6Mischtätigkeiten an Tankstelle – Abgrenzung Angestellte/Arbeiter
Mischtätigkeiten an Tankstelle – Abgrenzung Angestellte/Arbeiter
Hat eine Tankstellenkraft ua die einlangenden Waren auf ihre Qualität und Übereinstimmung mit dem Lieferschein zu überprüfen und nehmen ihre nicht kaufmännischen Tätigkeiten im üblichen Tagesablauf nur eine verhältnismäßig geringfügige Zeit in Anspruch, so ist sie als Angestellte anzusehen.
Die AN war bei einem privaten Tankstellenbetreiber in Selbstbedienungstankstellen samt Waschanlage, Shop und Bistro, ohne organisatorische Trennung zwischen Tankstellenbereich und Shop, tätig. Sie war überwiegend an der Scanner-Kasse mit dem Kassieren der Rechnungsbeträge für Tanken, von ihr ausgegebene Waschkarten, Shopwaren und von ihr hergestellter Bistroartikel beschäftigt. Die Kunden zahlten nicht nur bar, sondern auch mit Bankomat- und Kreditkarte. Am Abend führte die AN selbstständig die Abrechnung der Kassa durch und verwahrte die Einnahmen im Tresor. Sie hatte keinen Einfluss auf die Preisbildung und die Zusammenstellung des Warensortiments. Sie war auch nicht mit der Warenbestellung betraut, hatte aber die angelieferten Waren einer Qualitätskontrolle zu unterziehen, den Lieferschein zu überprüfen und diesen zu unterzeichnen. Die Regalbetreuung bezog sich nicht nur auf ein eingeschränktes Warensortiment, sondern auf 1500 zum Verkauf angebotene Artikel. Sie gab über Verlangen der Kunden auch Auskunft und bot ihnen Essen und Trinken an. Die sonstigen, nicht kaufmännischen Tätigkeiten der AN, nämlich ua Reinigungsarbeiten, Aufbacken von Gebäck und Herstellung von Bistroartikeln, nahmen im üblichen Tagesablauf nur eine verhältnismäßig geringfügige Zeit in Anspruch.
Zwischen den Parteien war zuletzt ausschließlich strittig, ob die AN kaufmännische Dienste iSd § 1 AngG geleistet hat und auf ihr Arbeitsverhältnis daher der KollV für Handelsangestellte anzuwenden war. Die übereinstimmende Rechtsansicht der Vorinstanzen wich von der reichhaltigen bisherigen Rsp nicht ab, weshalb die Revision des AG vom OGH zurückgewiesen wurde.9
„Bei der in jedem Einzelfall vorzunehmenden Grenzziehung zwischen kaufmännischen Diensten und untergeordneten Verrichtungen ist zu beachten, dass dem Begriff der ‚kaufmännischen Dienste‘ solche Dienstleistungen zu unterstellen sind, die kaufmännische Ausbildung und Geschicklichkeit verlangen, während den untergeordneten Verrichtungen alle Dienste rein mechanischer Natur zuzuzählen sind, die keine besondere Ausbildung erfordern und so einfach sind, dass sie von jedem normalen Menschen mit gewöhnlicher Durchschnittsbildung erfüllt werden können (RIS-Justiz RS0028066).
Werden Mischtätigkeiten verrichtet (hier: kaufmännische und nicht in dieser Richtung qualifizierte Arbeiten), dann entscheidet im Allgemeinen das zeitliche Überwiegen. Hat jedoch die höher qualifizierte Tätigkeit für den Arbeitgeber die ausschlaggebende Bedeutung, ist – unabhängig vom zeitlichen Ausmaß der qualifizierten Tätigkeit – dieser Umstand entscheidend […].
Ist auch für die Tätigkeit der Klägerin keine besondere Ausbildung oder längere Einschulungsphase notwendig, so kann diese – entgegen der Rechtsansicht der Beklagten – nicht mit der bloßen einfachen Tätigkeit eines Sitzkassiers in einem Selbstbedienungsrestaurant (10 ObS 95/10h) verglichen werden, der ausschließlich mit dem Kassieren betraut ist. Die von der Klägerin verrichteten Aufgaben erschöpften sich – im Gegensatz zu dem der Entscheidung 4 Ob 157/80(ZAS 1982/24 =
) zugrundeliegenden Sachverhalt – auch nicht in Kassiertätigkeiten, die über ein Berechnen des Gesamtpreises, das Entgegennehmen des Geldbetrags und das Verbuchen in der Kasse nicht hinausgehen und nach einer kurzen Einschulung von jedem Absolventen der Grundschule bewältigt werden können. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass die Überprüfung der eingelangten Waren auf ihre Qualität und Übereinstimmung mit dem Lieferschein eine durchaus verantwortungsvolle kaufmännische Tätigkeit ist (vgl 4 Ob 106/78 = SZ 51/187 = ZAS 1979/25). Dies alles ist auch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass der Betrieb der Beklagten stark einem üblichen (Shop-Konzept) Handelsbetrieb entspricht.“Prinzipiell kommt es bei der Abgrenzung von Arbeiter- zu Angestelltentätigkeiten im gemischten Bereich auf das zeitliche Überwiegen der jeweiligen Tätigkeit an. Eine Ausnahme wird dann gemacht, wenn die Angestelltentätigkeit für das Unternehmen von außerordentlicher Bedeutung ist. In diesem Fall ist das AngG anwendbar, auch wenn die Arbeitertätigkeiten mehr Zeit in Anspruch nehmen.
In zeitlicher Hinsicht stellt der OGH lediglich fest, dass die „reinen Arbeitertätigkeiten“ der AN nur eine verhältnismäßig geringfügige Zeit in Anspruch nahmen, ohne ein genaueres Verhältnis zu nennen. Diese Komponente und vor allem die Tatsache, dass der OGH in der Überprüfung der Waren auf Qualität und Übereinstimmung mit dem Lieferschein ausdrücklich eine „durchaus verantwortungsvolle kaufmännische Tätigkeit“ erblickt hat, haben den Ausschlag für die Qualifikation als Angestellte gegeben.