Der Pensionswerber im Abgrund zwischen den Rechtslagen
Der Pensionswerber im Abgrund zwischen den Rechtslagen
Sachverhalt
Der im Jahr 1975 geborene Martin K hat den Beruf des Schlossers erlernt und war im Beobachtungszeitraum länger als 90 Beitragsmonate als Facharbeiter erwerbstätig, und zwar überwiegend als Fertigungsprüfer in der Metall- und Kunststoffindustrie.
Ende 2013 hat er seinen Arbeitsplatz verloren und war ab Jänner 2014 arbeitslos. Weil er sich nicht mehr arbeitsfähig fühlte, hat er am 2.12.2014 einen Antrag auf Gewährung der Invaliditätspension gestellt, der von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) mit Bescheid vom 12.3.2015 abgelehnt wurde. Dieser Bescheid enthält auch den Ausspruch, vorübergehende Invalidität im Ausmaß von mindestens sechs Monaten liege nicht vor, weshalb auch kein Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation bestehe; Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation seien nicht zweckmäßig.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ergibt sich aufgrund der eingeholten Gutachten medizinischer Sachverständiger sowie eines berufskundlichen Sachverständigen, dass Martin K aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls auf Dauer weder die bisher ausgeübten Tätigkeiten noch Tätigkeiten im Verweisungsfeld – wie etwa eine Tätigkeit im Werkzeughandel – ausüben kann. Daraufhin wird im Auftrag der PVA – noch während des sozialgerichtlichen Verfahrens – im Zeitraum 3.10. bis 25.11.2016 ein Berufsfindungsverfahren durchgeführt, in dem sich herausstellt, dass durch eine Umschulung zum Finanz- und Rechnungswesenassistent mit Lehrabschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sichergestellt werden kann.
Welche Ansprüche könnten in Frage kommen?
(Sachverhalt nach OLG Linz 7.7.2017, 12 Rs 45/17z)
Lösung
Aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit sieht § 222 Abs 1 Z 2 ASVG* in der hier anzuwendenden Fassung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG)* für Versicherte, die am 1.1.2014 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten,* insgesamt drei Leistungen vor, und zwar medizinische Maßnahmen der Rehabilitation (§§ 253f, 270b),* bei Invalidität die Invaliditätspension aus der PV der Arbeiter (§ 254) und bei Berufsunfähigkeit die Berufsunfähigkeitspension aus der PV der Angestellten (§ 271). Mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2017 (SVÄG 2017)* wurden der Aufzählung berufliche Maßnahmen der Rehabilitation (§§ 253e, 270a) hinzugefügt.*
Ein Antrag auf eine Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit gilt gem § 361 Abs 1 idF des SVAG vorrangig als Antrag auf Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld sowie auf Feststellung, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, einschließlich der Feststellung des Berufsfeldes. Weil solchermaßen vom Gesetzgeber – wohl entgegen dem überwiegenden Willen der Antragsteller – ein primär auf Rehabilitation gerichteter Antrag fingiert wird, ist in jedem Verfahren auf Gewährung einer Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension auch und vor allem zu klären, ob Maßnahmen der Rehabilitation – samt den damit im Zusammen-64hang zu gewährenden Geldleistungen – in Betracht kommen.
In der Praxis wird bisweilen ein Begehren auf eine konkrete Leistung im Zusammenhang mit der beruflichen Rehabilitation – etwa das Übergangsgeld – in die Klage aufgenommen. Die prozessuale Zulässigkeit dieser Vorgangsweise wird in einem derzeit beim OGH anhängigen Verfahren* geklärt und soll hier nicht weiter vertieft werden.
Der Anspruch auf Invaliditätspension setzt gem § 254 Abs 1 idF des SVAG nicht nur voraus, dass Invalidität iSd § 255 auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustandes voraussichtlich dauerhaft vorliegt (Z 1), die Wartezeit gem § 236 erfüllt ist (Z 3) und am Stichtag (§ 223 Abs 2) die Voraussetzungen für eine Alterspension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz, mit Ausnahme der Alterspension nach § 4 Abs 2 APG, noch nicht erfüllt sind (Z 4), sondern insb auch, dass berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bezogen auf das Berufsfeld nach § 222 Abs 3 nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind (Z 2). Die fehlende Zweckmäßigkeit bzw Zumutbarkeit von beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation bildet damit eine negative Anspruchsvoraussetzung für die Invaliditätspension.
