10Einsichtsrecht des Betriebsrats in Lohn- und Gehaltslisten – keine Beschränkung durch das Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000)
Einsichtsrecht des Betriebsrats in Lohn- und Gehaltslisten – keine Beschränkung durch das Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000)
Die Entscheidung wird in DRdA von Wolfgang Goricnik ausführlich besprochen werden.
Die Befugnisse des BR nach dem ArbVG, so das Recht nach § 89 Z 1 ArbVG auf Einsichtnahme in die von der AG geführten Aufzeichnungen über die Bezüge der AN sowie in sämtliche Aufzeichnungen, deren Führung durch Rechtsvorschriften vorgesehen ist, werden durch das DSG 2000 nicht beschnitten.
Ein BR begehrte Einsicht in die Gehalts- und Lohnabrechnungen aller Mitarbeiter. Da sich mehrere Mitarbeiter sowohl mündlich als auch schriftlich gegenüber der Geschäftsführung gegen die Übermittlung11 derartiger Unterlagen an den BR aussprachen und um Geheimhaltung ihrer Daten ersuchten, gewährte die AG dem BR keine Einsicht. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage des BR.
Die Gerichte gaben dem Klagebegehren des BR auf Einsicht in die von der AG geführten Aufzeichnungen über Bezüge der AN, in die zur Berechnung dieser Bezüge erforderlichen Unterlagen, in alle auf diese Bezüge bezugnehmenden Auszahlungsunterlagen sowie in sämtliche Aufzeichnungen, deren Führung durch Rechtsvorschriften vorgesehen ist, insb in Urlaubskarteien, Krankenstandsaufzeichnungen und Arbeitszeiterfassungen (§ 89 Z 1 ArbVG), statt. Weiters wurde die AG gem § 99 Abs 4 ArbVG verpflichtet, den BR von jeder erfolgten Neueinstellung eines AN zu informieren, wobei die Mitteilung Angaben über die vorgesehene Verwendung und Einstufung des AN, das Entgelt sowie eine allfällige Probezeit oder Befristung des Arbeitsverhältnisses zu enthalten hat. Das DSG 2000 steht den Befugnissen des BR nicht entgegen.
„[…] die Regelung des § 9 Z 11 DSG […] ist im heutigen System des DSG als Fortschreibung des früher ausdrücklich statuierten Grundsatzes, dass die Befugnisse des Betriebsrats durch das DSG nicht berührt werden, anzusehen. […]
Das Überwachungsrecht des Betriebsrats gemäß § 89 Z 1 ArbVG besteht auch ohne Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers […] Würde man hier eine individuelle Zustimmung der Dienstnehmer für erforderlich halten, würde dies die Tätigkeitsmöglichkeiten des Betriebsrats im Bereich seiner Pflichtkompetenz aushöhlen. Dadurch bestünde auch die Gefahr, dass einzelne Dienstnehmer vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt werden, um entsprechende Einsichtnahmen und Kontrolltätigkeiten des Betriebsrats zu verhindern. […]
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000 werden schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht.
Nachdem […] der Betriebsrat also zur Ausübung dieser Befugnisse verpflichtet ist, hat eine Interessenabwägung iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG nicht mehr stattzufinden. […]
Im Hinblick auf diese vielfältigen Sanktionen im Fall der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch ein Betriebsratsmitglied ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Gesetzgeber angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch den Betriebsrat geschaffen hat. […]“
Aufgrund der Vorschrift des § 89 Z 1 ArbVG hat der BR das Recht, sämtliche Aufzeichnungen über die Bezüge zu überprüfen und zu kontrollieren und insb auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Der OGH hat nun, der einhelligen Auffassung in der Lehre folgend, klar entschieden, dass dieses Einsichts- und Kontrollrecht nicht von der Zustimmung der einzelnen AN abhängig ist und weiters, gerade weil diesbezüglich eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder sogar Verpflichtung („Pflichtbefugnis“) des BR besteht, auch nicht unter Hinweis auf den Datenschutz verweigert werden kann.
Deutlich erfolgt aber der Hinweis, dass der BR und dessen Mitglieder einer strengen Verschwiegenheitspflicht – mit der auch der Datenschutz gewahrt ist – unterliegen und eine Weitergabe oder Veröffentlichung von Daten einzelner AN unzulässig ist. So wurde vom OGH im Jahr 2001 geurteilt, dass durch die Weitergabe von Daten über die Gehaltssituation in ganzen Betriebsbereichen ein Entlassungsgrund nach § 122 Abs 1 Z 4 ArbVG verwirklicht wird und auch die Mandatsschutzklausel nach § 120 Abs 1 ArbVG diesbezüglich keinen absoluten Schutz gewährt (OGH9 ObA 338/00x, DRdA 2002/13 mit Anm Pfeil).
Eindeutig ist das Gesetz auch bei der Regelung der Einsichtnahme des BR in den Personalakt, dieser benötigt dafür die Zustimmung des AN. Aus diesem Zustimmungserfordernis sowie aus der Beschränkung der Informationspflicht des AG bei erfolgter Neueinstellung eines AN nach § 99 Abs 4 ArbVG auf Bekanntgabe der vorgesehenen Verwendung und Einstufung des AN, dessen Lohn oder Gehalt sowie eine allfällige vereinbarte Probezeit oder Befristung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich nach dem OGH, dass der BR keine generelle Befugnis hat, in Einzelarbeitsverträge oder Dienstzettel ohne Zustimmung der jeweiligen AN uneingeschränkt Einsicht zu nehmen (außer diese Unterlagen sind – wie eingangs ausgeführt – zur Berechnung der Bezüge erforderlich).12