitgeber10 [2011] 381; Rabl in
Reissner
[Hrsg], AngG2 § 16 AngG Rz 51).

Dieser Ansicht schließt sich der OGH nun ausdrücklich an. Nach seiner Auffassung sei die Anwendung der Mischberechnung auch zur Herstellung eines gerechten Ausgleichs zwischen den sozialen und wirtschaftlichen Interessen von AG und AN geboten. Nur dadurch werde gewährleistet, dass sich die Höhe der Sonderzahlungen nach dem tatsächlich verdienten Entgelt bemisst und nicht von einer zufälligen Bezugsgröße im Fälligkeitszeitpunkt abhängt.

Ergänzend führt der OGH in seiner Urteilsbegründung noch unionsrechtliche Argumente ins Treffen. Das Unterbleiben einer Aliquotierung sei in all jenen Fällen, in denen es während des Betrachtungszeitraumes zu einer Herabsetzung der Arbeitszeit gekommen ist, benachteiligend, da die während der Vollzeitbeschäftigung anteilig erworbenen Sonderzahlungsanwartschaften auf Grund der Verringerung der Arbeitszeit – im Gegensatz zu den während des Jahres austretenden Mitarbeitern – nachträglich gekürzt würden. Diese Vorgangsweise würde – da dafür keinerlei sachliche Rechtfertigung besteht – nach Ansicht des OGH dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten nach der RL über Teilzeitarbeit (RL 97/81/EG in der durch die RL 98/23/EG geänderten Fassung) widersprechen und somit gegen geltendes Unionsrecht verstoßen.223

Die vom OGH vorgenommene Interpretation des KollV schließt sich der Rechtsansicht der Bekl an, ergibt sich jedoch keineswegs zwingend aus dem Wortlaut der hier maßgeblichen Bestimmungen, noch kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie tatsächlich dem Willen der Kollektivvertragsparteien entspricht. Der KollV hat ja immerhin eine Regelung über die Höhe der Sonderzahlungen getroffen. Es ist daher ebenso plausibel, dass die Kollektivvertragsparteien mit dem Verweis auf das Gehalt eines konkreten Monats nicht nur eine Regelung bei schwankenden Monatsbezügen, sondern eine abschließende Regelung für alle Fälle – somit auch für den Fall der Änderung der Arbeitszeit – treffen wollten. Der Wechsel von Teilzeit zu Vollzeit – oder umgekehrt – ist auch nicht mit der Weiterbeschäftigung eines Lehrlings vergleichbar, da während der gesamten Zeit ein durchgängiges aufrechtes Arbeitsverhältnis vorliegt und nicht wie bei der Weiterverwendung eines Lehrlings nach Abschluss der Lehre ein neues Vertragsverhältnis eingegangen wird. Es gibt somit eine Reihe gewichtiger Argumente, die für den Standpunkt der Kl sprechen.

Der OGH hat stattdessen die anhand der Judikatur zur Berechnung der Sonderzahlungen bei Weiterbeschäftigung eines Lehrlings entwickelten Grundsätze, wonach das Fehlen von Aliquotierungsregeln als Regelungslücke anzusehen ist (OGH 5.10.2000, 8 ObA 175/00v), konsequent auf den Fall der Änderung der Arbeitszeit übertragen und damit seine Herangehensweise bei der Interpretation von Kollektivverträgen beibehalten. Unter diesem Aspekt betrachtet, steht die vorliegende E im Einklang mit der bisherigen Entscheidungspraxis. Vollkommen außer Acht gelassen hat der OGH jedoch, dass eines der Hauptargumente dieser E – nämlich, dass mit Beginn der Weiterverwendungszeit nicht ein bestehendes Lehrverhältnis fortgesetzt, sondern ein neues Vertragsverhältnis eingegangen wird und daher die Weihnachtsremuneration nicht zur Gänze auf Basis des Angestelltenbezuges zustehen kann – hier nicht greift. Dem Umstand, dass es sich um ein durchgehendes Arbeitsverhältnis handelt, bei dem lediglich die wöchentliche Arbeitszeit abgeändert wurde, wurde vom OGH im Anlassfall nicht Rechnung getragen. Seiner Auffassung nach ist das Vorhandensein von Aliquotierungsregelungen für andere Sachverhaltskonstellationen Indiz genug, annehmen zu können, dass die Kollektivvertragsparteien auch für den Fall der Änderung des Beschäftigungsausmaßes eine Mischberechnung hätten vorsehen wollen.

4.
Zusammenfassung

Der OGH hatte sich im Anlassfall erstmals mit der Berechnung von kollektivvertraglichen Sonderzahlungen bei unterjähriger Änderung der Arbeitszeit – wenn ausdrückliche Regelungen dazu im KollV fehlen – auseinanderzusetzen.

Er hat klargestellt, dass diese Frage durch Interpretation der jeweiligen kollektivvertraglichen Sonderzahlungsregelungen in ihrem Gesamtzusammenhang zu lösen ist. Eine Mischberechnung ist demnach immer dann vorzunehmen, wenn der KollV zumindest Aliquotierungsregeln für bestimmte andere Fälle – wie unterjähriges Ausscheiden oder für den Übertritt vom Lehr- zum Arbeitsverhältnis – vorsieht.

Der OGH hat damit eine Grundsatzfrage abschließend geklärt. Da zahlreiche Kollektivverträge quer durch alle Branchen keine expliziten Regelungen zur Berechnung der Sonderzahlungen bei Änderung des Beschäftigungsausmaßes vorsehen, kommt der vorliegenden E eine weit über den Anlassfall hinausreichende Bedeutung zu.

In der Praxis werden vermehrt nachträgliche Aufrollungen der Sonderzahlungen notwendig werden, da diese – wenn es nach Auszahlung zu einer Änderung der Arbeitszeit kommt – neu zu berechnen sind.224