Stellt sich daher im sozialgerichtlichen Verfahren heraus, dass der Kl invalid ist, so muss das Sozialgericht von Amts wegen das Vorliegen der negativen Anspruchsvoraussetzung nach § 254 Abs 1 Z 2 prüfen, wenn die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Invaliditätspension erfüllt sind.* Ergibt sich dabei, dass berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig iSd § 303 Abs 3 und zumutbar iSd § 303 Abs 4 sind, scheidet ein Anspruch auf Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension aus.
Das Übergangsgeld gem § 306 ASVG wurde mit der 32. Novelle zum ASVG* – zugleich mit einer umfassenden Neuregelung des Themenbereichs der Rehabilitation – als Anreiz für die Inanspruchnahme von Maßnahmen der Rehabilitation mit Wirksamkeit 1.1.1977 eingeführt.*
Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996* wurde der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ dergestalt gesetzlich verankert, dass zum einen „ein Antrag auf eine Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit [gemäß dem in § 361 Abs 1 angefügten letzten Satz] auch als Antrag auf Leistungen der Rehabilitation“ gilt und zum anderen eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit – gemäß dem in § 86 Abs 3 Z 2 angefügten letzten Satz – nur dann anfällt, wenn zumutbare Rehabilitationsmaßnahmen die Wiedereingliederung in das Berufsleben nicht bewirken können.*
Weil zwischen dem Zeitpunkt der Antragstellung auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und dem Einsetzen der medizinischen oder beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation oft ein langer Zeitraum liegt und dadurch Versorgungslücken entstehen können, in denen auch keine Pflichtversicherung in der KV besteht, wurde mit dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 (ASRÄG 1997)* dem § 306 Abs 1 ein letzter Satz angefügt, nach dem Übergangsgeld bei Gewährung medizinischer oder beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation in den Fällen des § 361 Abs 1 – also dem fingierten Antrag auf Rehabilitation bei Antragstellung auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit – nicht nur „für die Dauer der Gewährung“ von medizinischen oder beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation gebührt, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, in dem die Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit mangels dieser Rehabilitationsmaßnahmen angefallen wäre.*
Die letzte grundlegende Umgestaltung erfolgte durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 (SRÄG 2012),* mit dem für jene Versicherten, die nicht spätestens am 31.12.2013 das 50. Lebensjahr vollendet haben – also für die Geburtsjahrgänge ab 1964 –, eine neue Rechtslage geschaffen wurde. Durch die Änderung des § 306 Abs 1 wurde das Übergangsgeld zu einer gegenüber dem – bei medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation gebührenden – Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG und dem – bei beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation gebührenden – Umschulungsgeld nach § 39b AlVG subsidiären Leistung umgestaltet: Das Übergangsgeld ist vom Pensionsversicherungsträger für die Dauer der Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation oder einer Ausbildung gem § 198 Abs 2 Z 1 nur noch dann zu leisten, wenn kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld (§ 143a) oder auf Umschulungsgeld (§ 39b AlVG) besteht.* Insgesamt sollte damit der – sowohl bei beruflichen als auch bei medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation bestehende – Anspruch auf Übergangsgeld nach § 306 durch die Ansprüche auf Rehabilitationsgeld nach § 143a bzw auf Umschulungsgeld nach § 39b AlVG abgelöst werden.*65
Anspruch auf Rehabilitationsgeld (§ 143a) haben Versicherte gem § 255b, wenn vorübergehende Invalidität voraussichtlich im Ausmaß von zumindest sechs Monaten gegeben ist und die Voraussetzungen nach § 254 Abs 1 Z 2 bis 4 vorliegen, also die Voraussetzungen für die Invaliditätspension mit Ausnahme der Dauerhaftigkeit der Invalidität. Weil schon nach dem Einleitungssatz des § 143a kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht,* wenn berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, ist das Rehabilitationsgeld grundsätzlich subsidiär gegenüber dem Anspruch auf Geldleistungen im Zusammenhang mit beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation. In der Regel werden freilich solche Maßnahmen überhaupt erst zweckmäßig sein, wenn der mit medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation erreichbare gesundheitliche Zustand hergestellt ist.
Der mit dem SRÄG 2012 eingeführte Anspruch auf Rehabilitationsgeld nimmt insofern eine Zwitterstellung ein, als er materiell eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit – also eine Leistung der PV – ist, systematisch jedoch dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit – also den Leistungen der KV (§ 117 Z 3) – zugeordnet wurde.*
Anders als die befristete Invaliditätspension, die durch das Rehabilitationsgeld ersetzt werden sollte,* wird das Rehabilitationsgeld unbefristet vom Pensionsversicherungsträger (dem Grunde nach) zuerkannt (und allenfalls entzogen);* die Höhe ist jedoch vom Krankenversicherungsträger festzusetzen. Auch für die Auszahlung sind die Krankenversicherungsträger zuständig, allerdings haben die Pensionsversicherungsträger diesen die tatsächlichen Kosten sowie anteilige Verwaltungskosten zu ersetzen (§ 143c).
