Grundgehalt in All-in-Vereinbarungen

JUTTAMACA
Mit Jahresanfang gab es im Arbeitsrecht einige sehr begrüßenswerte Neuerungen im Arbeitsvertragsrecht.* Es geht dem Gesetzgeber dabei vor allem darum, mehr Klarheit und Schutzstandards für AN zu schaffen, und ganz dem Ansinnen des Regierungsprogramms für die 25. Gesetzgebungsperiode entsprechend, die Fairness im Arbeitsrecht zu erhöhen.* Als erfreulich aus AN-Sicht sind hier sicherlich die Einschränkungen bei den Konkurrenzklauseln und beim Ausbildungskostenrückersatz zu erwähnen, aber auch die Regelungen zur besseren Erkennbarkeit des zustehenden Entgelts.Obwohl die neuen Bestimmungen maßgeblich vom Gedanken der Transparenz getragen sind, zeigt sich bereits bei den Inkrafttretensbestimmungen, dass nicht überall die gewünschte Klarheit für den einfachen Rechtsanwender erreicht wird. Während beispielsweise in, ab 29.12.2015, neu ausgestellten Dienstzetteln verpflichtend die betragsmäßige Höhe des Grundgehalts oder -lohns* anzuführen ist und ebenso die neuen Bestimmungen im Bereich der Konkurrenz- und Ausbildungskostenrückersatzklauseln, für neu abgeschlossene Vereinbarungen, ab 29.12.2015 zur Anwendung kommen, ist die Regelung des § 2g AVRAG, des Entgelts bei Pauschalentgeltvereinbarungen, erst mit 1.1.2016 in Kraft getreten und auf neue Vereinbarungen nach diesem Inkrafttreten anzuwenden. Zutreffend wird daher bereits von Vogt-Majarek/Schulz darauf hingewiesen, dass das allgemeine Ausweisen des Grundlohns bzw -gehalts und die Folgen des diesbezüglichen Verstoßes bei Pauschalentgeltvereinbarungen auseinanderklaffen.* Nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Bestimmungen lediglich für nach dem jeweiligen Inkrafttreten neu auszustellende Dienstzettel und neu abgeschlossene Vereinbarungen über eine Konkurrenzklausel, über einen Ausbildungskostenrückersatz und über ein Pauschalentgelt zur Anwendung kommen.* Dem Fairnessgedanken, aber vor allem der Transparenz hätte man hier eindeutig nicht nur mit einem einheitlichen Inkrafttreten Rechnung tragen können, sondern viel mehr noch damit, wenn jegliche derartige Vereinbarungen – alte zumindest nach einer Anpassungsfrist – unter die neuen Regelungen fallen würden.
1.
Pauschalentgeltvereinbarung

Derzeit ist – wohl bedingt durch die neue Rechtslage – vermehrt die dienstgeberseitige Vorlage neuer All-in-Vereinbarungen an den/die DN zu beobachten. Erreicht werden soll damit eine erhöhte Transparenz, der in den erläuternden Bemerkungen zu § 2g AVRAG erwähnte Gesundheitsschutz und die Vorbeugung von Burnout bei AN mit All-in-Vereinbarungen.* Eine schriftliche Vereinbarung, die beispielsweise ein Bruttomonatsgehalt von € 3.500,- für die Abgeltung sämtlicher Mehr- und Überstunden vorsieht, stellt zweifellos eine Pauschalentgeltvereinbarung iSd § 2g AVRAG dar. Das Entgelt ist dabei als eine Gesamtsumme ausgewiesen, die Grundgehalt und andere Entgeltbestandteile ein-305schließt. Erfolgt die Vorlage der Vereinbarung nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, so kann die Frage auftreten, ob überhaupt eine neue Vereinbarung iSd § 2g AVRAG vorliegt, wenn die Abgeltung der Arbeitsleistung bereits zuvor pauschal erfolgte.*

