14Arbeitskräfteüberlassung – kein Anspruch auf Zulagen aus BV des Beschäftigers
Arbeitskräfteüberlassung – kein Anspruch auf Zulagen aus BV des Beschäftigers
Ein Leiharbeitnehmer hat keinen Anspruch auf durch zulässige Betriebsvereinbarung im Beschäftigerbetrieb vereinbarte Zulagen, sondern lediglich auf das für diesen Betrieb geregelte kollektivvertragliche Mindestentgelt.
Ein AN wurde vom beklagten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen im Zeitraum 19.9.2011 bis 12.8.2012 an denselben Beschäftigerbetrieb überlassen. Beim Beschäftiger-KollV handelt es sich um jenen für österr Eisenbahnunternehmen. Dieser KollV sieht vor, dass durch Betriebsvereinbarung weitere Zulagen vereinbart werden können. Zwischen der ÖBB und deren Zentral-BR wurden Betriebsvereinbarungen abgeschlossen, die diverse Zulagen für Mitarbeiter in bestimmten Funktionen vorsehen.
Der Kl begehrte die Zahlung von Erschwerniszulagen, Flexibilitätszulagen und Leistungsprämien entsprechend den Betriebsvereinbarungen. Sowohl Erstgericht als auch Berufungsgericht wiesen das Klagebegehren ab. Der OGH bestätigte diese Entscheidungen.
„§ 36 ArbVG beschreibt den personellen Geltungsbereich des II. Teils des Arbeitsverfassungsgesetzes und bestimmt damit den speziellen Arbeitnehmerbegriff für das Betriebsverfassungsrecht. Dieser betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist mit dem arbeitsvertragsrechtlichen nicht gleichzusetzen (RIS-Justiz RS0050959; 8 ObA 49/12g; Strasser in
Die in Rede stehenden Betriebsvereinbarungen über weitere Zulagen finden ihre Rechtsgrundlage im Beschäftiger- Kollektivvertrag. Daraus ergibt sich klar, dass die Parteien der Betriebsvereinbarungen in Ansehung der Entgeltregelungen an dem für den Kollektivvertrag maßgebenden Arbeitnehmerbegriff anknüpfen und den Kreis der Anspruchsberechtigten im Verhältnis zu diesem nicht erweitern wollten. Die auf einer kollektivvertraglichen Ermächtigung beruhenden und daher zulässigen Zulagen- bzw Entgelt-Betriebsvereinbarungen im Beschäftigerbetrieb wären daher auf den Kläger nur dann anzuwenden, wenn ihr Geltungsbereich ausdrücklich auch überlassene Arbeitnehmer erfassen würde (vgl Schindler in ZellKomm2 § 10 AÜG Rz 30). Dies ist nicht der Fall. […]
Im Anlassfall gelangt § 10 Abs 1 AÜG idF BGBl I 2005/104 zur Anwendung. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt für den Beschäftigerbetrieb. Die vom Kläger angesprochene kollektivvertragliche Ermächtigung in § 18 des Beschäftiger-Kollektivvertrags bedeutet nur, dass es sich bei den zugrunde liegenden Betriebsvereinbarungen über die weiteren Zulagen um zulässige Entgelt- Betriebsvereinbarungen handelt. Dadurch werden die Betriebsvereinbarungs-Zulagen aber nicht zu einem kollektivvertraglichen Entgelt.
Auch aus der Rechtslage ab 1.1.2013 (BGBl I 2012/98) würde kein anderes Ergebnis folgen. Zwar sind unter ‚sonstigen verbindlichen (Entgelt-)Bestimmungen allgemeiner Art‘ betriebliche Regelungen, vor allem eine allenfalls zulässige, weil durch Kollektivvertrag ermächtigte (Entgelt-)Betriebsvereinbarung gemeint (vgl Schindler in ZellKomm2 § 10 AÜG Rz 4; Schindler, Die neue EU-Leiharbeits-RL, DRdA 2009, 176 [177]; Schörghofer, ZAS 2012, 336 [341]). Allerdings besteht von dieser Anordnung eine Ausnahme, sofern ein Überlasser-Kollektivvertrag sowie eine kollektivvertragliche, gesetzliche oder verordnete Entgeltregelung für den Beschäftigerbetrieb besteht. Dies ist hier der Fall.“
Der AN versucht auf zwei Wegen vergeblich zu den von ihm begehrten Zulagen zu gelangen: Erstens meint er, dass er aufgrund seiner länger als sechs Monate andauernden Tätigkeit im Beschäftigerbetrieb und seiner Eingliederung in diesen als AN des Beschäftigerbetriebs gem § 36 ArbVG anzusehen sei und er schon aus diesem Grund Anspruch auf die Zulagen aus den Betriebsvereinbarungen habe. Diesem Versuch wird vom OGH insofern eine Abfuhr erteilt, als15 dieser festhält, dass bei der Frage der Anwendbarkeit eines KollV nicht auf den betriebsverfassungsrechtlichen AN-Begriff, sondern auf den allgemeinen AN-Begriff des Arbeitsvertragsrechts abzustellen sei.
Zweitens behauptet der AN, dass der Beschäftiger- KollV eine Ermächtigung für die geltend gemachten Zulagen durch BV vorsehe. Daher stellten diese Zulagen kollektivvertragliches Entgelt dar, auf das er als Leiharbeitnehmer Anspruch habe. Diesbezüglich verweist der OGH in seiner abschlägigen Beurteilung auf die Entscheidung 8 ObA 18/14a, die einen vergleichbaren Fall betraf und bekräftigte nochmals, dass unter „kollektivvertraglichem Entgelt“ ausschließlich das kollektivvertragliche Mindestentgelt zu verstehen sei.
Interessant ist, dass der OGH klarstellt, dass er dies auch im Lichte der durch die EU-Leiharbeits-RL 2008/104/EG verursachten Neufassung von § 10 AÜG nicht anders sehen würde. Die Leiharbeits-RL schreibt hinsichtlich allgemeiner betrieblicher Entgeltregelungen die Gleichbehandlung mit den im Beschäftigerbetrieb angestellten AN vor, erlaubt aber Abweichungen durch KollV. Als solche Abweichungen lässt § 10 Abs 1 letzter Satz AÜG neu schon die bloße Existenz kollektivvertraglicher Regelungen für den Überlasser und den Beschäftiger gelten. In der Literatur war bezweifelt worden, ob das richtlinienkonform sei – der OGH hat diese Zweifel also vorerst nicht geteilt.