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Wurde Spitalsaufenthalt gemeldet oder nicht?

BIRGITSDOUTZ
VwGH 22.7.2014, 2012/08/0130

Die belangte Behörde durfte sich angesichts der sie treffenden Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Verpflichtung, auf relevante Vorbringen der Parteien einzugehen, nicht damit begnügen, lapidar und ohne weitere Ermittlungen, insb ohne Parteien- bzw Zeugenvernehmung, festzustellen, dass eine konkrete Angabe der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Mitteilung des zukünftigen Spitalsaufenthaltes vorliege. Vielmehr hätte sie sich mit den widersprüchlichen Ergebnissen hinsichtlich der EDV-Eintragung und der Angaben der Beschwerdeführerin beweiswürdigend auseinandersetzen und dabei darlegen müssen, was sie veranlasst hat, den EDV-mäßigen Aufzeichnungen mehr Glauben zu schenken als dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.

SACHVERHALT

Das AMS unterbrach den Bezug einer Leistung – von 21.2.2011 bis 14.4.2011 – auf Grund einer angeblichen telefonischen Mitteilung der Beschwerdeführerin über einen Spitalsaufenthalt ab dem 21.2.2011. Aus der EDV-mäßigen Aufzeichnung des AMS ergab sich lediglich die Eintragung „Spital ab. 21.2“. Weiterführende Angaben zu den Umständen des Telefonates bzw zum genauen Wortlaut der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer telefonischen Mitteilung waren aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Den Umstand, dass sie einen Unterbrechungstatbestand ab 21.2.2011 gemeldet habe, bestritt die Arbeitslose in ihrer Berufung ausdrücklich und brachte dazu vor, dass es sich bei ihrer telefonischen Mitteilung lediglich um die Bekanntgabe der vagen Möglichkeit eines zukünftigen Spitalsaufenthalts gehandelt habe.

In der Berufungsentscheidung, die die Leistungsunterbrechung bestätigte, verwies das AMS auf § 46 Abs 6 AlVG: Unterbricht ein Arbeitsloser seinen Leistungsbezug, muss er seinen Anspruch auf den Fortbestand innerhalb einer Woche nach Ende der Unterbrechung geltend machen, sonst gebührt die Leistung erst ab dem Tag der Wiedermeldung, hier also ab dem 15.4.2011.

Die Arbeitslose habe keine vage Möglichkeit einer Aufnahme ins Spital, sondern einen konkret geplanten Spitalsaufenthalt bekanntgegeben. Dieser kam nicht zustande, so dass – gerechnet ab 21.2.2011 – binnen einer Woche eine Wiedermeldung beim AMS hätte erfolgen müssen, um die Leistung ohne Unterbrechung beziehen zu können. Diese unterblieb. Auf das Berufungsvorbringen der Arbeitslosen wurde nicht eingegangen, sondern ausschließlich dem EDV-Eintrag „Spital ab 21.2.“ Glauben geschenkt. Der VwGH hat den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

ORIGINALZITAT AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Gemäß § 60 AVG sind in der Bescheidbegründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Behörde habe die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es hier die Feststellung des Sachverhalts sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (VwGH 10.04.2013, 2011/08/0169).25

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Behörde darzulegen, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt sei, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegt. Liegen einander widersprechende Beweisergebnisse vor, muss die Behörde begründen, weshalb sie einem der Beweismittel den Vorzug gibt (VwGH 24.04.2014, 2013/08/0204). […]

Die belangte Behörde durfte sich angesichts der sie treffenden Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Verpflichtung, auf relevante Vorbringen der Parteien einzugehen, nicht damit begnügen, lapidar und ohne weitere Ermittlungen, insbesondere ohne Parteien- bzw. Zeugenvernehmung, festzustellen, dass eine konkrete Angabe der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Mitteilung des zukünftigen Spitalsaufenthaltes vorliege. Vielmehr hätte sie sich mit den widersprüchlichen Ergebnissen hinsichtlich der EDV-Eintragung und der Angaben der Beschwerdeführerin beweiswürdigend auseinandersetzen und dabei darlegen müssen, was sie veranlasst habe, den EDV-mäßigen Aufzeichnungen mehr Glauben zu schenken als dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.“

ERLÄUTERUNG

Dem AMS wird hier deutlich signalisiert, dass die Sachverhalte, die es seinen Bescheiden zugrunde legt, auf einem soliden Ermittlungsverfahren samt einer durchargumentierten Beweiswürdigung bei widersprüchlichen Ermittlungsergebnissen beruhen müssen, speziell wenn das Parteienvorbringen von eigenen EDV-Eintragungen abweicht. Bemerkenswert, dass dies nicht das erste Erk seiner Art ist:

In VwGH 24.4.2014, 2013/08/0204hatte der Arbeitslose eine Abmeldung wegen Eintritt eines Dienstverhältnisses ab einem bestimmten Tag bestritten, das AMS aber ohne weitere Begründung der eigenen EDV-Eintragung geglaubt und ebenfalls die eingetretene Leistungsunterbrechung aufrecht erhalten. Die Argumentation des VwGH, der den Bescheid ebenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhob, gleicht der im vorliegenden Fall.

Ähnlich auch der Fall BVwG 24.7.2014, L511 2008562- 1, in dem der Arbeitslose angab, Anfang und Ende eines Krankenstandes zeitgleich dem AMS gemeldet zu haben, in der EDV aber nur das Beginndatum des Krankenstandes eingetragen war, was ebenfalls eine Leistungsunterbrechung bis zur nächsten persönlichen Wiedermeldung des Arbeitslosen auslöste. Dazu führte das BVwG aus, dass den Aussagen des Arbeitslosen zu folgen war, da diese sich mit dem sonstigen Akteninhalt in ein stimmiges Bild fügen, wohingegen sich die Aussagen der AMS-Mitarbeiterin ausschließlich auf die Wiedergabe von Standardtexten bezogen.