Anspruch auf Umschulungsgeld haben nach dem Wortlaut des § 39b AlVG idF des SRÄG 2012 „Personen, für die nach den entsprechenden Regelungen des ASVG bescheidmäßig festgestellt wurde, dass Invalidität (Berufsunfähigkeit) voraussichtlich im Ausmaß von mindestens sechs Monaten vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, [...] wenn sie zur aktiven Teilnahme an für sie in Betracht kommenden beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation bereit sind, bis zur Beendigung dieser Maßnahmen, längstens bis zum Monatsende nach Beendigung der letzten Maßnahme
“.
Für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation iSd § 303 Abs 3 und 4 idF des SRÄG 2012* sind zum einen das Alter, die Ausbildung, die Qualifikation und der soziale und wirtschaftliche Status zu berücksichtigen sowie etwa auch die Facharbeitereigenschaft des Versicherten und zum anderen Dauer, Umfang und Kosten der ins Auge gefassten Ausbildung, wobei der konkret Umgeschulte im umgeschulten Beruf voraussichtlich eine realistische Chance haben muss, einen Arbeitsplatz im Bundesgebiet zu finden.*
Die Rechtsgrundlage für die in § 39b Abs 1 AlVG angesprochene bescheidmäßige Feststellung der Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation findet sich in § 367 Abs 4 Z 3.*) Nach dieser Bestimmung hat der Versicherungsträger von Amts wegen – ua – festzustellen, „ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig (§ 303 Abs 3) und zumutbar (§ 303 Abs 4) sind und für welches Berufsfeld die versicherte Person durch diese Maßnahmen qualifiziert werden kann
“, wenn „eine beantragte Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit abgelehnt [wird], weil dauernde Invalidität (§ 254) oder dauernde Berufsunfähigkeit (§ 271) auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustandes nicht anzunehmen ist
“.
Auf den ersten Blick scheint daher dieser Ausspruch auf Fälle bloß vorübergehender Invalidität beschränkt; das hätte zur Folge, dass für dauernd invalide Versicherte ein Anspruch auf Umschulungsgeld ausscheiden würde, sodass diese weiterhin Anspruch auf Übergangsgeld hätten.*
Weil allerdings der – mit dem ASRÄG 1997 eingeführte und mit dem Budgetbegleitgesetz 2011* und dem SRÄG 2011* novellierte – letzte Satz des § 306 Abs 1 mit dem SRÄG 2012 wieder aufgehoben wurde, entstände für dauernd invalide Versicherte in dessen Anwendungsbereich* zwischen dem Stichtag der Pensionsleistung und dem Beginn der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bzw der beruflichen Ausbildung – wieder* – eine Versorgungslücke.
Die Regelungen über die Auslegung von Gesetzen finden sich in §§ 6 f ABGB, wobei in § 6 ABGB66die Wortauslegung („eigentümliche Bedeutung der Worte
“), die systematische Auslegung („in ihrem Zusammenhange
“) und die historisch-teleologische Auslegung („klare Absicht des Gesetzgebers
“) ausdrücklich zur Sprache kommen und § 7 ABGB bei Vorliegen einer planwidrigen Lücke die analoge Anwendung von Gesetzen regelt.
