Neuerungen im Bereich Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfung sowie sonstige Änderungen durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014 (ASRÄG 2014)

WALTERGAGAWCZUK
Am 16.12.2014 wurde das ASRÄG 2014 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Die durch dieses BG erfolgten Neuerungen sind von wenigen Ausnahmen abgesehen mit 1.1.2015 in Kraft getreten.
1.
Die wichtigsten Änderungen im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG)

Die Änderungen im AVRAG durch das ASRÄG 2014 betreffen durchwegs die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping. Seit der Arbeitsmarktöffnung zu den im Jahre 2004 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten, die im Mai 2011 erfolgte, ist eine behördliche Lohnkontrolle sowohl für ausländische als auch für inländische AG vorgesehen. Bislang war diese Kontrolle auf den sogenannten Grundlohn beschränkt. Sonderzahlungen, Zulagen und Zuschläge waren somit nicht erfasst.

1.1.
Ausweitung der Lohnkontrolle

Die Lohnkontrolle erstreckt sich nun nicht mehr wie bisher bloß auf den Grundlohn, sondern es wird das gesamte dem AN durch Gesetz, Verordnung oder KollV zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien überprüft (§ 7i Abs 5). Nicht überprüft wird im Rahmen der Kontrolle nach dem AVRAG ein darüber hinausgehendes Entgelt, welches seine Grundlage in einer BV oder in einem Arbeitsvertrag hat. Bei den Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss, Weihnachtsremuneration) wird zwischen inländischen AN (dem ASVG unterliegenden AN) und ausländischen AN unterschieden. Bei letzteren hat der AG die Sonderzahlungen aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode zusätzlich zum laufenden Entgelt zu leisten (§ 7a Abs 1 letzter Satz). Laut Erläuterungen soll dadurch verhindert werden, dass die Möglichkeit der Kontrolle bloß davon abhängt, ob in den Zeitraum der Entsendung Lohnzahlungsperioden fallen, in denen nach dem maßgeblichen KollV Sonderzahlungen fällig werden. Bei inländischen AN liegt hinsichtlich der Sonderzahlungen eine Verwaltungsübertretung vor, wenn der AG diese Entgeltbestandteile nicht oder nicht vollständig bis zum 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres geleistet hat. Hintergrund dafür sind die unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte bzw Berechnungsmethoden bei Sonderzahlungen. Viele Kollektivverträge etwa stellen bei der Fälligkeit des Urlaubszuschusses noch immer auf den Zeitpunkt des Urlaubsantritts des konkreten AN ab.

1.2.
Information der AN

Der AN ist durch das in der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) eingerichtete Kompetenzzentrum LSDB bzw die jeweilige GKK über einen sein Arbeitsverhältnis betreffenden Strafbescheid wegen Lohndumping zu informieren (§ 7e Abs 1a Z 6, § 7g Abs 3).

1.3.
Nichtbereithalten der Lohnunterlagen

Bislang war die Strafdrohung für das Nichtbereithalten der Lohnunterlagen geringer als für Lohndumping. Manche AG haben es daher gar nicht auf eine Lohnkontrolle ankommen lassen, sondern keine Lohnunterlagen vorgewiesen. Der Gesetzgeber hat nun darauf reagiert und den Strafrahmen an jenen betreffend Unterentlohnung angeglichen. Klargestellt wurde außerdem, dass die Strafe für jeden AN und nicht pauschal zu verhängen ist. Sanktioniert wird nunmehr auch das Nichtbereithalten der Lohnunterlagen durch den Beschäftiger im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung (§ 7i Abs 4).

Weiters wurden die erforderlichen Lohnunterlagen nun explizit im Gesetz angeführt, um möglichen Einwänden in Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot von vornherein zu begegnen (§ 7d Abs 1).

