Kettenarbeitsverträge aus innerstaatlicher und europäischer Sicht
Kettenarbeitsverträge aus innerstaatlicher und europäischer Sicht
Befristete Arbeitsverhältnisse gehören zur Kategorie der atypischen Beschäftigungsverhältnisse, worunter alle Abweichungen vom Idealtyp eines unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnisses verstanden werden. Wieweit hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten des Abschlusses befristeter Arbeitsverträge eingeschränkt? Und wie schaut die Situation bei Kettenarbeitsverträgen aus, also wenn befristete Arbeitsverträge nacheinander abgeschlossen werden? Wie die österreichische und europäische Gesetzgebung bzw der österreichische OGH und der EuGH mit dieser Problematik umgehen, soll im folgenden Beitrag anhand ausgewählter Beispiele gezeigt werden, auch ob es innerstaatlich und europäisch einen Gleichklang gibt oder unterschiedliche Herangehensweisen.
Nach § 19 AngG endet das Dienstverhältnis mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wurde (gleichlautend § 1158 ABGB). Nach § 20 Abs 1 AngG kann ein Dienstverhältnis, das ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt wurde, durch Kündigung gelöst werden. Das bedeutet, dass ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung einer Befristung ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit angenommen wird. Eine Befristung kann entweder kalendermäßig fixiert werden oder an ein bestimmtes Ereignis anknüpfen, dessen Eintritt zum Zeitpunkt der Vereinbarung feststeht. Zulässig sind nach der Rsp Vereinbarungen über die Dauer des Dienstverhältnisses „für die Dauer der Saison“,* „für die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit eines anderen Arbeitnehmers“* oder „bis zur Beendigung der Karenz einer anderen Arbeitnehmerin“.*
In der Arbeitswelt ist der unbefristet abgeschlossene Arbeitsvertrag noch immer der Regelfall. So waren 2018* in Österreich von allen abhängig Beschäftigten 9,1 % in befristeten Arbeitsverhältnissen, in Deutschland 12,8 %, in Spanien und Polen aber immerhin schon 26 %. Davon ausgehend stellt sich die Frage, ob der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags gleichwertig mit einem unbefristeten ist oder Befristungen nur eingeschränkt zulässig sind.
Die zentralen Gesetzesstellen des österreichischen allgemeinen Arbeitsrechts, die Befristungen von Arbeitsverträgen regeln, nämlich § 19 AngG und § 1158 ABGB, setzen die Möglichkeit des Abschlusses befristeter Arbeitsverträge voraus. Aus dem Gesetzestext kann keine Aussage darüber abgeleitet werden, dass die Vereinbarung einer Befristung eine negative gesetzgeberische Wertung erfahren hat.
Es gibt aber auch in Österreich einige gesetzliche Anordnungen, die einen Schluss darauf zulassen, dass es der Gesetzgeber nicht neutral sieht, ob ein Arbeitsvertrag befristet oder unbefristet abgeschlossen wird.*
Auf EU-Ebene wurde mit einer Richtlinie eine Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über befristete Arbeitsverträge als europarechtlich verbindlich umgesetzt (RL 1999/70/ EG des Rates zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 28.6.1999 – BefrRL). Im § 5 wird unter der Überschrift „Maßnahmen zur Vermeidung von Mißbrauch“ den Mitgliedstaaten aufgetragen, Maßnahmen gegen den Missbrauch durch aufeinanderfolgende Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu ergreifen. Dabei können die Mitgliedstaaten zwischen einer oder mehreren der folgenden aufgezählten Maßnahmen wählen: a) sachliche Gründe, die die Verlängerung rechtfertigen, b) die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder c) die zulässige Zahl der Verlängerung solcher Verträge und Verhältnisse.