Die Auslegung beginnt mit der Wortinterpretation, worunter die Erforschung des Wortsinns, der Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist.* Ferner ist der Zusammenhang der auszulegenden Worte und Sätze mit anderen Worten und Sätzen der betreffenden Gesamtregelung und ihre systematische Stellung zu berücksichtigen (logische Auslegung).* Bleibt nach Wortinterpretation und logischer Auslegung die Ausdrucksweise des Gesetzes dennoch zweifelhaft, ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen; dabei wird versucht, den Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (objektiv-teleologische Interpretation); der Auslegende hat also die gesetzgeberische Regelung und die darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe selbständig weiter und zu Ende zu denken.* Die Feststellung des Willens des geschichtlichen Gesetzgebers an Hand der Gesetzesmaterialien – also die historische Auslegung – bedarf besonderer Vorsicht, weil diese nicht Gesetz geworden sind und mit dem wahren Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen müssen; sie hat aber eine gewisse Vermutung der Richtigkeit für sich. Allerdings steht das Gesetz mit seinem Wortlaut, mit seiner Systematik und in seinem Zusammenhang mit anderen Gesetzen über der Meinung der Redaktoren.* Stehen die ErläutRV im eindeutigen Widerspruch zum Gesetz, können sie zur Auslegung des Gesetzes nicht herangezogen werden.*
Für die Auslegung des § 39b AlVG bzw des § 367 Abs 4 könnte dabei Folgendes überlegt werden:
Der Wortlaut § 39b AlVG („Invalidität [...] voraussichtlich im Ausmaß von mindestens sechs Monaten
“) könnte zwar auf den ersten Blick nahe legen, dass ein Anspruch auf Umschulungsgeld nur im Falle vorübergehender Invalidität besteht, nicht aber im Falle von dauernder.* Er lässt jedoch auch das gegenteilige Verständnis zu, weil auch eine dauernde Invalidität „voraussichtlich mindestens sechs Monate“ anhält.
Für diese Auslegung spricht auch der gesetzgeberische Wille in mehrerlei Hinsicht:
Zum einen entspricht es der Intention des Gesetzgebers des SRÄG 2012, den Anspruch auf Übergangsgeld (als Leistung der PV) durch die Ansprüche auf Rehabilitations- bzw Umschulungsgeld (als Leistungen der KV bzw AlV) – mehr oder weniger rückstandsfrei) – zu ersetzen.*
Zum anderen betonen die ErläutRV zum SRÄG 2012 – ohne Unterscheidung zwischen den Fällen der vorübergehenden und der dauernden Invalidität –, „dass der Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation für Personen gestrichen werden solle, die am 1.1.2014 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und diese Leistung künftig vom Arbeitsmarktservice erhalten
“,* sowie dass „gesundheitlich beeinträchtigte Personen, die an für sie zweckmäßigen und zumutbaren Maßnahmen teilnehmen, die die Chance auf Beschäftigung steigern können, [...] Anspruch auf eine Geldleistung haben [sollen], die ihren Unterhalt sichert
“.*
Hinzu kommt, dass mit der Neufassung des § 39b AlVG durch das SVÄG 2017* nach dem Willen des Gesetzgebers „die Regelung über den Anspruch auf Umschulungsgeld nach dem AlVG [...] an die neuen Bestimmungen über den Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation bei (drohender) Invalidität oder Berufsunfähigkeit angepasst werden
“ sollte,* indem auch Versicherte der Geburtsjahrgänge 1963 und älter einbezogen wurden. Dass erst durch diese Änderung erstmals auch dauernd invalide Versicherte der Geburtsjahrgänge ab 1964 einbezogen werden sollten,* ist den Materialien zu § 39b AlVG* im SVÄG 2017 hingegen nicht zu entnehmen.
Wenn § 367 Abs 4 die Erlassung eines Bescheids über die Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation bei Ablehnung der beantragten Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (nur) für den Fall vorsieht, dass diese erfolgt ist, weil „dauernde Invalidität [...] auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustandes nicht anzunehmen ist
“, spricht auch dieser Wortlaut zunächst dafür, dass damit tatsächlich nur jene Fälle gemeint sind, in denen die Invalidität durch (ausschließlich) medizinische Maßnahmen behebbar ist.
Abgesehen von den Hinweisen auf den Willen des Gesetzgebers* könnten jedoch auch dem Text des § 367 Abs 4 selbst sowie dessen Zusammenhang67mit anderen Bestimmungen des ASVG durchaus Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass auch bei – aus medizinischer Sicht – dauernder Invalidität bzw Berufsunfähigkeit eine derartige Feststellung bescheidmäßig zu treffen ist:
Wenn über den Antrag auf eine Leistung gem § 222 Abs 1 und 2 aus der PV – also insb auch auf Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit – jedenfalls ein Bescheid zu erlassen ist (§ 367 Abs 1 Satz 2) und ein Antrag auf eine Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit vorrangig (ua) als Antrag auf Feststellung gilt, „ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, einschließlich der Feststellung des Berufsfeldes
“ (§ 361 Abs 1), so ist naheliegend, dass der Pensionsversicherungsträger auch – und gerade – darüber schon nach § 367 Abs 1 Satz 2 zu entscheiden hat.
