Novelle zum Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz
Novelle zum Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz
Mit 1.1.2015 tritt eine vielbeachtete Novelle des KA- AZG in Kraft. Herzstück der Novelle ist die Verkürzung der zulässigen wöchentlichen Höchstarbeitszeit (in einer Durchschnittsbetrachtung über 17 Wochen) von bisher 60 Stunden auf künftig 48 Stunden.
Der Hintergrund dieser doch beträchtlichen Verkürzung ist in der EU-Arbeitszeit-RL (2003/88/EG) zu sehen, nach deren Art 6 nur eine durchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden zulässig ist. In der Annahme, diese europarechtlich vorgeschriebene Höchstarbeitszeitgrenze beziehe sich nur auf Arbeitszeit ieS, also die Durchführung von Arbeitstätigkeiten, nicht aber auf Arbeitsbereitschaft, während derer der AN sich nur am Arbeitsplatz für den nächsten Arbeitseinsatz bereit hält, schuf der Gesetzgeber im Jahr 1997 eine 48 plus 12-Regelung: Die Angehörigen von Gesundheitsberufen sowie sonstige in ununterbrochenen Diensträdern eingesetzte Beschäftigte durften im Durchschnitt bis zu 48 Wochenstunden „in Anspruch genommen“ werden und konnten zusätzlich bis zu zwölf Stunden im wöchentlichen Durchschnitt in Arbeitsbereitschaft gehalten werden, also zB sich in Wochenend- oder Nachtdiensten im „Dienstzimmer“ ausruhen, bis das Läuten eines Patienten den nächsten Arbeitseinsatz erforderlich macht. Der EuGH judizierte jedoch anders: Auch Arbeitsbereitschaft sei Arbeitszeit iSd RL und daher bei der Messung und Begrenzung der Höchstarbeitszeit zu berücksichtigen. Politische Versuche auf der europäischen Ebene, die Arbeitsbereitschaft in einer Überarbeitung der RL großzügiger zu behandeln, scheiterten, und seither mahnt die Europäische Kommission so wie bei anderen Mitgliedstaaten auch gegenüber Österreich (zuletzt unter Androhung eines Verfahrens vor dem EuGH, bei dem empfindliche Strafzahlungen gedroht hätten) die Einhaltung der 48-Stundengrenze ein.
Eine Arbeitszeitverkürzung um 20 % in den österreichischen Krankenanstalten ist schwerlich von heute auf morgen durchführbar. Die vorliegende Novelle nutzt daher für einen Übergangszeitraum die Möglichkeit des „Opting out“ gem Art 22 der Arbeitszeit- RL: Danach braucht die 48-Stundengrenze nicht angewendet zu werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, unter denen insb die freiwillige Bereitschaft der betroffenen AN, länger als 48 Stunden zu arbeiten, hervorzuheben ist (sowie der Schutz dieser Freiwilligkeit durch die Verhinderung von Nachteilen für solche AN, die dazu nicht bereit sind).
Für die österreichische Situation heißt das nun konkret: Bis Jahresende 2017 dürfen noch bis zu 60 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt gearbeitet werden, bis 30.6.2021 bis zu 55 Stunden (§ 4 Abs 4b KA-AZG); Voraussetzung dafür ist die im Vorhinein schriftlich abgegebene Zustimmung jedes betroffenen DN – die nicht im Zusammenhang mit der Begründung des Dienstverhältnisses stehen darf, um gültig zu sein (§ 11b Abs 1 KA-AZG), und für deren Verweigerung der DN in keiner Weise benachteiligt werden darf (§ 11b Abs 2 KA-AZG). Die Zustimmung kann auch jederzeit unter Einhaltung einer in § 11b Abs 1 KA-AZG näher geregelten Vorankündigungsfrist widerrufen werden. So wie schon bisher bedarf es neben dieser neu eingeführten individuellen Zustimmung einer BV bzw des Einvernehmens mit der Personalvertretung (§ 4 Abs 1 und 2 KA-AZG).
Neben dieser schrittweisen Absenkung der durchschnittlich zulässigen Wochenarbeitszeit bringt die Novelle noch einige kleinere strengere Regulierungen der Arbeitszeit in Krankenanstalten, dabei teils europarechtlichen Vorgaben folgend, teils aus Eigeninitiative des österreichischen Gesetzgebers:
So wird die bisherige Möglichkeit, verlängerte Dienste für Ärzte und Anstaltsapotheker nicht nur so wie für die übrigen Berufsgruppen bis zu 25 Stunden (klassischer Nachtdienst mit einer Stunde Übergabe), sondern bis zu 32 Stunden (klassischer Nachtdienst mit anschließendem Kerndienst) oder sogar bis zu 49 Stunden (Wochenend- oder Feiertagsdienst) einzuteilen, mit dem 31.12.2017 auslaufen. Bis zum 31.12.2020 sind für die Ärzte und Apotheker noch höchstens 29-stündige Dienste zulässig, danach nur mehr – so wie für alle anderen vom KA- AZG erfassten Beschäftigten – Dienste von höchstens 25 Stunden.