Der OGH hat schon früh in der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts begonnen, öfters 137 nacheinander befristete Arbeitsverhältnisse kritisch zu betrachten.* Er verglich die wechselseitigen Vor- und Nachteile eines (mehrfach) befristeten Arbeitsverhältnisses im Gegensatz zum unbefristeten. Dabei wurde betont, dass mit wiederholten Befristungen der AG den Vorteil der dauerhaften Beschäftigung des AN hat, ohne die Ansprüche des AN bei unbefristeten Dienstverhältnissen in Kauf nehmen zu müssen. Gerade darin, dass bei Befristungen der Kündigungsschutz vor allem des § 105 ArbVG nicht greift, sah der OGH im allgemeinen den Versuch der Umgehung dieser zwingend zu Gunsten des AN gesetzten Rechtsvorschriften.*
Im Gegensatz zur österreichischen Rechtslage gibt es mit dem bereits erwähnten § 5 BefrRL im europäischen Recht eine klare Aussage, dass Kettenarbeitsverträge unter dem Verdacht des Missbrauchs stehen und daher beschränkt werden auf sachliche Gründe, die Höchstdauer oder Höchstanzahl an Befristungen. Nachdem es auf europarechtlicher Ebene (damals) keinen einheitlichen Kündigungsschutz gab und auch in den Mitgliedstaaten der Kündigungsschutz ausgesprochen unterschiedlich geregelt ist, konnte der EuGH naturgemäß den Missbrauch durch Kettenarbeitsverträge nicht an der Umgehung von Kündigungsschutzbestimmungen festmachen. Vielmehr bezog sich der EuGH vor allem auf den ErwG 6 der Rahmenvereinbarung, wonach unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form der Beschäftigung sind. Bei aufeinanderfolgenden Befristungen stellte der EuGH zB in der Rs Adeneler* die dadurch bewirkte Gefahr der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse in den Raum. Auch auf den ErwG 7 nimmt der EuGH Bezug, wonach die aus objektiven Gründen erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge Missbrauch zu vermeiden hilft. In der Rs Samohano*spricht der EuGH vom Schutz vor Instabilität im Bereich der Beschäftigung.
Dass Kettenbefristungen nur bei besonderer Rechtfertigung (vornehmlich nur bei Vorliegen sachlicher Rechtfertigungsgründe) zulässig sind, ist somit sowohl innerstaatlich durch den OGH als auch auf europäischer Ebene durch den EuGH anerkannt.
Die Gefahren der Umgehung bzw der Prekarisierung sind nur in Fällen sanktioniert, in denen es sich um eine Kettenbefristung iSd (unmittelbar) aufeinanderfolgenden Abschlusses von befristeten Arbeitsverhältnissen zum selben DG handelt.*
Im zu OGH vom 28.4.2014, 8 ObA 13/14s, entschiedenen Fall war die Kl in einer Diskothek tageweise zumeist an sieben bis elf Tagen als Kellnerin beschäftigt. Der OGH hat zwar betont, dass es gegen eine unzulässige Vertragskette spricht, wenn die Dauer der Zeiten der Unterbrechung erheblich jene der Beschäftigung übersteigt. Hier wurde aber mitberücksichtigt, dass die Diskothek nur an zwölf Tagen im Monat geöffnet hatte, sodass die Kl zu rund zwei Drittel der Öffnungstage gearbeitet hat. Dies wurde letztlich als Kettenarbeitsvertrag qualifiziert.*
In der OGH-E vom 26.2.2014, 9 ObA 75/13i, war die Zeit der Unterbrechung von vier Monaten zu lange, um als unmittelbar aufeinanderfolgende Arbeitsverhältnisse iSd § 109 Abs 2 Universitätsgesetz (UG)* zu gelten.
In der Rs AdenelerEuGH 4.7.2006, C-212/04. ging es um eine griechische Vorschrift, nach der als „aufeinanderfolgend“ nur Vertragsverhältnisse angesehen werden, die nicht länger als 20 Tage auseinander liegen. Obwohl in § 5 Z 1 Buchst a der BefrRL die Mitgliedstaaten definieren können, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge als „aufeinanderfolgend“ zu betrachten sind, hat der EuGH betont, dass der den Mitgliedstaaten belassene Spielraum nicht unbegrenzt sein kann, insb er nicht so weit reicht, dass das Ziel oder die praktische Wirksamkeit der BefrRL infrage gestellt wird (Rn 82). Der EuGH verwies darauf, dass der AG nach Ablauf der Frist lediglich 21 Tage verstreichen lassen müsste, um die Umwandlung in ein stabileres Arbeitsverhältnis zu verhindern. Diese Frist war für den EuGH zu kurz.