Darüber hinaus sind berufliche Maßnahmen der Rehabilitation wohl in aller Regel erst zweckmäßig, wenn der durch medizinische Maßnahmen der Rehabilitation erzielbare Zustand tatsächlich erreicht ist. Ein Ausspruch über berufliche Maßnahmen der Rehabilitation wäre sinnlos, wenn er auf den Fall der vorübergehenden Invalidität – die von der Vorläufigkeit des bestehenden Gesundheitszustands und medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation geprägt ist, während denen Anspruch auf Rehabilitationsgeld (§ 143a ASVG) besteht – beschränkt wäre, während der berufliche Maßnahmen der Rehabilitation in der Regel (noch) nicht zweckmäßig sind.*
Hinzu kommt, dass der Wortlaut des § 367 Abs 4 ausdrücklich als Klammerausdruck neben dem Begriff „dauernde Invalidität“ pauschal auf „§ 254“ – und nicht nur auf § 254 Abs 1 Z 1 – verweist. Damit könnte diese Verweisung – auch wenn dagegen der weitere Wortlaut des § 367 Abs 4 („auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustandes“) eingewendet werden kann – als Verweisung auf die Anspruchsvoraussetzungen für eine Invaliditätspension insgesamt verstanden werden.
Dem entsprechend erscheint durchaus argumentierbar, dass ein Bescheid nach § 367 Abs 4 immer dann zu erlassen ist, wenn ein Anspruch auf Invaliditätspension – aus anderen Gründen als mangels Erfüllung der Wartezeit (§ 254 Abs 1 Z 3)* – ausscheidet.
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass auch dauernd invalide Versicherte bereits im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des § 39b AlVG idF des SRÄG 2012 am 1.1.2014 und seiner Änderung durch das SVÄG 2017 Anspruch auf Umschulungsgeld hatten.*
Umschulungsgeld gebührt nach dem Wortlaut des § 39b Abs 1 Satz 2 AlVG „ab der Feststellung des Pensionsversicherungsträgers, wenn die Geltendmachung binnen vier Wochen danach erfolgt, andernfalls erst ab Geltendmachung
“.
Daraus ergibt sich zunächst, dass für den Bezug von Umschulungsgeld – anders als für den Bezug von Rehabilitationsgeld* – ein eigenständiger Antrag erforderlich ist, der auf die „Feststellung des Pensionsversicherungsträgers“ zurückwirkt, wenn er innerhalb von vier Wochen danach – womit wohl die Ausfertigung bzw Zustellung des Bescheids* gemeint ist – geltend gemacht wird.
Ohne zusätzliche interpretatorische Mühen besteht daher während des Verfahrens vor dem Pensionsversicherungsträger bis zur Erlassung des Bescheids über die Zumutbarkeit und Zweckmäßigkeit beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation kein Anspruch auf Umschulungsgeld; es klafft daher (auch) in diesem Bereich wieder jene Versorgungslücke, die der Gesetzgeber im Hinblick auf das Übergangsgeld mit der Einfügung des § 306 Abs 1 letzter Satz durch das ASRÄG 1997 geschlossen und mit dessen Aufhebung mit dem SRÄG 2012 – ohne ersichtlichen Grund und ohne jegliche Begründung – wieder geöffnet hat.*
Vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigten Ablöse des – ab dem Pensionsstichtag gebührenden – Anspruchs auf Übergangsgeld durch das Rehabilitationsgeld* bzw das Umschulungsgeld* erscheint daher ein quasi doppelfunktionales Verständnis des Begriffs „Feststellung des Pensionsversicherungsträgers“ angebracht und möglich: Ein formales – auf den Zeitpunkt der Ausfertigung bzw Zustellung des Bescheids abstellendes – Verständnis für den Beginn der vierwöchigen Frist, deren Einhaltung zur rückwirkenden Zuerkennung des Umschulungsgelds führt, und ein materielles – auf den Zeitpunkt des Ausspruchs über das Vorliegen der Invalidität bzw Berufsunfähigkeit, also den Stichtag (§ 223 Abs 2) abstellendes – Verständnis für den Beginn des Anspruchs.
Solchermaßen löst der rechtzeitig gestellte Antrag auf Gewährung von Umschulungsgeld einen Anspruch auf Umschulungsgeld ab dem Pensionsstichtag aus.
Ein Anspruch des Martin K auf Invaliditätspension scheidet zwar aus, weil berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, gerade deswegen besteht jedoch Anspruch auf Umschulungsgeld ab dem Pensionsstichtag, der wiederum Ansprüche auf Rehabilitationsgeld (gem § 255b iVm § 254 Abs 1 Z 2) und Übergangsgeld (gem § 306 Abs 1 Satz 1) ausschließt.68