Neumayr/Resch/Wallner (Hrsg) Gmundner Kommentar zum Gesundheitsrecht – GmundKomm

Manz Verlag, Wien 2016 XXXIV, 2.546 Seiten, gebunden, € 398,–

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)

Drei in jeder Hinsicht fachlich ausgewiesene Herausgeber und 34 Autoren und Autorinnen aus dem Kreis der RechtsanwältInnen, RichterInnen, VerwaltungsbeamtInnen und UniversitätslehrerInnen kommentieren auf 2.546 Seiten 34 Gesetze. Ein mehr als 2 kg schweres Mammutprojekt aus dem Umfeld der Gmundner Medizinrechtstage (in Verbindung mit dem Linzer Universitätsinstitut für das Recht der sozialen Daseinsvorsorge und Medizinrecht), der wohl mittlerweile bedeutendsten Medizinrechtsfachtagung Österreichs entstanden, vergleichbar der Verbindung des Zeller Kommentars zum Arbeitsrecht mit den jährlichen Zeller Tagungen der Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht. Und – wie eine Durchsicht des Werkes hoffen lässt – mit vergleichbarer Aussicht darauf, schon vom ersten Erscheinen an als Standardwerk zu gelten: Denn es liegt hier großteils nichts weniger als eine erstmalige wissenschaftliche Aufarbeitung dieses, das Medizinrecht im engeren Sinne überschreitenden und für Nichtspezialisten unübersichtlichen Rechtsgebietes vor, die Maßstäbe setzt.

Der Kommentar umfasst das Berufsrecht der Medizinberufe (ÄrzteG 1998, Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung 2015, ApothekenG, GewO 1994, GuKG [Gesundheits- und KrankenpflegeG], HebammenG, KardiotechnikerG, MABG [Medizinische AssistenzberufeG], MTD-G [Medizinisch-technischen Dienste-G], PsychologenG 2013, PsychotherapieG, SanitäterG, ZahnärzteG, ZahnärztekammerG), das Krankenanstaltenrecht (Gesundheits-ZielsteuerungsG, KAKuG [Krankenanstalten- und KuranstaltenG], KA-AZG [Krankenanstalten-ArbeitszeitG]), die Normen betreffend Medizinprodukte iwS (BlutsicherheitsG 1999, GewebesicherheitsG, SuchtmittelG), sanitätsrechtliche Vorschriften (AIDS-G 1993, EpidemieG 1950, GeschlechtskrankheitenG, TuberkuloseG) und weitere gesundheitsrechtliche Regelungen, die sich zum Teil verstreut in der ganzen Rechtsordnung finden lassen (ABGB, ÄsthOpG [BG über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen], ASVG, FortpflanzungsmedizinG, GesundheitstelematikG 2012, HeimaufenthaltsG, OrgantransplantationsG, Patientenverfügungs-G, StGB [Strafgesetzbuch], UnterbringungsG). Ausgeklammert blieben die im weiten Sinne zum Gesundheitswesen zählenden, traditionell aber dem Sozialrecht zugeordneten Themen der Krankenversicherung einschließlich der Anstaltspflege und des Pflegegeldes. Eingeschlossen sind hingegen jene Teile des ASVG, die jene Gesamt- und andere Verträge regeln, durch welche die Sozialversicherung das System der medizinischen Sachleistungen bereitzustellen hat.

Der Umfang des Werkes erlaubt es weder, auf die einzelnen Kommentierungen einzugehen, ja nicht einmal alle AutorInnen gebührend zu würdigen. Dennoch sei etwa als ein Herzstück des vorliegenden Werkes die Kommentierung des KaKuG durch Karl Stöger (Universität Graz) erwähnt, der schon mit seiner außergewöhnlichen Wiener Habilitationsschrift das Krankenanstaltenrecht auf eine Weise in den Besitz genommen hat, dass man in einschlägigen Rechtsfragen an seinen Publikationen nicht vorbeikommt, andererseits aber – wie auch die Kommentierung des KaKuG zeigt – zu allen relevanten Fragen kluge und durchdachte Antworten findet.