In der Rs Angelidaki* hat der EuGH eine Zeitspanne von drei Monaten im Allgemeinen als ausreichend angesehen.* Allerdings hat der EuGH auch betont, dass die Umstände des Einzelfalls vom nationalen Gericht zu prüfen sind 138 und insb die Zahl der aufeinanderfolgenden Verträge zu berücksichtigen sind.*
Der OGH und der EuGH sind beide in der Frage, wie viel Zeit zwischen den Vertragsverhältnissen vergehen muss, damit kein Kettenarbeitsverhältnis angenommen wird, flexibel. Eine starre Grenze wird von beiden abgelehnt, wobei der OGH nach seinem Rechtssatz eher auf das Verhältnis der Dauer des einzelnen befristeten Vertrags zur Unterbrechung abstellt, während der EuGH die Anzahl der Arbeitsverhältnisse als Kriterium einbezieht.
In der OGH-E vom 26.2.2014, 9 ObA 75/13i, war die Änderung der Tätigkeit eines Universitätsassistenten vom Bereich internationales Privatrecht und bürgerliches Recht sowie Zivilverfahrensrecht auf Arbeits-, Wirtschafts- und Europarecht derart gravierend, dass man nicht mehr von gleichen Arbeitsverhältnissen sprechen kann, während bei einem Hausarbeiter einer Krankenanstalt,* der zuerst als Küchenhelfer und bei der Folgebefristung in der Hauswirtschaft (Reparaturarbeiten, Wäschetransport, Winterdienst uÄ) eingesetzt war, eine Einheitlichkeit der Tätigkeit bejaht wurde.
In der österreichischen Judikatur hat sich herauskristallisiert, dass Kettenarbeitsverträge nur dann zulässig sind, wenn die (Mehrfach-)Befristung einen sachlichen Grund hat. Europarechtlich entspricht dies § 5 Z 1 Buchst a der BefrRL. Im Weiteren sollen einige ausgewählte Beispiele aus der innerstaatlichen und europäischen Judikatur dargestellt werden, bei denen eine sachliche Rechtfertigung verneint bzw bejaht wurde.
Die Rechtfertigungsgründe des § 10a Abs 2 MSchG können auch für die Frage der Rechtfertigung von Kettenarbeitsverträgen sinngemäß herangezogen werden. Diese können grob in vier Gruppen unterteilt werden: Beschäftigung zur Vertretung, zu Ausbildungszwecken oder zur Erprobung, betriebliche Erfordernisse* oder wenn die Befristung im Interesse der DN ist.
Zur immer wieder von AG-Seite eingewandten betrieblichen Notwendigkeit ist der OGH sehr restriktiv, indem er betont, dass das Unternehmerrisiko dadurch nicht auf den AN abgewälzt werden darf und Kettenbefristungen insb nicht durch eigene betriebswirtschaftliche Entscheidungen gerechtfertigt sind. In OGH vom 25.4.2018, 9 ObA 4/18f, verneinte der OGH bei einem von jährlich ausgeschriebenen Aufträgen des Arbeitsmarktservice (AMS) abhängigen Verein die Zulässigkeit der Befristungen in der Dauer der AMS-Aufträge mit dem Argument, dass die Ungewissheit über die AMS-Aufträge zum typischen Unternehmerrisiko gehört.* Auch die Weiterbefristung zur Fertigstellung eines Projekts wurde in OGH vom 15.6.1988, 9 ObA 118/88, nicht als sachlicher Grund für eine Befristung gesehen
Diese Entscheidung enthält auch Aussagen zur Frage der Rechtfertigung aus Gründen im Interesse des AN. Hier hatte die Kl zwar den Wunsch nach einer unbefristeten Weiterbeschäftigung geäußert und resignierend gemeint, „wenn es nicht anders geht, nehme ich halt das halbe Jahr“. Der OGH hat hier deutlich gemacht, dass es für eine Rechtfertigung einer Befristung aus Interesse des DN nicht genügt, dass der AN aus Sorge um den Arbeitsplatz einer Befristung zustimmt.