Liegt eine wesentliche Änderung des Inhalts der bisherigen Vereinbarung, etwa die Umstellung einer Vereinbarung mit Überstundenpauschale auf eine All-in-Vereinbarung, vor, so ist somit unstrittig die neue Regelung anzuwenden. Schrank führt dazu aus, dass „nur All-in-Vereinbarungen im Sinne der Legaldefinition des ersten Satzteils des § 2g erster Satz AVRAG gemeint sind* und nicht Grundgehaltsvereinbarungen mit zusätzlichem Überstundenpauschale. Dies führt im erwähnten Fall (FN 7) jedenfalls zur Qualifizierung einer neuen All-in-Vereinbarung iSd Gesetzes. Andererseits bekräftigt er, dass Änderungen bestehender (All-in-)Klauseln einem Neuabschluss gleichzuhalten sind, wenn der Inhalt oder der Wesenskern massiv geändert werden oder „die von der Art der durch die Pauschalierung erfassten Entgeltbestandteile wesentlich verändert oder grundlegend ausgetauscht werden“.*

2.
Grundgehalt nach Kollektivvertrag

Beinhaltet eine einem/einer AN vorgelegte Vereinbarung eine (geringfügige) Gehaltserhöhung und genügt den Formvorschriften des § 2g AVRAG, muss der/die AG die widrigen Folgen einer Nichteinhaltung der neuen Bestimmung, nämlich die Festsetzung des Grundgehalts einschließlich branchen- und ortsüblicher Überzahlungen, der am Arbeitsort vergleichbaren AN gebührt, nicht befürchten und die Annahme des Angebots ist aufgrund der ausgewiesenen Gehaltserhöhung naheliegend.

Die AG-Seite stützt sich bei neu vorgelegten Vereinbarungen ganz klar und deutlich darauf, dass der Grundlohn/das Grundgehalt entsprechend der neuen gesetzlichen Bestimmung des § 2g AVRAG in der Vereinbarung anzuführen ist. Häufig wird dazu das kollektivvertragliche Mindestentgelt herangezogen, um der Verpflichtung „ordnungsgemäß“ nachzukommen.*

Übersehen wird dabei, dass in § 2g AVRAG keinesfalls festgeschrieben wurde, dass hier das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt/der kollektivvertragliche Mindestgrundlohn heranzuziehen ist. Die Praxis zeigt allerdings, dass dies arbeitgeberseitig so verstanden wird und deshalb grundsätzlich in neuen All-in-Vereinbarungen vom/von der DG, der/die diese Vertragsurkunde erstellt, dies gleich so festgehalten wird.

3.
Inkludierte Leistung

Eine auf den ersten Blick für den/die AN erfreuliche Gehaltserhöhung in einer neuen All-in-Vereinbarung kann sich sehr schnell – trotz Nachkommen der Transparenzvorschrift durch den/die DG oder viel mehr gerade deswegen – als trojanisches Pferd entpuppen. Tatsächlich erhöht sich bei Unterschrift einer Vereinbarung mit kollektivvertraglichem Entgelt als ausgewiesenem Grundgehalt durch den/die DN für diese/n die inkludierte Überstundenleistung beachtlich, wenn zuvor eine anderslautende Überstundenpauschalvereinbarung oder eine alte „unpräzise“ All-in-Vereinbarung bestanden hat.*

Die Zulässigkeit von All-in-Vereinbarungen im Allgemeinen ist trotz der bis vor dem 1.1.2016 fehlenden gesetzlichen Regelung in der Literatur und Judikatur unstrittig.* Konkret werden sie als unproblematisch angesehen, wenn auf das Dienstverhältnis weder das AZG noch ein KollV zur Anwendung kommt.* Die „Abgeltung in Bausch und Bogen“ und die Zulässigkeit „ohne Wenn und Aber“ ist aber bereits vor der nunmehrigen gesetzlichen Regelung nicht gegeben gewesen wie auch Klein im Kommentar zum AZG ausführt.*

Der/die DN unterliegt dem AZG, wenn er/sie weder leitende/r Angestellte/r noch in einer anderen dienstgeberähnlichen Position beschäftigt ist.306 Selbst beim Rückgriff auf die Grenzen des AZG und einer damit maximal erlaubten monatlichen Überstundenleistung von 50 Stunden sind in FN 7 im Vergleich zur Vereinbarung zuvor mehr als doppelt so viele Überstunden abgegolten. Bei der ursprünglichen Pauschalvereinbarung hätte der/die DN bei tatsächlicher Leistung einer derart hohen Überstundenzahl – gegebenenfalls unter Heranziehung einer Jahresdurchschnittsbetrachtung – eine beachtliche Nachforderung gegenüber dem/der DG geltend machen können.* Das Beispiel zeigt auf, dass im Einzelfall die Transparenz bei All-in-Verträgen durch das betragsmäßige Ausweisen des (vermeintlichen) Grundlohns nicht unbedingt erhöht sein muss.

