24Keine Verpflichtung der Weitergabe sensibler medizinischer Daten an Trainer einer Maßnahme zuzustimmen
Keine Verpflichtung der Weitergabe sensibler medizinischer Daten an Trainer einer Maßnahme zuzustimmen
Ärztliche Untersuchungen sind kein zulässiger Inhalt einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern haben unter den Voraussetzungen des § 8 AlVG bei objektiven Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit stattzufinden.
Das AMS widerrief die Notstandshilfe eines Arbeitslosen gem §§ 38 iVm § 10 AlVG ab 30.7.2013, da er die Teilnahme an einer angebotenen Wiedereingliederungsmaßnahme verweigert hätte.
Er war zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme zugewiesen worden, deren Kursziel „Berufsorientierung unter Berücksichtigung arbeitsmedizinischer und psychologischer Gutachten, mit Abklärung der gesundheitlichen Situation der Teilnehmer bzw Miteinbezug aller bereits erhobener Befunde, etc“ war. Bereits in der Einladung zum Infotag wurde er aufgefordert zum Kursbeginn vorhandene Befunde, Röntgenbilder und dergleichen mitzunehmen. Angeschlossen war weiters ein dreiseitiger medizinischer Fragebogen des Kursträgers, der detaillierte Fragen zum Gesundheitszustand (etwa betreffend laufende medizinische Untersuchungen, Medikamenteneinnahme, geplante Operationen, gesundheitliche Probleme aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen sowie Alkohol-, Zigaretten- und Drogenkonsum) enthielt. Auch sollte eine Zustimmungserklärung zur Weitergabe der im Beruflichen Kompetenzzentrum erhobenen arbeitsmedizinischen und arbeitspsychologischen Testergebnisse an TrainerInnen und SozialpädagogInnen des Kursträgers und zur Entbindung von ÄrztInnen und PsychologInnen von ihrer Verschwiegenheitspflicht erteilt werden.
Der Arbeitslose besuchte den Infotag, füllte den Fragebogen aber nicht aus und verweigerte die Unterschrift auf der Zustimmungserklärung.
In seiner Berufung brachte der Arbeitslose vor, dass er nicht die Maßnahme an sich, sondern seine Unterschrift verweigert habe, die zur Offenlegung seiner Daten gegenüber den Trainern und eventuell anderen Personen, die seine Daten nichts angingen, geführt hätte. Die Berufungsinstanz bestätigte die erstins21tanzliche Entscheidung. Festgehalten wurde, dass für Zwecke der Durchführung von Verträgen dieses Maßnahmentypus „Aktive Arbeitsuche oder Training oder Orientierung (Berufsorientierung, Berufsvorbereitung)“ zwischen dem AMS und dem Maßnahmenträger iSd § 11 Abs 2 DSG 2000 eine Datenschutzvereinbarung abgeschlossen wurde, nach der alle MitarbeiterInnen zur Wahrung des Datengeheimnisses gem § 15 DSG 2000 verpflichtet seien, weswegen sich die datenschutzrechtlichen Bedenken des Arbeitslosen als haltlos erweisen würden.
Der VwGH gab der Beschwerde Recht und hob den Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Das Erk stellt klar, dass ein Dienstleistervertrag zwischen AMS und Bildungsträger, der diesem bestimmte Datenverwendungen erlaubt, keinesfalls dazu führt, dass vom Arbeitslosen verlangt werden kann, der Weitergabe von (sensiblen) Daten durch Dritte an das AMS und/oder den Träger zuzustimmen.
„Eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dient – […] – der im konkreten Fall jeweils erforderlichen Verbesserung von Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitslosen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb zu diesem Zweck die Übermittlung von gesundheitsbezogenen Daten erforderlich sein sollte. […] Auch im Rahmen der Überprüfung der Arbeitsfähigkeit nach § 8 Abs 2 AlVG ist im Übrigen keine Zustimmung des Arbeitslosen zur Übermittlung von Daten vorgesehen. […] Die Tatsache, dass das AMS […] einen Dienstleistervertrag im Sinne der §§ 10 und 11 DSG 2000 abgeschlossen hat, ändert […] nichts an der Unzulässigkeit des zwingenden Abverlangens einer Zustimmungserklärung. […]
Was den Inhalt der Maßnahme betrifft, ist zudem darauf hinzuweisen, dass im Zuge von Maßnahmen zwar – nach § 9 Abs 8 AlVG – auch Arbeitserprobungen zur Überprüfung vorhandener oder im Rahmen der Maßnahme erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten sowie der Einsatzmöglichkeiten in einem Betrieb stattfinden können. Darüber hinaus ist aus dem Gesetz aber keine durch eine Sanktion nach § 10 AlVG erzwingbare Maßnahme zur Überprüfung von Kenntnissen und Fähigkeiten ableitbar. […] Auch ärztliche Untersuchungen sind kein zulässiger Inhalt einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern haben unter den Voraussetzungen des § 8 AlVG bei objektiven Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit stattzufinden.“
Mit dem vorliegenden Erk wird eine klare Abgrenzung zwischen dem zulässigen Inhalt von Wiedereingliederungsmaßnahmen einerseits und der ärztlichen Überprüfung der Arbeitsfähigkeit eines Arbeitslosen gem § 8 Abs 2 AlVG andererseits getroffen: Nach letzterer Bestimmung ist der Arbeitslose durchaus verpflichtet, seinen Gesundheitszustand medizinisch feststellen zu lassen.
Bestehen generelle Zweifel an der Arbeitsfähigkeit, dh soll geklärt werden, ob Invalidität oder Berufsunfähigkeit vorliegt, wird gem § 8 Abs 2 zweiter Satz AlVG die Untersuchung durch das Kompetenzzentrum Begutachtung in der Pensionsversicherungsanstalt durchgeführt. Steht die Arbeitsfähigkeit nicht in Frage, bestehen aber gesundheitliche Einschränkungen, die genauer erhoben werden müssen, so besteht gem § 8 Abs 2 dritter Satz AlVG die Verpflichtung, sich von einem Allgemeinmediziner bzw in einer ärztlichen Einrichtung untersuchen zu lassen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind Entscheidungsgrundlage für Stellenzuweisungen bzw die Zuweisung zu Schulungs- und Eingliederungsmaßnahmen durch das Arbeitsmarktservice.
Im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme selbst kann der Arbeitslose aber weder verpflichtet werden, dem Träger Gesundheitsdaten offenzulegen noch sich an der Erhebung weiterer Daten zu beteiligen.