Zur Rechtfertigung von mehrfachen Befristungen wegen der Notwendigkeit einer (weiteren) Erprobung kann hier wieder OGH vom 25.7.2017, 9 ObA 42/17t, zitiert werden. Für einen Hausarbeiter ist eine Frist von sechs Wochen zur Erprobung und Einschulung nicht notwendig.
Auch die Beendigung einer Ausbildung kann eine Rechtfertigung für Kettenbefristungen sein, allerdings nach OGH vom 24.5.2019, 8 ObA 5/19x, im Anwendungsbereich des § 2 Abs 5 WrVBO nur bis zum Lungenfacharztdiplom und nicht auch noch für eine weitere Ausbildung im Additivfach pneumologische Intensivmedizin, weil damit die Berufsberechtigung nicht erweitert worden wäre.
Der EuGH hatte sich in der Rs Mangold* mit § 14 Abs 3 dt Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zu beschäftigen. Einerseits anerkannte der EuGH, dass arbeitsmarkpolitische Gründe leichter eine Befristungsmöglichkeit vorsehen können. Die damalige generelle gesetzliche Möglichkeit, bei AN über 52 Jahren ohne sachliche Rechtfertigung unbegrenzt befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen, war für den EuGH aus dem Aspekt der Altersdiskriminierung überschießend und nicht zulässig. 139
In der Rs Kücük* – die dortige Kl war über 11 Jahre lang in 13 befristeten Arbeitsverträgen als Justizangestellte beschäftigt, und zwar stets aus Anlass der Karenzierung oder Beurlaubung einer anderen unbefristet beschäftigten Angestellten – hat der EuGH die sachliche Rechtfertigung einer Befristung zur vorübergehenden Vertretung, um einen zeitweiligen Arbeitskräftebedarf zu decken, grundsätzlich bejaht (Rn 30). Auch wurde vom EuGH anerkannt, dass ein AG bei einem vorübergehenden Arbeitskräftemangel, mag dieser auch wiederholt oder sogar dauerhaft auftreten, auf befristete Verträge zurückgreifen darf.* Allerdings hat der EuGH – wohl auch wegen der hohen Anzahl an Weiterbefristungen – bezweifelt, dass hier keine Verletzung der Ziele des § 5 Abs 1 BefrRL vorliegt. Letztlich sollte das innerstaatliche Gericht eine Abwägung vornehmen.
In der Rs Mascolo* hat der EuGH angesichts dessen, dass für die Besetzung von Lehrerstellen in Italien Befristungen bis zum Ausgang eines Auswahlverfahrens vorgesehen waren, das allerdings in den Jahren 2000 bis 2011 nie stattgefunden hat, eine Rechtfertigung für die dauernden Befristungen – wenig überraschend – nicht gesehen.
In der Rs Perez Lopez* war die Kl eine zum Aushilfspersonal gehörende Krankenschwester in Madrid mit siebenmal verlängerten befristeten Arbeitsverträgen für je drei bis sechs Monate. Angesichts des Umstandes, dass 25 % aller Stellen im Bereich der Gesundheitsdienste in Madrid mit (immer wieder) befristeten Verträgen besetzt sind, vermutete der EuGH, dass mit (Ketten-)Befristungen ein ständig und dauerhafter Bedarf aufgrund eines strukturellen Mangels von fest angestellten Mitarbeitern gedeckt wird, was mit § 5 Nr 1 Buchst a BefrRL nicht vereinbar ist.
In der Rs Popescu* war die Kl bei der rumänischen Direktion für Tiergesundheit mit siebenmal hintereinander für die Dauer eines Jahres verlängerten befristeten Verträgen im Rahmen der Schlachthofkontrolle beschäftigt. Die Kettenbefristungen wurden von den rumänischen Stellen dadurch gerechtfertigt, dass die Anzahl der durchzuführenden Kontrollen schwanke und daher ein dauernder und ständiger Bedarf nicht vorliege. Dies wurde vom EuGH schon deswegen verworfen, weil die Kl selbst über so viele Jahre ununterbrochen beschäftigt war.