Bei Pauschalvereinbarungen mit getrennt ausgewiesenem Bruttogehalt und -stunden sowie betragsmäßig festgehaltener Überstundenpauschale ist für DN klar ersichtlich, wie viele Überstunden monatlich abgegolten sind. Neu abgeschlossene All-in-Vereinbarungen lassen die DN weiterhin über die Anzahl der inkludierten Überstunden, und fallweise darüber hinaus über massive Verschlechterungen im Vergleich zu zuvor bestehenden Vereinbarungen, im Dunkeln. In wie weit die Vorgehensweise der Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts als Grundgehalt iSd § 2g AVRAG der in den erläuternden Bemerkungen angeführten Zielsetzung, nämlich dem Gesundheitsschutz der AN bzw der Burn-out-Prophylaxe,* gerecht wird, scheint noch zu hinterfragen zu sein. Dennoch findet sich bereits so kurze Zeit nach dem Inkrafttreten in der Literatur der Hinweis, dass die Angabe des kollektivvertraglichen Mindestentgelts wohl Praxis werden wird oder als solche empfohlen wird und damit der größte mögliche finanzielle Spielraum für den/die AG genutzt wird.*

Neben der Schranke des AZG wurde als letzte Schranke bei den All-in-Vereinbarungen mangels anderslautender konkreter Vereinbarung oder im Verfahren ermittelbarer Entgelthöhe der kollektivvertragliche Mindestlohn herangezogen.* Klein sieht dies bereits vor der neuen Gesetzeslage kritisch und argumentiert, dass „es unbegründet scheint, davon auszugehen, dass etwa ein AN, der in einer Branche mit üblicherweise hohen Überzahlungen über dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt mit dem AG ein ansehnliches All-inklusive-Entgelt vereinbart hat, sich dabei implizit gleichzeitig mit dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt begnügen wollte“.* Wie auch im Fall des neuen § 2g AVRAG kommen die §§ 1152 ABGB und § 6 Abs 1 AngG für die Bestimmung der Entgelthöhe lediglich subsidiär zur Anwendung.* Anders verhält es sich nur im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung bei dem zwingenden Anspruch der Arbeitskraft auf ein angemessenes und ortsübliches Entgelt.* Die Ermittlung des Ist-Grundgehalts/Ist-Grundlohns wird für die RechtsanwenderInnen weiterhin eine Herausforderung darstellen. Es müssen verschiedene Parameter dabei beachtet werden: die Branche, die regionalen Gegebenheiten am Arbeitsort, vergleichbar tätige AN und vergleichbare AG.

Vor allem im Bereich des AÜG ist aufgrund der zwingenden Bestimmung immer wieder die gerichtliche Ermittlung eines angemessenen und ortsüblichen Entgelts notwendig und die Entscheidungen zeigen die Ermittlungsgrenzen auf. Thematisiert werden dabei notwendige Nachfragen bei Betriebsräten ähnlicher Betriebe, die Schwierigkeiten, dass Lohnstatistiken teilweise nur auf Bundesländer abstellen und kein für den Standort ortsübliches Entgelt abbilden, die schwere Ermittelbarkeit der Differenzierung nach der Beschäftigungsdauer, die Frage, ob diverse Erhebungen wie Auskünfte des Arbeitsmarktservice, der Interessensvertretungen oder demoskopische Umfragen repräsentativ seien.* Wenn am Arbeitsort für gewisse Tätigkeiten in der Regel ein überkollektivvertragliches Entgelt geleistet wird, steht dieses zwingend zu.* Auch bei § 1152 ABGB dienen Kollektivvertragsbezüge lediglich als Orientierungshilfe und es ist auf den tatsächlich gezahlten Lohn abzustellen.* Selbst wenn unstrittig laut Gesetz den DN nicht nur kollektivvertragliches Mindestentgelt zusteht, wird sich trotz bemühter Erhebungen letztlich eine Bandbreite ergeben und deren Untergrenze vor allem dann, wenn viele AN dieser Branche in der Region des Betriebsstandortes nur kollektivvertragliche Bezahlung erhalten, diese kaum merklich über dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt liegen.* Aufgrund der fehlenden Verpflichtung zur Erstellung der Einkommensberichte für beinahe zwei Drittel der österreichischen Unternehmen kann auch auf diese nicht ausreichend zurückgegriffen werden.*

