Schrank/Schrank/LindmayrLohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – Kommentar

LexisNexis Verlag, Wien 2017, XIX, 822 Seiten, € 135,–

WALTERJ.PFEIL (SALZBURG)

Am 1.1.2017 ist das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz in Kraft getreten. Der Grundansatz dieses Gesetzes und der Großteil seiner Inhalte sind nicht neu, hat das LSD-BG doch vor allem eine Kodifikation der zuvor verstreuten und insb im AVRAG recht unübersichtlich angeordneten Regelungen gebracht. Dennoch hat kaum ein Gesetzeswerk der letzten Jahre so viel Aufsehen erregt, wenn man vielleicht vom jüngsten „Hype“ um die DSG-VO absieht. Diese Aufmerksamkeit hat gewiss damit zu tun, dass das Thema Lohn- und Sozialdumping auch in der allgemeinen politischen Debatte besondere Bedeutung erlangt hat. Vor allem geht sie aber darauf zurück, dass zuvor nur privatrechtlich sanktionierte Verletzungen arbeitsrechtlicher Vorschriften nun auch mit – teilweise empfindlichen – Verwaltungsstrafen bedroht sind.

Da ein solcher Regelungsansatz viele Emotionen hervorrufen und in der Folge zu verzerrten Einschätzungen führen kann, tut sachliche Information und fundierte Analyse Not. Der vorliegende Band ist darum ohne Frage bemüht, wenngleich die – sich als roter Faden durch das Werk ziehende – These der hohen Komplexität des LSD-BG zum einen offenkundig der rechtspolitischen Skepsis gegenüber diesem Ansatz geschuldet ist. Zum anderen scheint die Komplexität auch ein wenig als Argument dafür zu dienen, dass es eben einer besonders umfangreichen Kommentierung bedarf, um „vor allem für die Betroffenen ... Antworten auf Fragen [zu finden], die sich zu zahlreichen ... gesetzlichen Gebote[n] oder Verbote[n] stellen“ (Vorwort, V).

Tatsächlich handelt es sich nicht nur vom Umfang her, sondern auch vom Aufbau eher um ein Handbuch zur Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfung als um eine Kommentierung. Die Erörterung erfolgt zwar in der Reihenfolge der Paragraphen, wobei jeweils ein Auszug aus den einschlägigen Gesetzesmaterialien und eine Übersicht der (bis dato noch recht spärlichen) Literatur vorangestellt sind. Die inhaltlichen Ausführungen setzen dann aber häufig sehr grundsätzlich und weit ausholend an, folgen aber nur bedingt der Systematik der jeweiligen Bestimmungen. Die Gliederung orientiert sich vielmehr an Fragestellungen, die den drei AutorInnen für die Praxis wichtig erscheinen, oder mit denen eben die oben angeführte Grundthese untermauert werden soll. Während ersteres vorbehaltlos zu begrüßen ist, muss es doch die Überzeugungskraft mancher Aussagen schmälern, wenn etwa ein Kapitel der Erläuterungen zur – an sich doch kaum bedenklichen – Regelung des Entgeltanspruchs in § 3 der „Uneinheitlichkeit und Hochkomplexität der kollektivvertraglichen Mindestentgelte als systemische Folge dieses Maßstabs“ gewidmet ist (61 ff); oder wenn bei der zentralen Strafbestimmung des § 29 die „Eignung bloßer ,Unterentlohnung‘ als Straftatbestand“ ebenso prominent problematisiert wird (415 ff) wie die „Rechtsstaatlichen Probleme dieses Tatbestands“ (419 ff). Einiges an dieser Kritik mutet doch vorwiegend rechtspolitisch an (vgl nur 418, Rz 13: „die Beschäftigung für Arbeitgeber ein drahtseilartiger Hochrisikoakt537wird“), so dass durchaus fraglich sein könnte, ob der angestrebte Nutzen insb für die NormadressatInnen wirklich erzielbar ist. Dazu kommt, dass es die mitunter „eigenwillige“ Systematik und das weite Ausholen, aber auch der recht dichte Einsatz von fettgedrucktem Text nicht immer erleichtern, die zum jeweiligen Sachproblem passenden Überlegungen zu finden. Hier leistet immerhin das umfangreiche und durchdachte Stichwortverzeichnis hervorragende Dienste. Auch die Tabelle im Anhang, in der die Rechtslage vor und seit dem LSD-BG gegenübergestellt wird, ist überaus hilfreich.

Jenseits dieser Kritik ist dem vorliegenden Werk aber zu bescheinigen, dass es eine fast unglaubliche Fülle an Informationen (auch über dem Gesetztext oder den Materialien nicht zu entnehmende Hintergründe und Implikationen) enthält. Daraus werden dann zahlreiche wertvolle Anregungen und Hinweise für die Praxis abgeleitet. Dies gilt nicht nur für die – meist im Fokus stehenden – Regelungen über „Arbeitsrechtliche Ansprüche“ und die Strafbestimmungen (für deren Bearbeitung der Erstautor verantwortlich zeichnet), sondern insb auch für die Haftungsbestimmungen (bearbeitet von Veronika Schrank) und die Behördenzuständigkeiten (von Manfred Lindmayr kommentiert). Besonders informativ, weil im Schrifttum sonst eher vernachlässigt, sind die (wieder von der Zweitautorin stammenden) Erörterungen zum 3. Hauptstück des Gesetzes, das der Durchsetzung von Maßnahmen bei grenzüberschreitenden Arbeitseinsätzen gewidmet ist.

Angesichts des Umfangs des Bandes kann im Rahmen einer Rezension nicht einmal exemplarisch auf einzelne dort vertretene Positionen eingegangen werden. Eine ausführliche Auseinandersetzung sollte aber bald möglich sein, wenn die Kommentierungen zum LSD-BG spätestens im Jahr 2019 um eine weitere Ausgabe ergänzt werden.

Daher nur zwei abschließende Bemerkungen: Zunächst muss dem Erstautor höchster persönlicher Respekt gezollt werden, da er sich nicht nur in den längst verdienten Ruhestand zurückgezogen hat, sondern mit ungebremster Schaffenskraft publiziert (neben der Neuauflage des Arbeitszeitrechts ist eben erst ein neuer Kommentar zum UrlG erschienen!). Zudem ist Franz Schrank nach wie vor vielfältig als Vortragender und Seminarleiter tätig und genießt dabei bei wohl allen praktisch mit dem Arbeitsrecht Befassten einen hervorragenden Ruf.

Für einen derart breiten AdressatInnenkreis scheint der vorliegende Kommentar dagegen nur bedingt geeignet, obwohl (oder vielleicht auch: weil) er die – bisher und wohl auch für absehbare Zukunft – umfangreichste und intensivste Auseinandersetzung mit dem politisch wie praktisch hoch bedeutsamen Regelungswerk des LSD-BG darstellt. „Einfache“ NormadressatInnen (von den AutorInnen häufig mehrdeutig als „Betroffene“ bezeichnet) werden nur dann vollen Nutzen aus dem Band ziehen können, wenn sie sich dessen bewusst sind, dass es sich dabei auch um eine rechtspolitische „Streitschrift“ gegen den Grundansatz dieses Gesetzes handelt. SpezialistInnen in der Beratung, Interessenvertretung oder Wissenschaft und erst recht Entscheidungsträger (zumal auch jene in Behörden und Gerichtsbarkeit) werden dagegen an den Überlegungen von F. Schrank, V. Schrank und Lindmayr nicht vorbeikommen.