Es gibt diverse Sondergesetze, in denen entweder die Kettenbefristungen generell ohne (weitere) sachliche Rechtfertigung erlaubt werden* – allenfalls bis zu einer Höchstdauer* – oder die präzisere Rechtfertigungstatbestände enthalten.* Für das allgemeine Arbeitsrecht wurden diverse Kriterien in der Judikatur herausgearbeitet.
In OGH vom 10.2.1999, 9 ObA 330/98i, spricht der OGH davon, dass sowohl Sportler als auch Vereine daran interessiert sind, sich an die Anforderungen des Wettbewerbs möglichst flexibel anpassen zu können, und hält die bei Profifußballern vorherrschende Branchenüblichkeit von Kettenarbeitsverträgen sachlich gerechtfertigt. Damit ist wohl eine Kumulation von persönlichem AN-Interesse und betrieblichen Erfordernissen als Rechtfertigungsgrund gemeint.
Zu unterschiedlichen Ergebnissen kam der OGH in Fällen der „toten Saison“. Einerseits wurde ein Zirkus, der von Jänner bis März keine Vorstellungen hatte, als Saisonbetrieb wegen der Abhängigkeit von der Witterung angesehen,* ebenso ein Gastronomiebetrieb, der im Frühjahr und Herbst geschlossen hat.* Die Schließung von Theatern im Sommer* ist nach dem OGH jedoch keine witterungsbedingte Notwendigkeit, sondern eine selbstbestimmte unternehmerische Entscheidung.*
In 8 ObA 75/18i vom 25.1.2019 hat der OGH die letztmalige befristete Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses zur Fertigstellung eines Projekts (genauer genommen: eines Magazins) als zulässig erachtet.
Hier werden zunächst die bereits in 5.1.2. zitierten Entscheidungen Kücük* und Perez Lopez* nochmals erwähnt, weil der EuGH nicht grundsätzlich ausgeschlossen hat, dass ein Bedarf an Aushilfskräften etwa zur Vertretung von anderen vorübergehend abwesenden AN auch durch (mehrfach) befristete Arbeitsverhältnisse gedeckt werden kann. Der EuGH hat aber betont, dass im Einzelfall die Maßnahme auf ihre Notwendigkeit geprüft werden muss. 140
In der Rs Samohano* sah der EuGH bei einem Assistenzprofessor im Nebenerwerb die Befristungen als gerechtfertigt angesichts des Ziels an, den Hochschulbereich durch die Erfahrung anerkannter Fachleute zu bereichern.
Schließlich ist noch die Aussage des EuGH in der Rs Angelidaki* zu erwähnen, wonach die Mitgliedstaaten das Wahlrecht zwischen den in § 5 Abs 1 Buchst a, b und c erwähnten Maßnahmen haben.
Die Judikatur hat in langjähriger stRsp bei einer unzulässigen Kettenbefristung die Fristabrede als sittenwidrig iSd § 879 ABGB und als teilnichtig qualifiziert, sodass unter Wegfall der Befristung ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Dauer vorliegt.
Das hat zur Konsequenz, dass ab der erstmalig sachlich nicht gerechtfertigten Weiterbefristung* das Dienstverhältnis nur mehr durch eine Willenserklärung – im Regelfall Kündigung – beendet werden kann.
In den Rs Adeneler* und Marrosu* hat der EuGH ausgesprochen, dass die Mitgliedstaaten durch die BefrRL nicht verpflichtet sind, befristete Arbeitsverträge in unbefristete umzuwandeln, sie aber andere für die praktische Wirksamkeit der RL geeignete Maßnahmen erlassen müssen. Diese müssen nicht nur verhältnismäßig, sondern auch effektiv und abschreckend genug sein, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der BefrRL erlassenen Normen sicherzustellen.*
Dem EuGH hat in der Rs Marrosu* eine innerstaatliche Regelung, die dem AN einen Anspruch auf Ersatz seines Schadens einräumt, als auf den ersten Blick den Effektivitätsanforderungen genügend eingeschätzt.