Unstrittig ist, dass die neue Gesetzeslage das Ziel hat, den DN Klarheit zu bringen und sie vor den oben beschriebenen Unwägbarkeiten der mühevollen Ermittlung eines Ist-Grundlohns/Ist-Grundgehalts im Bereich der Pauschalent-307geltvereinbarungen schützen möchte. Nur im „Notfall“ bei der gesetzeswidrigen Nichtangabe des konkret Vereinbarten muss dieser Weg beschritten werden und ist der Rückgriff rein auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt verboten. Das bisherige Risiko, dass eine All-in-Vereinbarung aus mangelnder Bestimmtheit wegfällt, besteht nicht mehr.* Die Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts ist aufgrund der neuen Rechtslage, wenn dies dem zwischen den Vertragsparteien Vereinbarten tatsächlich entspricht, keinesfalls unzulässig. Allerdings kann die Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts eine sehr hohe Überdeckung zur Folge haben. Dies widerspricht eindeutig dem Gesetzeszweck, DN vor Überarbeitung und den daraus resultierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu schützen. Ein krasses Missverhältnis im Austauschverhältnis Arbeit gegen Entgelt führt zur Nichtigkeit der Vereinbarung.* Die Angabe des kollektivvertraglichen Mindestentgelts wäre in diesem Fall einer Nichtangabe des Grundgehalts/-lohns gleichzuhalten und würde zur Ermittlung des Ist-Grundgehalts/Ist-Grundlohns führen.* Der Gesetzgeber wollte die Automatik der Angabe des kollektiven Grundgehalts/-lohns verhindern. Bislang reichte für den Dienstzettel aus, wenn für sämtliches Entgelt auf die für das konkrete Dienstverhältnis anzuwendenden gesetzlichen, kollektivvertraglichen und betrieblichen Bestimmungen verwiesen wurde. Mit der Novelle ist die betragsmäßige Angabe gesetzlich verankert und bewusst die Verweisungsmöglichkeit in genau diesem Bereich ausgenommen worden.* Für die DN soll auf einfachem Weg klar sein, was sie für ihre Arbeitsleistung erhalten, ohne recherchieren oder nachfragen zu müssen. Vor allem bei beruflichen NeueinsteigerInnen wird sich häufig das vereinbarte Grundgehalt mit dem kollektivvertraglichen Mindestbezug decken. Der Begriff Grundgehalt kann als etwas verstanden werden, das die Basis bildet, im Austausch Arbeit gegen Entgelt und für die „Arbeitsleistung ohne Extras“ vereinbart ist. All-in-Vereinbarungen stellen häufig darauf ab, dass für eine sich vom übrigen Personal abhebende Arbeitsleistung auch eine sich von der üblichen Bezahlung abhebende Abgeltung durch den DG erfolgt. Es werden nicht lediglich die tatsächlich erbrachten Mehrleistungen in Zeit oder aufgrund besonderer Umstände bei der Arbeit, sondern ebenso Erfahrung, Know-how und Verantwortung damit abgegolten.* Das Abstellen auf das kollektivvertragliche Mindestgehalt als Grundgehaltsbegriff würde bedingen, dass für diese weiteren Entgeltkomponenten ebenfalls ein Betrag eingesetzt werden muss. Andernfalls würde die Hochrechnung nur nachweislich erbrachte Zeiten abgelten und die Berücksichtigung besonderer persönlicher Fähig- und Fertigkeiten des/der AN nicht abgebildet werden.

Da § 2 Abs 2 Z 9 und § 2g AVRAG in engem Zusammenhang zu sehen sind, ist in beiden Fällen die Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts nicht ausgeschlossen. Die Notwendigkeit der Ermittlung eines tatsächlichen Ist-Gehalts/Ist-Lohns bei Vorschriftsverstoß zeigt, dass der Begriff Grundgehalt/-lohn gerade nicht notwendigerweise als kollektive Mindestentgeltangabe zu verstehen ist. Die mangelnde Abbildung des besonderen „überkollektivvertraglichen“ Knowhows von AN und die gesundheitliche Zielsetzung untermauern diese Sichtweise ebenso wie die im Bereich der All-in-Klauseln gegebene Gefahr der Nichtigkeit durch ein Missverhältnis im Bereich Grundgehaltsangabe zum abgedeckten Überstundenvolumen.

