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Entlassung eines begünstigten Behinderten wegen Vertrauensunwürdigkeit

SUSANNEGITTENBERGER

Der Kl, ein als Gemeindebediensteter beschäftigter begünstigter Behinderter iSd § 2 Abs 1 BEinstG, wurde wegen Vertrauensunwürdigkeit fristlos entlassen, da er eine namentlich an den Bürgermeister adressierte Postsendung geöffnet und eine private Kopie des Inhalts angefertigt hatte. Der Kl argumentierte, dass der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit ihm gegenüber nicht anwendbar sei: Nach der Judikatur dürfe der allgemeine Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtenverletzung gegenüber einem begünstigten Behinderten lediglich durch Kündigung im Rahmen des besonderen Kündigungsschutzes gem § 8 BEinstG geltend gemacht werden. Damit dieser besondere Kündigungsschutz nicht umgangen werden könne, müsse dies auch für den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit gelten, weil eine beharrliche Pflichtenverletzung in der Regel auch zur Vertrauensverwirkung führe.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl zurück; die Beurteilung der Vorinstanzen, dass das Öffnen und private Kopieren einer namentlich an den Bürgermeister adressierten Postsendung unter den festgestellten konkreten Umständen seine Vertrauensunwürdigkeit begründe, sei jedenfalls nicht unvertretbar. Das von dieser Handlungsweise betroffene Verwaltungsverfahren falle weder in den dienstlichen Zuständigkeitsbereich des Kl, noch komme ihm darin selbst Parteistellung zu. Er sei auch bereits mehrmals aufgrund ähnlich gelagerter früherer Vorfälle ermahnt worden. Weiters nenne der auf das Dienstverhältnis des Kl anzuwendende § 26 Abs 2 OÖ Gemeinde- Dienstrechts- und GehaltsG die in Frage kommenden Entlassungsgründe und unterscheide dabei deutlich zwischen Handlungen oder Unterlassungen, die den Bediensteten vertrauensunwürdig erscheinen lassen (Z 2) einerseits, und erheblicher Vernachlässigung oder Unterlassung des Dienstes (Z 3) sowie Weigerung, die Dienstpflichten ordentlich zu erfüllen und dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten zu befolgen (Z 4), andererseits. Der Anwendung des Entlassungsgrundes des § 26 Abs 2 Z 2 OÖ Gemeinde-Dienstrechts- und GehaltsG stehe die demonstrative Aufzählung möglicher Kündigungstatbestände in § 8 Abs 2 BEinstG schon dem Wortlaut nach nicht entgegen. Jedenfalls sei eine Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes durch Umdeutung eines Kündigungsgrundes in eine zur Entlassung be16rechtigende Vertrauensunwürdigkeit von den Vorinstanzen im Ergebnis vertretbar verneint worden. Das unbefugte Anfertigen von Privatkopien fremder Aktenbestandteile stehe außerhalb jeglicher Dienstpflichten des Kl und auch in keinem Zusammenhang mit seiner (Seh-)Behinderung.