Fragt man sich, welche spezifisch gesundheitsrechtlichen Inhalte denn im ABGB vorzufinden sein könnten, so stößt man zuerst auf Matthias Neumayrs (OGH) überaus gelungene Darstellung des ärztli-243chen Behandlungsvertrages von der Einwilligung bis zu Behandlungsfehlern, unter Berücksichtigung der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA). Zum letztgenannten Thema finden beide politischen Streitparteien jeweils etwas, das ihnen gefallen wird: die Befürworter den Hinweis darauf, dass sich nach dem Konzept die Arzthaftung nicht ändern soll, die Gegner die Einschätzung des Autors, dass sich das Haftungsrisiko für ÄrztInnen infolge der potentiell zur Verfügung stehenden Informationen tendenziell wohl verschärfen werde. Dabei hat der Autor (ABGB Einleitung Rz 88) interessanterweise nicht das – wie man meinen könnte: naheliegende – Beispiel vor Augen, dass ein Arzt aufgrund der Überfülle von Informationen bei gleichzeitiger Zeitknappheit wichtige Informationen übersieht, sondern er betont im Gegenteil, dass es kein Vertrauen auf die Vollständigkeit der Unterlagen in ELGA gebe, und dass bei erkennbarer Unvollständigkeit weitere Nachfragen nicht unterlassen werden dürften. Angesichts dessen ist nachvollziehbar, dass die Haftungsfrage nach der Implementierung von ELGA bei den ÄrztInnen ein wesentlicher Punkt der Verunsicherung zu sein scheint. Vielleicht wäre es doch zweckmäßig, wenn sich der Gesetzgeber zu einer ausdrücklichen, ausgewogenen Regelung der Haftungsvoraussetzungen (bzw den von den ÄrztInnen einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstab) im Zusammenhang mit der Anwendung von ELGA entschließen könnte. Neumayr kommentiert auch die §§ 284b bis 284h AGBG einschließlich der Bestimmungen über die Vorsorgevollmacht sowie das in diesem Band ebenfalls enthaltene Patientenverfügungs-G; die übersichtliche und zugleich gründliche Kommentierung dieses zuletzt genannten Gesetzes war angesichts der vom Autor über zwei kleinbedruckte Buchseiten nachgewiesenen, nicht mehr überschaubaren Fülle an Literatur zu diesem Thema überfällig.

Interessant – auch für den Nicht-Strafrechtler – fand der Rezensent die von Eva Marek und Alexander Tipold aus einer spezifisch medizinrechtlichen Perspektive geschriebene Kommentierung der §§ 80 und 88 StGB, sowie – selbstverständlich – des § 110 StGB.

Klaus Firlei (Universität Salzburg), der sich schon in früheren wissenschaftlichen Arbeiten mit dieser Thematik beschäftigt hat, kommentiert in bewährter Manier das PsychologenG und das PsychotherapieG. Reinhard Resch (Universität Linz) hat – abgesehen von der Herausgebertätigkeit – einigen früheren einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten nunmehr die Kommentierung des Krankenanstalten-ArbeitszeitG folgen lassen. In ebenso verlässlicher Qualität findet sich im Band die Kommentierung des ÄrzteG durch den KAD der Oö Ärztekammer (und Mitherausgeber) Felix Wallner.

Angesichts der wohl noch nicht abgeschlossenen Diskussion über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit aller derzeit geltenden Beschränkungen der Maßnahmen medizinisch unterstützter Fortpflanzung ist die erstmalige Kommentierung des (im Gefolge einer E des VfGH kürzlich novellierten) FMedG (FortpflanzungsmedizinG) durch Michael Mayrhofer von der Universität Linz von großer Aktualität. Das von demselben Autor verfasste Handbuch aus dem Jahr 2003 ist schon längere Zeit vergriffen und man geht sicher nicht fehl, wenn man der neuen Kommentierung einen ebensolchen Erfolg beim Fachpublikum prognostiziert. Christian Bürger (NÖ Sachwalterverein, Donau-Univ. Krems) kommentiert gemeinsam mit Nikolaus Herdega (stv KAD, Ärztekammer OÖ) sehr verdienstvoll das HeimG (übrigens kurz nach dem Erscheinen des Praxiskommentars von Bürger/Halmich), wobei vor allem auf die 13 Seiten umfassende Kommentierung der Bestimmungen zur Freiheitsbeschränkung hingewiesen sei.

Der knappe Raum gestattet es nicht, auf alle Beiträge, geschweige denn auf Probleme, näher einzugehen. Angesichts des Umfangs des Werkes muss jedenfalls der Preis als wohlfeil gelten, dies umso mehr, als der Verlag das Werk liebevoll ausgestattet hat. So finden sich praktischerweise zwei Einlegebändchen und ein – wenngleich offenbar durch Werbung gesponsertes – gesondertes Kärtchen mit einem Inhaltsverzeichnis, das es dem vielseitigen Praktiker (es sei zugegeben: auch dem Rezensenten) ermöglicht, mehrere Teile des Werkes gleichzeitig zu nutzen und dabei das lästige Zurückblättern zur Titelei zu vermeiden. Das rezensierte Werk ist ein unentbehrlicher Arbeitsbehelf für alle, die mit irgendeiner Sparte des Medizinrechts zu tun haben.244