4.
Auswirkungen der Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts

DN haben – möglicherweise branchenüblich, möglicherweise auf Verhandlungsgeschick basierend – teilweise deutliche kollektivvertragliche Überzahlungen. Bei Vorlage einer neuen All-in-Vereinbarung ist ein Abgehen von der Angabe eines bisher (am Lohnzettel) ausgewiesenen Grundgehalts zugunsten des kollektivvertraglichen Mindestgehalts nicht mit der neuen Bestimmung des § 2g AVRAG allein begründbar. Nur bei Vorliegen hinzukommender Gründe ist eine derartige Verkürzung denkbar, da andernfalls Überlegungen zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung nach § 879 ABGB anzustellen sind. Gab es bei einer bisherigen Überstundenpauschale einen Widerrufsvorbehalt und ist aufgrund einer verringerten Auftragslage künftig eine geringere Überstundenleistung und damit verbunden der Widerruf zu erwarten, so kann das Ansetzen eines geringeren Grundgehalts Teil der Vereinbarung sein, da das Risiko des Widerrufs für den/die DN damit entfällt.

Trotz künftig höherer Auszahlung – ich beziehe mich auf FN 7 zur Veranschaulichung – liegt durch die rechnerisch mehr als vierfache, gesetzlich mehr als doppelte inkludierte Überstundenleistung jedenfalls eine Entgeltkürzung vor. Einvernehmlich ist dies unproblematisch, da die Schranke des kollektivvertraglich festgelegten Entgelts nicht unterschritten wird.* Fraglich ist, ob eine Äquivalenzstörung im Ausmaß der leasio enormis durch das nunmehr zumindest mehr als doppelte inkludierte Überstundenvolumen vorliegt. Die Sittenwidrigkeit wird im Arbeitsrecht308 allerdings sehr streng gesehen und erst beim Zusammenwirken mehrerer Faktoren angenommen. Die wirtschaftliche Übermacht des/der DG in Kombination mit für den/die AN nachteiligen Vertragsinhalten kann die Annahme von Sittenwidrigkeit zur Folge haben, allerdings kann auf dispositive Ansprüche – hier die überkollektivvertragliche Bezahlung – für die Zukunft verzichtet werden.*

Die Auswirkungen der neuen Vereinbarungen bleiben für DN möglicherweise nicht darauf beschränkt, dass künftig mehr Überstunden ohne weitere Bezahlung zu leisten sind. Problematisch wird die Angabe des kollektivvertraglichen Mindestlohns als Grundgehalt dann, wenn der KollV bei der Berechnung der Sonderzahlungen als Basis beispielsweise das Bruttomonatsgehalt vorsieht, da es jeweils zu einer beachtlichen Verkürzung für Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration käme.* Bei All-in-Verträgen, sofern sie überhaupt Kollektivverträgen unterlagen, ist man bisher – möglicherweise mangels anderer Anhaltspunkte – jedenfalls von der 14-maligen Auszahlung des gesamten All-in-Gehalts ausgegangen. Die Angabe entsprechend der neuen Regelung kann zu beachtlichen Einbußen führen. Wenn allerdings bereits bisher bei einer alten (Überstunden-)Pauschalvereinbarung trotz des getrennten Ausweisens des Gehalts und der (Überstunden-)Pauschale entgegen der kollektivvertraglichen Sonderzahlungsbestimmung die Zahlung der Sonderzahlungen unter Berücksichtigung des (Überstunden-)Pauschales erfolgte, kann der/die DG von dieser betrieblichen Übung aufgrund der Vorlage der neuen Vereinbarung nicht davon abgehen und es ist das gesamte All-in-Gehalt als Basis für die Sonderzahlungen heranzuziehen.