1.4.
Neuregelung der Verjährung

Die Verjährung (Verfolgungs- bzw Strafbarkeitsverjährung) des Verwaltungsdelikts beginnt mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Entgelts und beträgt drei bzw fünf Jahre. Bei einer durchgehenden Unterentlohnung, die mehrere Lohnzahlungszeiträume umfasst, beginnt der Lauf dieser Fristen mit der Fälligkeit des Entgelts der letzten Lohnzahlungsperiode (§ 7i Abs 7).

1.5.
Erleichterung der Nachsicht

Unter gewissen Voraussetzungen ist von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Dabei kommt es zu zwei 44wichtigen Änderungen (§ 7e Abs 5 und § 7i Abs 6). Erstens entfällt die Voraussetzung der Erstmaligkeit des Verstoßes, und zweitens wird die Regelung, welcher Verschuldensgrad höchstens erreicht werden darf, damit Nachsicht gewährt wird, geändert: Das geringfügige Verschulden seitens des AG wird durch „leichte Fahrlässigkeit“ ersetzt.

Eine Nachsicht ist daher in Zukunft auch bei wiederholter Unterentlohnung nicht von vornherein ausgeschlossen. Laut Erläuterungen ist nämlich durch die Einbeziehung aller Entgeltbestandteile in die Kontrolle in gewissen Fällen eine unbedingte Strafwürdigkeit trotz einer neuerlichen Unterentlohnung nicht mehr gegeben. An dem Umstand, dass wiederholte Begehungen eines Delikts an sich bei der Verschuldensprüfung entsprechend zu berücksichtigen sind, ändert sich aber nichts. Eine Nachsicht bei Wiederholung wird daher nur selten zu erteilen sein. Zu berücksichtigen ist jedenfalls, wie lange die beiden Delikte zeitlich auseinander liegen, ob sie sich auf verschiedene Lohnbestandteile beziehen, wie viele AN das Unternehmen beschäftigt, ob nach dem ersten Delikt die unternehmensinternen Kontrollverfahren gegen Unterentlohnungen verbessert wurden und wie leicht die Unterentlohnung zu erkennen war.

Um für die Praxis mehr Klarheit zu schaffen, was bei der Nachsicht als leichte Fahrlässigkeit anzusehen ist, bietet der Gesetzgeber in den Erläuterungen eine zusätzliche Serviceleistung. Zitate einschlägiger Entscheidungen und Kommentare sollen helfen, leichte Fahrlässigkeit von grober Fahrlässigkeit abzugrenzen.

1.6.
Untersagung der Dienstleistung

Die Untersagung der Dienstleistung gem § 7k, die bislang nur bei Unterentlohnung vorgesehen war, wird auf die Tatbestände der Behinderung bzw Vereitelung der Lohnkontrolle, Verweigerung der Einsicht in die Lohnunterlagen sowie den Tatbestand des nicht Bereithaltens der Lohnunterlagen ausgeweitet.

Andererseits erfolgt eine Einschränkung dahingehend, dass von der Untersagung abzusehen ist, wenn der AG die Strafe zahlt und geeignete Kontrollmaßnahmen glaubhaft macht.

Die höchst zulässige Dauer der Untersagung wird mit fünf Jahren begrenzt.

1.7.
Sicherheitsleistung und Zahlungsstopp

Den Auftraggeber oder den Beschäftiger zur Erlegung einer Sicherheitsleistung zu verpflichten, ist nach neuer Rechtslage nicht mehr bloß auf die Fälle der Unterentlohnung beschränkt, sondern in allen Fällen des begründeten Verdachts einer einschlägigen Verwaltungsübertretung, also insb auch bei Nichtbereithalten der Lohnunterlagen, möglich (§ 7m).

Um zu verhindern, dass durch die Zahlung des Werklohns durch den Auftraggeber oder des Überlassungsentgelts durch den Beschäftiger die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung ins Leere geht, ist vorgesehen, dass die kontrollierenden Stellen (BUAK, Finanzpolizei) zunächst einen Zahlungsstopp gegen den inländischen Auftraggeber oder Beschäftiger verfügen können.

