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Keine Urlaubsverjährung mangels vorausgehender Aufklärung durch den Arbeitgeber

MANFREDTINHOF
Art 7 Abs 1 und 2 der RL 2003/88/ EG (Arbeitszeit-RL); Art 31 Abs 2 GRC
EuGH 6.11.2018, C-684/16, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.EuGH 6.11.2018, C-619/16, Kreuziger

Der AG ist verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der AN tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun. Damit sichergestellt ist, dass der Urlaub dem AN noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, hat der AG dem AN klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub, wenn er vom AN nicht genommen wird, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraumes verfallen wird. Die Beweislast trägt insoweit der AG.

SACHVERHALT

In den Anlassfällen entschieden sich die betroffenen AN, ihren bezahlten Jahresurlaub vor Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse nicht bzw nur teilweise in Anspruch zu nehmen. Der jeweilige AG verweigerte die Auszahlung einer Urlaubsersatzleistung, da der Urlaub entsprechend den anzuwendenden deutschen Gesetzen bereits verjährt wäre bzw im Fall „Kreuziger“ das Gesetz gar keine Vorschrift über die Gewährung einer finanziellen Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub enthielt. In beiden Fällen wurden die AN vom AG nicht auf die bevorstehende Verjährung bzw den Verlust des Urlaubsanspruchs hingewiesen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Zusammengefasst fragten die vorlegenden deutschen Gerichte den EuGH im Ergebnis erstens, ob die in Rede stehenden Rechtsvorschriften, die eine Urlaubsverjährung und somit einen Verlust der finanziellen Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub vorsehen, gegen EU-Recht verstoßen, auch wenn der AN keinen Antrag auf Gewährung des bezahlten Jahresurlaubes gestellt hat, obwohl ihm dies möglich war. Im Fall „Max Planck“ wollte das Gericht zusätzlich zweitens wissen, ob für den Fall der Bejahung der ersten Frage Art 7 der Arbeitszeit-RL (AZ-RL) oder Art 31 Abs 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) eine unmittelbare Wirkung in den Beziehungen zwischen Privatpersonen zukomme und die unionsrechtswidrige nationale Regelung somit unangewendet zu bleiben hat.

Der EuGH entschied zu Gunsten der AN und sprach aus, dass in beiden Fällen das nationale Recht dazu führt, dass der AN die ihm nach dem Unionsrecht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehenden Urlaubstage und somit seinen Anspruch auf finanzielle Urlaubsvergütung verliert. Folglich hätten die entsprechenden Regelungen wegen Verstoßes gegen Art 7 der AZ-RL iVm Art 31 Abs 2 GRC unangewendet zu bleiben.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG IN DER RS C-684/16, MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER WISSENSCHAFTEN E.V.

„23 Wie der Gerichtshof entschieden hat, stellt Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 keine andere Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf finanzielle Vergütung auf als die, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte (Urteil vom 20. Juli 2016, Maschek, C‑341/15, EU:C:2016:576, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). […]

28 Im vorliegenden Fall stellt sich somit im Wesentlichen die Frage, ob Herr Shimizu vor dem Hintergrund der in Rn. 23 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Beendigung des im Ausgangsverfahren fraglichen Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hatte, der sich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in eine finanzielle Vergütung umwandeln konnte.

29 Diese Frage betrifft demnach in erster Linie die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 und geht dahin, ob dieser es ausschließt, dass die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf am Ende eines Bezugszeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub davon abhängig gemacht werden kann, dass der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum einen Antrag auf Wahrnehmung dieses Anspruchs gestellt hat, und ob er es ausschließt, dass bei Fehlen eines solchen Antrags der Verlust des Anspruchs vorgeschrieben ist, ohne dass der Arbeitgeber verpflichtet wäre, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen. […]

40 Wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden mit einem solchen automatischen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, der keine vorherige Prüfung voraussetzt, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen, die in Rn. 35 des vorliegenden Urteils genannten Grenzen verkannt, die von den Mitgliedstaaten zwingend einzuhalten sind, wenn sie die Modalitäten für die Ausübung dieses Anspruchs im Einzelnen festlegen.