Neben dieser für die DN nachteiligen Auswirkung durch die Grundgehaltsangabe gibt es noch eine weitere, welche vor allem Frauen, aber durch die verbesserten Regelungen zur Vereinbarkeit von Arbeit und Familie auch zunehmend Männer, treffen kann. In jüngster Zeit hat sich der OGH damit auseinandergesetzt, ob Überstundenpauschalen bei Elternteilzeitbeschäftigten vom/von der DG weiterhin zu bezahlen sind. In seiner E geht der OGH davon aus, dass die Reduzierung der Arbeitsleistung erfolgt, um die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie zu erwirken und in dieser Zeit von keiner Mehr-/Überstundenleistung auszugehen ist, somit das Pauschale wegfällt, selbst wenn der/die DG den vereinbarten Widerrufsvorbehalt nicht ausübt.* Bereits vor der zitierten E des OGH zur Thematik Überstundenpauschalvereinbarungen und Elternteilzeit wurden in der Literatur All-in-Vereinbarungen bei Elternteilzeit diskutiert.* Fraglich ist, ob bei All-in-Gehältern künftig bei Bereitschaft des/der AN zur Mehrarbeitsleistung das bisherige All-in-Gehalt für die Normalarbeitszeit ins Verhältnis zur Teilzeit gesetzt wird* oder aber zu befürchten ist, dass durch den Ausweis des Grundgehalts/-lohns dieser als Basis für die Berechnung des Teilzeitgehalts herangezogen wird. Eine 50 %-ige familiär bedingte Arbeitszeitreduzierung hat dann beispielsweise bei einem All-in-Gehalt, welches in Summe das Doppelte des angeführten Grundgehalts ausmacht, die Reduktion auf ein Viertel des gesamten All-in-Gehalts zur Folge. Der Beitrag zum Bruttofamilieneinkommen sinkt bei der Hälfte der Arbeitsleistung um 75 %.* Häufig wird davon ausgegangen werden können, dass eine derartig massive Entgeltreduzierung im Fall der Elternteilzeit nicht von den Vertragsparteien beabsichtigt ist und über ergänzende Vertragsauslegung eine Basis für die Elternteilzeit gefunden werden muss.*

Im Hinblick auf die sehr weitreichenden negativen Auswirkungen des kollektivvertraglichen Mindestentgelts als Grundgehalt im Vergleich zu einer früher bestehenden Gehaltsvereinbarung (mit Überstundenpauschale) scheint die Annahme einer groben Äquivalenzstörung in derartigen Fällen durchaus vorstellbar. Die Nichtigkeit aufgrund der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung würde in diesem Fall somit dazu führen, dass die Ermittlung des Ist-Gehalts nach § 2g AVRAG vorzunehmen ist. Es wäre wenig verwunderlich, wenn sich unter Beachtung der branchen- und ortsüblichen Bezahlungen, das am Arbeitsort309 vergleichbaren AN gebührende Gehalt bei DN, die zuvor bereits ein konkretes im Lohnzettel ausgewiesenes oder zumindest nachweislich vereinbartes höheres Grundgehalt als das kollektivvertragliche hatten, das neue ermittelte Grundgehalt kaum vom bisher gewährten Gehalt abweichen würde oder sich zumindest an diesem stark orientieren würde. Um derartige Situationen zu vermeiden, sollte bei der Vorlage einer All-in-Vereinbarung in einem längere Zeit bestehenden Dienstverhältnis von der Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts als Grundgehalt ebenso wie bei neuen Dienstverhältnissen, wenn die kollektivvertragliche Grundgehaltsangabe in keiner Relation zur abgedeckten Überstundenleistung steht, Abstand genommen werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass neben den eingangs erwähnten vielen positiven Neuerungen im Bereich des Arbeitsrechts wie den Beschränkungen bei den Ausbildungskostenrückersatzklauseln oder den Konventionalstrafen, der Gesetzgeber die Umsetzung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Entgelts für DN mit den Bestimmungen im AVRAG sehr vorangetrieben hat. Bedauerlicherweise scheint es in Kauf genommen worden zu sein, den Begrifflichkeiten eine gewisse Unschärfe zu lassen, damit sie sowohl arbeitnehmer- als arbeitgeberseitig Akzeptanz finden konnten. Unter der Berücksichtigung der teleologischen Interpretation sowie des Umstandes, dass die Angabe des kollektivvertraglichen Lohns/Gehalts als Grundlohn/-gehalt nicht immer zu rechtfertigen sein wird, bleibt zu hoffen, dass sich künftig in den Vereinbarungen tatsächliche Ist-Grundgehaltsangaben wiederfinden werden.