Ein weiterer, im Rahmen dieses Überblicks erwähnenswerter Punkt: Die Ausgleichsruhezeit für verlängerte Dienste gem § 7 Abs 3 KA-AZG (zB ein zusätzlicher 13-stündiger Ruhezeitblock als Folge eines 24-Stunden-Dienstes) darf zukünftig nicht mehr erst irgendwann innerhalb der nächsten 17 Wochen nach dem jeweiligen verlängerten Dienst konsumiert werden, sondern nur unmittelbar im Anschluss an diesen (was zusammen mit der vorgeschriebenen elfstündigen täglichen Ruhezeit einen Ruhezeitblock von zumindest 24 Stunden nach dem genannten verlängerten Dienst sicherstellt!).
Schließlich wird auch die bislang bestehende Möglichkeit, „zur Aufrechterhaltung des Krankenanstaltenbetriebs“ durch BV ein Arbeiten über die erlaubte durchschnittliche Wochenarbeitszeit hinaus zuzulassen (§ 8 Abs 3 KA-AZG), beseitigt. Um den Betrieben in solchen Ausnahmesituationen etwa einer zeitweilig besonders hohen Patientenfrequenz entgegenzukommen, wurde für diese Fälle eine Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes für die Bemessung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 17 auf 52 Wochen vorgesehen (§ 3 Abs 4 KA- AZG). Auch Betriebe, die sich schon im Übergangszeitraum bis 2017 bzw 2021 mit 48 Stunden 47durchschnittlicher Wochenarbeitszeit begnügen, können für die Ermittlung der durchschnittlichen Arbeitszeit generell per BV den Betrachtungszeitraum auf 52 Wochen erhöhen.
Die bisherige Formel 48 plus 12 – also bis zu 48 Stunden „Inanspruchnahme“, zusätzlich bis zu zwölf Stunden Arbeitsbereitschaft – aufzugeben, bewirkt beträchtliche Herausforderungen:
Sinkt die Arbeitszeit von 60 auf 48 Stunden, führt eine Milchmädchenrechnung zu einem zusätzlichen Personalbedarf von 25 % bei jenen Gruppen, bei denen die weitgehende Nutzung der 60-stündigen Durchschnittsarbeitszeit tatsächlich üblich war (insb bei den Ärzten). Wie und zu welchen Kosten so viele Ärzte und Ärztinnen zu finden wären, müsste den Spitalserhaltern, also insb den Bundesländern, ziemliches Kopfzerbrechen verursachen; tatsächlich sollte durch rationalere Betriebsorganisation – etwa die Reduktion gleichzeitiger Anwesenheit in den Kerndiensten und die Übertragung von Tätigkeiten an andere Berufsgruppen – der Zusatzbedarf deutlich abgefedert werden können.
Die Kehrseite der Medaille zeigt sich den DN: Eine der Arbeitszeitverringerung entsprechende Schmälerung der Einkommen (oder in sogar noch höherem Ausmaß, wenn der Grundbezug niedrig ist und Nacht- und Wochenenddienste hoch bewertet sind) wird so von den DN und ihren Interessenvertretungen verständlicherweise nicht hingenommen werden können.
Aber auch im System des AN-Schutzrechts führt die Umstellung zu Kalamitäten. Die Formel 48 plus 12 bedeutete, dass bei einer 60-stündigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit mindestens ein Fünftel der Arbeitszeit aus Arbeitsbereitschaft und damit Erholungsphasen bestand. Bei einer zukünftig höchstens 48-stündigen wöchentlichen Durchschnittsarbeitszeit und der Beibehaltung der Möglichkeit, 25-stündige durchgehende Dienste zu leisten, darf der Wegfall des bisher notwendigen Fünftelanteils an Arbeitsbereitschaft natürlich nicht dazu führen, dass gerade in Gesundheitsberufen AN bis auf die halbstündige Ruhepause 25 Stunden ununterbrochen durcharbeiten. Zur Lösung dieses Problems hat der Gesetzgeber in § 4 Abs 1a KA-AZG angeordnet, dass bei den verlängerten Diensten den DN „ausreichende Erholungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen“ müssen. Ob diese sehr allgemeine Formulierung ausreicht, um den erforderlichen Schutz zu gewährleisten, wird sich in der Praxis erweisen müssen.48