41Nur teilweise qualifizierte Beschäftigung in einem Kalendermonat – Beitragsmonat im Rahmen des Berufsschutzes?
Nur teilweise qualifizierte Beschäftigung in einem Kalendermonat – Beitragsmonat im Rahmen des Berufsschutzes?
Ausgangspunkt des vorliegenden Falls war eine Klage auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension. Beim Kl handelte es sich um einen gelernten Werkstoffprüfer, der diese Tätigkeit innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (jedenfalls) in 89 Pflichtversicherungsmonaten ausgeübt hatte. Zusätzlich war er in den Monaten August 2002 und März 2004 jeweils 15 Tage als Werkstoffprüfer tätig gewesen; an jeweils 16 Tagen dieser beiden Monate hatte er Leistungen nach dem AlVG bezogen.
Nach dem festgestellten Leistungskalkül war dem Kl zwar die Tätigkeit eines Werkstoffprüfers nicht mehr zumutbar, er hätte allerdings noch Tagportierstätigkeiten ausüben können. Die Pensionsversicherungsanstalt wertete die Monate August 2002 und März 2004 als Ersatzmonate und lehnte den Pensionsantrag unter Hinweis auf den fehlenden Berufsschutz des Kl ab. Der Kl vertrat dagegen den Standpunkt, dass 91 Pflichtversicherungsmonate einer qualifizierten Tätigkeit vorliegen würden und er somit Berufsschutz genieße, da bei der Bildung der Versicherungsmonate gem den §§ 231 und 232 ASVG die Dauer eines Kalendermonats einheitlich mit 30 Tagen zu veranschlagen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht schloss sich dagegen der Rechtsansicht des Kl an und gab der Berufung des Kl Folge. Aus einer Reihe von näher bezeichneten Bestimmungen sei abzuleiten, dass den SV-Gesetzen die Annahme einer vereinheitlichten Dauer des Monats mit 30 Tagen keineswegs fremd sei. Dieser Grundsatz der vereinheitlichenden Betrachtungsweise sei auch im gegebenen Fall anzuwenden. Damit sei bei einer Beitragszeit der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit im Ausmaß von 15 Tagen im Monat in Kombination mit anderen Arten von Versicherungszeiten im selben Monat auf die in § 231 Z 1 drittletzter und vorletzter Satz ASVG festgelegte Reihenfolge zurückzugreifen und dieser Monat als Beitragsmonat der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit zu werten. Der OGH gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Revision der Bekl Folge und stellte die Entscheidung des Erstgerichts wieder her.
„Voranzustellen ist, dass sich eine ausdrückliche allgemeine Regelung, nach der im ASVG der Begriff ‚Kalendermonat‘ – abweichend vom Wortlaut – einheitlich mit 30 Tagen anzusetzen ist, nicht findet. Würde der Begriff ‚Kalendermonat‘ aber einen sozialversicherungsrechtlichen ‚terminus technicus‘ darstellen, wäre eine derartige ausdrückliche Regelung zu erwarten. […]
Zusammenfassend trifft es zwar zu, dass im ASVG eine Reihe von Einzelregelungen enthalten ist, die von einem vereinheitlichten Kalendermonat ausgehen. Es handelt sich aber jeweils um in einem bestimmten Kontext stehende Sonderbestimmungen, die der Verwaltungsvereinfachung dienen und denen kein Wirkungsbereich zukommt, der über die Norm, der sie zugehören, hinausgeht. […]
Die Schlussfolgerung, nach der Systematik des ASVG sei in einer ‚vereinheitlichenden Betrachtungsweise‘ auch der Versicherungsmonat nach § 232 Abs 1 ASVG unabhängig von der tatsächlichen Dauer des jeweiligen Monats mit 30 Tagen zu bemessen, würde demnach zu einem Wertungswiderspruch innerhalb des ASVG führen, ist deshalb nicht zulässig.
Gegen dieses Ergebnis bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Sachlichkeitsgebot wäre nur dann verletzt, wenn der Gesetzgeber zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorsieht oder wenn die vorgesehenen, an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen (RIS-Justiz RS0058455). Im Abstellen auf das zeitliche Überwiegen im Kalendermonat kann aber weder eine willkürliche noch eine gleichheitswidrige Vorgangsweise erblickt werden, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs bei der Sachlichkeitsprüfung von einer Durchschnittsbetrachtung ausgegangen und auf den Regelfall abgestellt werden darf (RIS-Justiz RS0129025 [T1]), wobei auch vergröbernde Regelungen pauschalierenden Charakters zulässig sind, sofern sie nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprechen (RIS-Justiz RS0058455 [T3]). Dass sich dabei Härtefälle ergeben können und das Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, macht das Gesetz in Bezug auf das Gleichheitsgebot noch nicht bedenklich (RIS-Justiz RS0054009).“
Seit 1.1.2011 kommen (auch) Angestellte bei der Prüfung der geminderten Arbeitsfähigkeit gem § 273 Abs 1 ASVG nur mehr dann in den Genuss eines Berufsschutzes, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellter oder als qualifizierter Arbeiter iSd § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt wurde. Ob dabei ein einzelner Monat, in dem nur teilweise einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen wurde, mitzurechnen ist, regelt § 232 32Abs 1 ASVG. Im Ergebnis ist der entsprechende Monat dann zur Gänze als Beitragsmonat der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit zu werten, wenn die Beitragszeiten aufgrund der Erwerbstätigkeit zeitlich überwiegen oder sich zumindest mit anderen Beitragszeiten (zB – wie im Anlassfall – aufgrund des Bezugs von Geldleistungen nach dem AlVG) die Waage halten.
Der OGH hatte sich im vorliegenden Fall erstmals mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Versicherungsmonate in diesem Zusammenhang nun einheitlich mit 30 Tagen oder aber nach ihrer tatsächlichen Dauer zu bemessen sind. In der Literatur findet man zu diesem Problem bislang keine Stellungnahmen; verwiesen wird allerdings auf ein Judikat des VwGH (90/08/0073), in dem dieser offensichtlich – ohne dies allerdings näher zu begründen – davon ausgegangen ist, dass ein Versicherungsmonat iSd § 231 Z 1 lit a ASVG unabhängig von der tatsächlichen Anzahl an Kalendertagen einheitlich mit 30 Tagen zu veranschlagen sei.
Der OGH schließt sich dieser Ansicht nicht an, sondern kommt, ausgehend vom Wortlaut der in § 231 ASVG enthaltenen Definition des Begriffs „Versicherungsmonat“ und nach sorgfältiger und umfassender Abwägung zum Ergebnis, dass ein allgemeines Prinzip, wonach ein Kalendermonat im ASVG einheitlich mit 30 Tagen anzunehmen sei, nicht ableitbar ist. Überall dort, wo das ASVG also nicht ausdrücklich vorgibt, dass das Kalendermonat einheitlich mit 30 Tagen anzusetzen ist, ist deshalb auf die tatsächliche Dauer des Kalendermonats abzustellen.