In der E vom 25.11.2011, 9 ObA 76/11h, hat der OGH im Anwendungsbereich des Sonderarbeitsrechts der Universitäten darstellenden § 109 UG* die Gesamtnichtigkeit bei einem Verstoß gegen Abs 1 – also wenn bei erstmaliger Befristung die Höchstdauer überschritten wird – bejaht, nicht jedoch bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen des Abs 2 für aufeinanderfolgende Befristungen.
In Fällen, in denen durch die Umwandlung in ein unbefristetes Dienstverhältnis dieses nicht durch Fristablauf endet, hat der AN aufgrund des Klarstellungsinteresses des DG am Bestand oder Nichtbestand des Dienstverhältnisses eine Aufgriffsobliegenheit, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ohne Verzug geltend zu machen.*
In der E vom 24.5.2019, 8 ObA 5/19x, geht der OGH offenbar davon aus, dass die Frist für die Aufgriffsobliegenheit frühestens mit der Auslaufmitteilung des AG beginnt.
§ 109 Abs 2 UG erlaubt in seinem Anwendungsbereich* eine mehrmalige unmittelbar aufeinanderfolgende Befristung bei AN, die im Rahmen von Drittmittelprojekten oder Forschungsprojekten beschäftigt werden, bei ausschließlich in der Lehre verwendetem Personal sowie bei Ersatzkräften. Die Gesamtdauer solcher Befristungen darf sechs Jahre, im Fall von Teilzeitbeschäftigten acht Jahre, nicht übersteigen. Bei sachlicher Rechtfertigung, insb für die Fortführung von Projekten, ist sogar eine einmalige weitere Verlängerung bis zu zehn Jahren, im Fall der Teilzeitbeschäftigung bis zu zwölf Jahren, zulässig.
Die Kl war ab Oktober 2004 bis April 2014 (auch) in Teilzeit immer auf ein Jahr befristet als Chemikerin beschäftigt. Es ist davon auszugehen (Beschluss des OLG Wien vom 21.8.1995 zu 9 Ra 101/16p), dass die Vorgaben des UG eingehalten wurden.
Der EuGH sprach zunächst aus, dass eine derartige Regelung gegen § 4 der TeilzeitRL* verstößt, wenn die unterschiedliche Behandlung nicht aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist. Das Argument 141 es AG, dass die längere Befristungsmöglichkeit für Teilzeitbeschäftigte vorteilhaft ist, weil diese dann länger (befristet) in Beschäftigung sein können, ließ der EuGH nicht gelten.*
Es wurde an den EuGH auch die Frage gestellt, ob diese Regelung auch gegen Art 2 Abs 1 Buchst b der GleichbRL* (Verbot der mittelbaren Diskriminierung) verstößt, zumal allgemein bekannt ist, dass insgesamt deutlich mehr Frauen als Männer in Teilzeitarbeitsverhältnissen beschäftigt sind. Der EuGH hat dazu zunächst betont, dass ein Vergleich zwischen allen Männern und Frauen, die von der Regelung betroffen sind, anzustellen ist (Rn 47), hier wohl bezogen auf alle Bedienstete an österreichischen Universitäten, die in Projekten eingesetzt werden.
Wenn aber die Kl über keine derartigen statistischen Daten verfügt, stellt sich die Frage der Beweislast iSd Art 19 Abs 1 der GleichbRL. Dazu hat der EuGH ausgesprochen, dass man von der Kl in einem derartigen Verfahren nicht verlangen kann, dass sie, um den Anschein der Diskriminierung glaubhaft zu machen, in Bezug auf die AN, die von der nationalen Regelung betroffen sind, konkrete statistische Zahlen oder konkrete Tatsachen vorbringt, wenn sie zu solchen Zahlen oder Tatsachen keinen oder nur schweren Zugang hat (Antwort 2 auf die Vorlagefragen).
Im weiteren Verfahren werden die österreichischen Gerichte zu klären haben, ob es ausreichende sachliche Gründe für die Sondernorm gibt.