1.8.
Vorläufige Sicherheit

Neben der Möglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen vom Auftraggeber des AG die Erlegung einer Sicherheitsleistung zu verlangen, ist nun weiters im AVRAG auch die Festsetzung einer vorläufigen Sicherheit iSd § 37a VStG direkt gegenüber dem Betretenen möglich (§ 7l).

Im Fall der Nichtleistung der vorläufigen Sicherheit können auch verwertbare und dem Anschein nach dem Betretenen gehörende Sachen beschlagnahmt werden.

1.9.
Verwaltungsstrafevidenz

Die wichtigste Änderung bei der Verwaltungsstrafevidenz (§ 7n) ist zweifellos, dass das Kompetenzzentrum LSDB auch öffentlichen Auftraggebern auf Verlangen Auskunft zu geben hat, ob in Hinblick auf einen bestimmten AG eine rechtskräftige einschlägige Bestrafung bzw Entscheidung vorliegt. Die dazu korrespondierende Bestimmung im Vergaberecht (Verpflichtung zur Einholung einer Auskunft) soll mit der nächsten Novelle des Bundesvergabegesetzes erfolgen.

1.10.
Entsendebegriff und Montageprivileg

Die Frage, wann überhaupt eine Entsendung vorliegt und daher die österreichischen Lohnvorschriften zur Anwendung kommen, war bislang nicht hinreichend klar geregelt. Der Gesetzgeber hat daher verschiedene Änderungen vorgenommen. So wurde etwa klargestellt, dass verschiedene kurzfristige Arbeiten von geringem Umfang, wie etwa geschäftliche Besprechungen oder Teilnahme an Seminaren ohne Erbringung von weiteren Dienstleistungen, nicht unter den Entsendebegriff fallen (§ 7a Abs 1a und § 7b Abs 1a). Weiters wurde auch der entbehrliche Terminus „fortgesetzten“ vor dem Terminus „Arbeitsleistung“, der bislang Anlass für verschiedene Interpretationen und Irritationen war, beseitigt.

Die bestehende Regelung, dass die österreichischen Lohnvorschriften für bestimmte Montagearbeiten nicht anzuwenden sind (Montageprivileg), wurde auf das Geschäftsfeld des „klassischen“ Anlagenbaus eingeschränkt. Montagearbeiten und Reparaturen im Zusammenhang mit der Lieferung von Maschinen sind daher nicht mehr von diesem Privileg erfasst. Andererseits sind nunmehr neben der Montage ieS, der Inbetriebnahme und der Reparatur auch die mit der In-45betriebnahme verbundenen Schulungen „privilegiert“ (§7a Abs 4 und § 7b Abs 2).

1.11.
Entsendemeldung

Die Entsendemeldung wird um bestimmte Angaben wie etwa Dauer und Lage der vereinbarten Normalarbeitszeit der einzelnen AN, genauer Ort der Beschäftigung in Österreich und Art der Tätigkeit und Verwendung des AN unter Berücksichtigung des maßgeblichen österreichischen KollV erweitert (§ 7b Abs 4). Diese Informationen sollte es den Behörden ermöglichen, Kontrollen in Zukunft noch treffsicherer und effektiver durchzuführen. Etwa die Ausrede mancher AG, der AN würde nur Teilzeit arbeiten und daher weniger Lohn bekommen, wird leichter zu entkräften sein.

Klargestellt wird, dass auch nachträgliche Änderungen unverzüglich zu melden sind und die Meldung für jede Entsendung gesondert zu erfolgen hat. Vorratsmeldungen, Pauschalmeldungen für alle zukünftigen Entsendungen im nächsten Kalenderjahr oder Ähnliches sind nicht mehr zulässig.

