5Rückforderung irrtümlich ausbezahlten Überbezugs
Rückforderung irrtümlich ausbezahlten Überbezugs
Erhält eine DN das Doppelte des ihr gesetzlich zustehenden Bruttobezugs während eines Zeitraums von 15 Monaten, liegt ein besonderer Umstand vor, der gegen einen gutgläubigen Verbrauch des zu viel gezahlten Entgelts spricht.
Die Bekl wurde von der Kl im September 2010 als Nachmittagsbetreuerin in einer Volksschule mit 30 Wochenstunden eingestellt und erhielt bis November 2011 ein Bruttoentgelt von monatlich über € 2.200,-. Gem dem einschlägigen Entlohnungsschema nach dem Vertragsbedienstetengesetz des Bundes (VBG 1948) wäre ihr nur der halbe Monatsbezug zugestanden. Aufgrund eines Eingabefehlers im SAP-System wurden ihre 30 Wochenstunden wie Stunden einer Lehrerin abgerechnet, wobei Lehrerstunden (= Unterrichtsstunden) wegen der dafür veranschlagten Zusatzarbeiten (Vorbereitung, Verbessern von Hausaufgaben usw) aber doppelt so hoch bewertet werden. Die richtige ziffernmäßige Höhe des eigentlich zustehenden Bezugs war weder bei Vertragsschluss noch später benannt worden; im Dienstvertrag und anderen Unterlagen fanden sich nur abstrakte Verweise auf die einschlägige Entlohnungsgruppe im Anhang zum VBG 1948 und für Laien nicht ohne weiteres verständliche Kürzel zur Umrechnung von Lehrerstunden auf Betreuerstunden. Anlässlich des Vertragsschlusses hatte die Bekl allerdings die Verdienstmöglichkeiten im Internet recherchiert und sich netto € 1.000,- „ gewünscht“.
Als die Vertragsbedienstete – erst im November 2011 – merkte, dass Kolleginnen weniger verdienten, informierte sie die DG, die darauf die Einstufung richtig stellte und den Übergenuss – letztlich klagsweise – zurückforderte.
Während die beiden unteren Instanzen die Klage wegen gutgläubigen Verbrauchs des zu viel gezahlten Bezugs abwiesen, gab der OGH der Revision und der Klage des DG statt und verurteilte die Bekl zur Rückzahlung des Überbezugs von brutto mehr als € 11.000,-.8
„Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern […] schon dann verneint, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Betrags auch nur zweifeln musste. […]
Es ist nicht strittig, dass dieser Irrtum von der Beklagten weder veranlasst noch erkannt wurde. Der Beklagten […] ist auch zuzubilligen, das Abrechnungssystem der Klägerin (bzw die zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen) und die Bedeutung der auf den Beschäftigungsausweisen verwendeten Kürzel nicht gekannt und nicht verstanden zu haben. […]
Aber selbst ausgehend von der Annahme […] dass die Beklagte ‚nur‘ eine monatliche Nettoüberzahlung von rund 500 EUR erhalten habe […] stellt dieser Betrag, setzt man ihn in Relation zum von der Beklagten erwarteten (‚gewünschten‘) Gehalt in Höhe von rund 1.000 EUR monatlich, keinesfalls eine bloß unerhebliche Überzahlung dar.“
Ein Übergenuss wie im vorliegenden Fall kann grundsätzlich wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld rückgefordert werden (§ 1431 ABGB). Nach dem berühmten „Judikat 33 neu“ des OGH aus dem Jahr 1929 ist jedoch nicht zurückzuzahlen, was der AN gutgläubig für seinen Lebensunterhalt verwendet hat. Dabei darf der AN zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass der DG die Bezüge richtig abrechnet, aber gleichzeitig wird ihm doch ein ordentliches Maß an Skepsis iS sorgfältiger Prüfung, ob die Lohnhöhe plausibel ist, abverlangt: Der gute Glauben beim Verbrauch des Geldes wird nämlich nicht nur dadurch zerstört, dass der AN (subjektiv) weiß, dass ihm dieser Betrag nicht zusteht, sondern auch dadurch, dass er es (objektiv) hätte wissen müssen.
Die Nachmittagsbetreuerin durfte sich also nicht einfach naiv freuen, dass es statt der grob erwarteten € 1.000,- netto im Monat dann doch € 1.500,- wurden und erst dann brav den DG alarmieren, als ihr die Differenz zu Kolleginnen auffiel; sie muss sich vielmehr am Maßstab eines „Normmenschen“ messen lassen, der hinterfragt, warum der tatsächlich ausbezahlte Bezug ca 50 % über dem erwarteten liegt – auch wenn nie ein konkreter Betrag genannt wurde, sondern sich dieser nur aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt.
Ungeklärt bleibt, ob die DN auch dann zur Rückzahlung verpflichtet gewesen wäre, wenn es zu Beginn des Dienstverhältnisses nicht einmal die Vorstellung „ungefähr 1.000 Euro netto“ gegeben hätte. Beseitigt schon die bloße (große) Differenz allein zwischen dem ausgezahlten Entgelt und jenem, das nach gesetzlichen (oder auch kollektivvertraglichen??) Regeln zusteht, die Gutgläubigkeit des Verbrauchs, auch wenn selbst eine grobe Betragshöhe nie Thema war und diese Regeln für juristische Laien schwer zu durchschauen sind?