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Dienstverhältnis als Restaurator

MONIKAWEISSENSTEINER
VwGH 31.7.2014, 2012/08/0253

Ist der Beschäftigte in keinen Betrieb iSd § 35 ASVG integriert – wobei zum Begriff des Betriebs auf § 34 ArbVG zurückgegriffen werden kann, so ist anhand weiterer charakteristischer Umstände zu prüfen, ob im Einzelfall die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit überwiegen.

SACHVERHALT

Der Restaurator K.B. wurde mit der Renovierung der Fassade eines Schlosses beauftragt. Er setzte K.L. als Subunternehmer ein; bei diesem war H.S. beschäftigt. K.B. und K.L. beendeten ihre Tätigkeit wegen Arbeitsüberlastung, während H.S. weiter für den Schlosseigentümer arbeitete. Nach dem mündlichen Vertrag sollte er die Renovierungsarbeiten zu einem Stundenlohn von € 16,- fortsetzen und in einem Nebengebäude kostenlos wohnen. Daneben verrichtete er diverse Hausmeistertätigkeiten. Die Anordnungen erfolgten durch den Schlossbesitzer oder dessen Eltern, welche auch den Fortschritt der Arbeiten kontrollierten.

Die Gebietskrankenkasse stellte ein Dienstverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG fest. Der Schlossbesitzer brachte vor, H.S. habe nur gelegentlich Arbeiten verrichtet. Er sei mit eigenem Werkzeug tätig gewesen, hinsichtlich der Restaurierungsarbeiten liege ein Werkvertrag vor; die „Hausmeisterarbeiten“ seien die Gegenleistung für das unentgeltliche Wohnrecht. Der VwGH bestätigt demgegenüber das Vorliegen eines Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs 2 ASVG.

ORIGINALZITATE

„Dass von einem Werkvertragsverhältnis keine Rede sein kann, zeigt sich – neben der kontinuierlichen Leistungserbringung, die auf ein Dauerschuldverhältnis hindeutet – auch daran, dass die Arbeitseinsätze […] im Wesentlichen davon abhingen, welche Bauhilfsarbeiten bzw Hausmeisterarbeiten gerade für erforderlich gehalten bzw […] laufend zugewiesen wurden sowie daran, dass die Leistungen […] nach aufgewendeten Arbeitsstunden abgegolten worden sind […].

In Ermangelung eines Betriebes des Beschäftigers, in den der Beschäftigte integriert gewesen wäre, reicht das bloße Vorliegen einfacher manueller Arbeiten im Allgemeinen nicht aus, um vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG ausgehen zu können. […] Es ist somit anhand weiterer charakteristischer Umstände des vorliegenden Falles zu klären, ob bei Erfüllung der übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jener persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG gegeben ist.“

ERLÄUTERUNG

Dieses Urteil des VwGH zeigt klar die Prüfreihenfolge bei Beurteilung der Versicherungspflicht nach der ständigen Judikatur. Zuerst ist zu prüfen, ob persönliche Arbeitspflicht vorliegt. Diese fehlt, wenn ein „generelles Vertretungsrecht“ besteht (entscheidend für die Abgrenzung zwischen selbstständigen Erwerbstätigkeiten auf Basis eines Werkvertrags und Erwerbstätigkeiten als echter DN gem § 4 Abs 2 ASVG oder freier DN gem § 4 Abs 4) oder wenn dem Beschäftigten ein „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ zukommt (von Bedeutung für die Abgrenzung zwischen echtem und freiem Dienstvertrag). Nach der Bejahung der persönlichen Arbeitspflicht ist zu klären, ob die Merkmale persönlicher Abhängigkeit überwiegen. Es ist grundsätzlich von vorliegenden Vereinbarungen auszugehen, diese haben die Vermutung der Richtigkeit für sich. Kommt – wie im vorliegenden Sachverhalt – ein freier Dienstvertrag nicht in Betracht (weil ja die mündliche Vereinbarung eines Werkvertrags behauptet wurde), muss das Gesamtbild der Tätigkeit betrachtet werden. Von entscheidender Bedeutung ist die Eingliederung in den Betrieb – dann werden ausdrückliche persönliche Weisungen und Kontrollen durch die sogenannte stille Autorität (Weisungen wären möglich, erübrigen sich aber durch die durchorganisierten Betriebsabläufe) ersetzt.

Es spielt aber auch die Qualifikation eine Rolle (mit steigender Qualifikation erweitert sich in der Regel die Entscheidungsbefugnis). Liegt kein Betrieb vor (wobei beim Betriebsbegriff iSd § 35 ASVG auf die Rsp zu § 34 Abs 1 ArbVG zurückgegriffen wird), kann auch keine Eingliederung in die betriebliche Organisation gegeben sein. In diesem Fall wurde im bloßen Eigentum eines Gebäudes (Schlosses) kein Betrieb gesehen. Es muss somit weiter geprüft werden, ob im Einzelfall die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit überwiegen. H.S. hat niedrig qualifizierte Arbeiten nach den Weisungen der Eigentümerfamilie verrichtet, war ausschließlich für diesen DG tätig, wurde nach Stunden bezahlt und erhielt die Wohnung als Sachbezug. Der Schlosseigentümer hat im Ergebnis somit über die Arbeitskraft von H.S. verfügt und diese je nach seinen Erfordernissen für die anfallenden Arbeiten eingesetzt, weshalb ein Dienstvertrag vorliegt.28