2.
Änderungen im Arbeitnehmerschutzrecht

Mit der Novelle soll eine im Regierungsprogramm vorgesehene Deregulierung vorgenommen werden. Konkret geht es um die Reduktion der verpflichtenden Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses von zweimal pro Jahr auf einmal pro Jahr (§ 88 Abs 5 ASchG), die Klarstellung, dass die Funktion der Präventivfachkraft und der Sicherheitsvertrauensperson miteinander vereinbar sind (§ 10 Abs 10 ASchG; § 4 Abs 2a VO über die Sicherheitsvertrauenspersonen) sowie der Entfall der Brandschutzgruppen nach dem ASchG (§ 25 Abs 5, § 32 Abs 1 Z 2 und § 107 Abs 3 ASchG; § 44 und § 44a Arbeitsstätten-VO).

3.
Änderungen im Arbeitszeitgesetz

Auch ein Teil der Änderungen im Arbeitszeitrecht ist auf das Regierungsprogramm zurückzuführen. Dieses sieht nämlich Erleichterungen für die Aufzeichnungen der Arbeitszeiten vor. § 26 Abs 3 regelte bislang, dass AN, die sowohl die Lage ihrer Arbeitszeit als auch ihren Arbeitsort weitgehend selbst bestimmen können und ihre Arbeitszeit überwiegend außerhalb der Arbeitsstätte verbringen (Außendienstmitarbeiter), bloß Aufzeichnungen über die Dauer der Tagesarbeitszeit (Saldenaufzeichnungen), nicht aber über die genaue Lage führen müssen. Nun wird diese Möglichkeit ausgedehnt. Einerseits entfällt das Erfordernis der überwiegenden Tätigkeit außerhalb der Arbeitsstätte. Andererseits ist die Saldenaufzeichnung generell auch bei jenen AN möglich, die überwiegend in ihrer Wohnung tätig sind ( Teleheim-AN).

Ausgedehnt wird auch der Entfall der Aufzeichnungspflichten für die Ruhepausen nach § 26 Abs 5. War dies bisher nur durch BV möglich, so ist dies nun auch in Betrieben ohne BR durch schriftliche Einzelvereinbarung zulässig. Weiters entfällt die Beschränkung auf Ruhepausen im Mindestmaß.

Bei AN mit einer schriftlich festgehaltenen fixen Arbeitszeiteinteilung haben die AG, wenn genau diese Einteilung eingehalten wird, anstelle von laufenden Aufzeichnungen lediglich die Einhaltung der fixen Einteilung zumindest am Ende jeder Entgeltzahlungsperiode (idR das Monat) sowie auf Verlangen des Arbeitsinspektorates zu bestätigen. Abweichungen von der fixen Arbeitszeit wie etwa Mehr- oder Überstunden sind aber jedenfalls laufend aufzuzeichnen (§ 26 Abs 5a).

AN haben einmal monatlich Anspruch auf kostenfreie Übermittlung der Arbeitszeitaufzeichnungen. Erforderlich ist hierfür ein nachweisliches Verlangen. Wenn bzw solange der AG die Übermittlung verwehrt, werden Verfallsfristen gehemmt (§ 26 Abs 8 und 9).

4.

Auf Grund einer Entscheidung des VwGH vom Dezember 2013 (11.12.2013, 2012/08/0133) war es Nebenerwerbslandwirten bereits ab einem Einheitswert von € 1.500,- nicht mehr möglich bei Verlust ihrer unselbstständigen Beschäftigung Arbeitslosengeld zubeziehen. Diese Rechtslage wurde nun insoweit rückwirkend per 1.1.2014 geändert, als bis zu einem Einheitswert von € 13.177,- (Wert 2014) noch von einem geringfügigen Einkommen iSd Arbeitslosenversicherungsrechts auszugehen ist.

Die zweite Änderung im AlVG bewirkt, dass Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld genauso wie Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst auf die Anwartschaft und für die Frage der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld angerechnet werden. Voraussetzung dafür ist, dass innerhalb der Rahmenfrist sonstige Anwartschaftszeiten von mindestens 14 Wochen liegen (§ 14 Abs 4 lit b, § 18 Abs 3).46