41 Der Arbeitnehmer ist nämlich als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferle-28gen kann. Aufgrund dieser schwächeren Position kann der Arbeitnehmer davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen könnte, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2010, Fuß, C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 80 und 81 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

[…]

43 Unter diesen Umständen ist eine Situation zu vermeiden, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert würde, während der Arbeitgeber damit die Möglichkeit erhielte, sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitnehmers seiner eigenen Pflichten zu entziehen.

44 Für die Antwort auf die erste Frage ist zwar darauf hinzuweisen, dass die Beachtung der Verpflichtung des Arbeitgebers aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88 nicht so weit gehen kann, von diesem zu verlangen, dass er seine Arbeitnehmer zwingt, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑484/04, EU:C:2006:526, Rn. 43). Er muss den Arbeitnehmer jedoch in die Lage versetzen, einen solchen Anspruch wahrzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2017, King, C‑214/16, EU:C:2017:914, Rn. 63).

45 Wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 41 bis 43 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist der Arbeitgeber in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub und angesichts des Erfordernisses, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten, u. a. verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird.

46 Die Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber (vgl. entsprechend Urteil vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C‑131/04 und C‑257/04, EU:C:2006:177, Rn. 68). Kann er nicht nachweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, verstießen das Erlöschen des Urlaubsanspruchs am Ende des Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeitraums und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – das entsprechende Ausbleiben der Zahlung einer finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub gegen Art. 7 Abs. 1 und gegen Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88.

47 Ist der Arbeitgeber hingegen in der Lage, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, und zeigt sich daher, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 dem Verlust dieses Anspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen. […]

55 Infolgedessen sind sowohl Art. 7 der Richtlinie 2003/88 als auch – für die in den Anwendungsbereich der Charta fallenden Sachverhalte – Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Umstand, dass ein Arbeitnehmer im Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines gemäß diesen Bestimmungen erworbenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, automatisch, ohne dass demnach zuvor geprüft würde, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen, dazu führt, dass er diesen Anspruch und entsprechend seinen Anspruch auf die finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verliert. […]

66 Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Bürger begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist. Eine Ausdehnung der Möglichkeit, sich auf eine Bestimmung einer nicht oder unrichtig umgesetzten Richtlinie zu berufen, auf den Bereich der Beziehungen zwischen Privaten, liefe nämlich darauf hinaus, der Union die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zulasten der Einzelnen Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen zugewiesen ist (Urteil vom 7. August 2018, Smith, C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67 Folglich kann selbst eine klare, genaue und nicht von Bedingungen abhängige Bestimmung einer Richtlinie, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, als solche im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen, keine Anwendung finden (Urteil vom 7. August 2018, Smith, C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68 Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 kann daher, obwohl er die Kriterien der Unbedingtheit und hinreichenden Genauigkeit erfüllt, die für29eine unmittelbare Wirkung erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom heutigen Tag, Bauer und Willmeroth, C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:XXXX:XXX, Rn. 71 bis 73), nicht in einem Rechtsstreit zwischen Privaten geltend gemacht werden, um die volle Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu gewährleisten und zu erreichen, dass jede entgegenstehende nationalrechtliche Bestimmung unangewendet bleibt (Urteil vom 26. März 2015, Fenoll, C‑316/13, EU:C:2015:200, Rn. 48). […]

74 Das Recht auf bezahlten Jahresurlaub, das in Art. 31 Abs. 2 der Charta für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer verankert ist, ist infolgedessen, was sein Bestehen selbst anbelangt, zugleich zwingend und nicht von Bedingungen abhängig, da die Charta nicht durch unionsrechtliche oder nationalrechtliche Bestimmungen konkretisiert werden muss. In diesen sind nur die genaue Dauer des Jahresurlaubs und gegebenenfalls bestimmte Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Rechts festzulegen. Folglich verleiht Art. 31 Abs. 2 der Charta schon für sich allein den Arbeitnehmern ein Recht, das sie in einem Rechtsstreit gegen ihren Arbeitgeber in einem vom Unionsrecht erfassten und daher in den Anwendungsbereich der Charta fallenden Sachverhalt als solches geltend machen können (vgl. entsprechend Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 76).

