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Widerruf und Rückforderung bei falscher Angabe im Antragsformular

JUTTAKEUL

Da die Angaben im Antragsformular zur Geltendmachung einer Leistung aus der AlV die Behörde in die Lage versetzen sollen, ihrerseits zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem ein Antragsteller meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen.

SACHVERHALT

Das AMS widerrief die Notstandshilfe eines Arbeitslosen im Zeitraum 22.4.2011 bis 30.6.2013 und forderte € 16.797,04 zurück, da aufgrund seines Studiums Arbeitslosigkeit nicht vorläge. In seinen Notstandshilfeanträgen 2011 und 2012 habe er diesbezüglich unwahre Angaben gemacht.

Dieser brachte dagegen vor, dass kein Grund für Widerruf und Rückforderung vorläge. Er habe sein Studium im Erstantrag vom 8.3.2010 sehr wohl angegeben. In den Folgeanträgen sei die Frage, ob er in Ausbildung stehe, in den Anträgen von ihm gar nicht beantwortet worden, da ihm der AMS-Mitarbeiter gesagt habe, dass das nur erforderlich wäre, wenn es hinsichtlich des Studiums etwas Neues gäbe. Außerdem sei das Studium regelmäßig bei seinen Betreuungsvereinbarungen thematisiert worden und auch in diese schriftlich aufgenommen worden. Das AMS sei somit laufend in Kenntnis seiner Ausbildung gewesen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

In der Berufungsentscheidung, die Widerruf und Rückforderung bestätigte, hielt das AMS fest, unbestritten sei, dass in sämtlichen Betreuungsvereinbarungen das Studium angeführt ist. Unstrittig sei aber auch, dass das Studium in den Anträgen 2011 und 2012 nicht angegeben wurde, sondern die Frage 10 „Ich befinde mich in Ausbildung“ mit „nein“ beantwortet wurde. Jene AMS-Mitarbeiter, die die Anträge 2011 und 2012 entgegengenommen hatten, bestätigten die Angaben des Arbeitslosen nicht, dass sie ihm gesagt hätten, dass es nicht erforderlich sei, Frage 10 mit „ja“ zu beantworten.

Der VwGH wies die Revision des Arbeitslosen gegen die Rückforderung der Notstandshilfe als unbegründet ab.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Der Rückforderungstatbestand ‚unwahre Angaben‘ liegt […] jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese unrichtig oder unvollständig beantwortet wird. Es kommt daher beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgeblicher Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck 23der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben im Antragsformular ohne Belang ist […]. Letztlich will der Revisionswerber darauf hinaus, dass seine Betreuer ohnehin von seinem Studium gewusst hätten und dieser Umstand auch in den Betreuungsvereinbarungen ihren Niederschlag gefunden habe. Dies ist, worauf der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur wiederholt verwiesen hat, jedoch unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, ob der fragliche Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder dem Arbeitsmarktservice gleichzeitig oder doch rechtzeitig vor Anweisung des jeweiligen Leistungsanspruchs in einer zumindest gleichwertigen Weise (zB durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung) mitgeteilt wurde.“

ERLÄUTERUNG

Das vorliegende Erk (vgl auch VwGH 15.5.2013, 2011/08/0388) steht im Spannungsfeld zur Vorjudikatur des VwGH zu § 25 AlVG. Danach ist für eine Rückforderung der Leistung ein Verschulden des Empfängers erforderlich: „Aus einer Gegenüberstellung der einzelnen Tatbestände folgt, dass die ersten beiden Tatbestände (Anm: unwahre Angaben bzw. Verschweigung maßgebender Tatsachen) zumindest mittelbaren (bedingten) Vorsatz (dolus eventualis) voraussetzen, […]“ (VwGH 19.2.2003, 2000/08/0091). „Die Verwendung des Begriffes ‚unwahr‘ (und nicht bloß unrichtig) in § 25 Abs 1 AlVG deutet auf eine subjektive Komponente hin. Dh, dass von jenem Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv falsche Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat“ (VwGH 20.11.2002, 2002/08/0208). „Auch liegt der für den Tatbestand der unwahren Angaben erforderliche (bedingte) Vorsatz jedenfalls dann nicht vor, wenn der Leistungsbezieherin der richtige Sachverhalt und das Erfordernis der Meldung an das Arbeitsmarktservice ohne ihr Verschulden ( betrachtet nach dem Maßstab einer ‚Parallelwertung in der Laiensphäre‘) nicht bekannt gewesen ist“ (VwGH 11.7.2012, 2010/08/0088).

Ein unrichtiges Ausfüllen des Antragsformulars scheint also das vorsätzliche Handeln so nahezulegen, dass der VwGH eine Gesamtanalyse der Verschuldensfrage – auch unter Einbeziehung von Begleitumständen wie der Tatsache, dass den Betreuern das Studium des Leistungsempfängers bewusst war – ablehnt.