75 Art. 31 Abs. 2 der Charta hat daher für die in den Anwendungsbereich der Charta fallenden Sachverhalte insbesondere zur Folge, dass das nationale Gericht eine Regelung unangewendet zu lassen hat, die den in Rn. 54 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsatz verletzt, dass einem Arbeitnehmer, wenn er nicht in der Lage war, seinen Urlaub zu nehmen, ein erworbener Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums oder die finanzielle Vergütung, die als eng mit diesem Anspruch auf ‚bezahlten‘ Jahresurlaub verbundener Anspruch am Ende des Arbeitsverhältnisses an dessen Stelle tritt, nicht genommen werden kann. Nach dieser Bestimmung können sich die Arbeitgeber auch nicht auf eine solche nationale Regelung berufen, um sich der Zahlung dieser Vergütung zu entziehen, zu der sie die Achtung des in dieser Bestimmung gewährleisteten Grundrechts verpflichtet.“

ERLÄUTERUNG

Das österreichische Urlaubsrecht sieht in seinem § 4 Abs 5 UrlG vor, dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, verjährt. Gem § 10 UrlG gebührt grundsätzlich eine Ersatzleistung für den zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorhandenen und nicht verbrauchten Urlaub.

Prinzipiell sind nationale Vorschriften über die Verjährung des Urlaubsanspruchs zulässig, und zwar unter der Voraussetzung, dass der AN – dessen Urlaub verjährt ist – tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der AZ-RL verliehenen Anspruch wahrzunehmen. Dh, dass die österreichische Norm über die Urlaubsverjährung zwar dem EU-Recht entspricht, aber der AG gewisse Verhaltensweisen an den Tag zu legen hat, damit diese Bestimmung auch Anwendung findet.

Da der AN die schwächere Partei des Arbeitsvertrages ist, soll laut EuGH vermieden werden, die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den AN zu verlagern. Der AG muss daher den AN in die Lage versetzen, einen solchen Anspruch wahrzunehmen, bevor er verjähren könnte.

Der AG ist somit verpflichtet, in aller Deutlichkeit dafür zu sorgen, dass der AN tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Urlaub zu nehmen, indem er ihn auffordert, dies zu tun. Aus Beweisgründen wird der AG gut beraten sein, diese Aufforderung förmlich vorzunehmen. Damit sichergestellt ist, dass der Urlaub dem AN noch die Erholung bieten kann, zu der er beitragen soll, hat der AG dem AN klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub, wenn er vom AN nicht genommen wird, am Ende des zulässigen Übertragungszeitraumes verjähren wird.

Die Beweislast trägt der AG. Er muss beweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um dem AN tatsächlich die Möglichkeit zu geben, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Ansonsten verstößt das Erlöschen des Urlaubsanspruches und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – das entsprechende Ausbleiben der finanziellen Vergütung für den nicht verbrauchten Urlaub gegen Art 7 Abs 1 und 2 der AZRL sowie gegen § 31 Abs 2 der Charta.

Der Anspruch auf finanzielle Vergütung des offenen Urlaubs ergibt sich im Fall „Kreuziger“ unmittelbar aus der AZ-RL, weil dessen Art 7 Abs 2 die Kriterien der Unbedingtheit und hinreichenden Genauigkeit und damit die für eine unmittelbare Wirkung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Diese unmittelbare Wirkung des Art 7 der AZ-RL wird in der Rs „Max Planck“ vom EuGH verneint, weil diese Bestimmung nach Ansicht des Gerichtshofs in einem Rechtsstreit zwischen privaten Rechtspersonen keine Anwendung findet, trotzdem sie die oben genannten Kriterien erfüllt. Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. ist eine private Rechtsperson, während im Fall „Kreuziger“ das Land Berlin, somit ein Hoheitsträger, der AG war. Nach Ansicht des EuGH ist jedoch Art 31 Abs 2 der Charta unmittelbar auf in deren Anwen-30dungsbereich fallende Sachverhalte wie den im Fall „Max Planck“ anzuwenden. Die nationalen Gerichte sind somit angehalten, in der beschriebenen Fallkonstellation die nationale Regelung über die Urlaubsverjährung unangewendet zu lassen. Sie haben auch dafür Sorge zu tragen, dass ein AN, wenn dessen AG nicht nachweisen kann, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um den AN tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm nach dem Unionsrecht zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, weder seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch entsprechend – im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub verlieren kann.