120Anrechnung eines vorgezogenen Urlaubs auf den Urlaubsanspruch des nächsten Urlaubsjahres nur bei Vereinbarung eines Urlaubsvorgriffs; Halbierung des Sonderzahlungsanspruchs für Zeiten mit Anspruch auf halbe Entgeltfortzahlung
Anrechnung eines vorgezogenen Urlaubs auf den Urlaubsanspruch des nächsten Urlaubsjahres nur bei Vereinbarung eines Urlaubsvorgriffs; Halbierung des Sonderzahlungsanspruchs für Zeiten mit Anspruch auf halbe Entgeltfortzahlung
Eine „automatische“ Anrechnung eines vorgezogenen Urlaubs auf den erst im nächsten Urlaubsjahr entstehenden Urlaubsanspruch findet ohne entsprechende Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien nicht statt.
Für Entgeltfortzahlungszeiträume, in denen der AN nur mehr Anspruch auf das halbe Entgelt hat, gebührt mangels anderweitiger Vereinbarung oder Regelung auch nur die halbe Sonderzahlung.
Strittig war im vorliegenden Fall die Höhe der Urlaubsersatzleistung nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den bekl AG. Den Arbeitsvertragsparteien war nicht bekannt gewesen, dass das UrlG als Urlaubsjahr grundsätzlich das Arbeitsjahr (beginnend mit dem Eintrittsdatum des AN, im konkreten Fall war dies der 8.3.) vorsieht; die Urlaubstage der Kl wurden vielmehr jeweils auf das Kalenderjahr bezogen aufgezeichnet und abgerechnet. Vor diesem Hintergrund verbrauchte die Kl im zweiten Arbeitsjahr insgesamt 35 Arbeitstage Urlaub, ohne dass eine Vereinbarung über einen Urlaubsvorgriff getroffen worden wäre. Im darauffolgenden letzten (begonnenen) Arbeitsjahr verbrauchte die Kl keinen Urlaub. Die Kl begehrte für dieses letzte Arbeitsjahr volle Urlaubsersatzleistung, während der Bekl von einem Urlaubsvorgriff im zweiten Arbeitsjahr und damit von einer geringeren Urlaubsersatzleistung ausging.
Strittig war außerdem, ob der Kl für Krankenstandszeiten im letzten Arbeitsjahr, in denen sie nur mehr Anspruch auf halbe Entgeltfortzahlung hatte, Sonderzahlungen im vollen oder nur im halben Ausmaß zustanden.
Sowohl Erst- als auch Berufungsgericht wiesen die geltend gemachten Ansprüche zur Gänze ab. Beide gingen von einem automatischen Übertrag von zu viel oder zu wenig verbrauchtem Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis aus. Sonderzahlungen für Zeiträume der halben Entgeltfortzahlung gem § 8 Abs 1 letzter Satz AngG seien entsprechend zu aliquotieren. Der OGH bestätigte die E der Vorinstanzen betreffend den Anspruch auf restliche Sonderzahlung; hinsichtlich der Urlaubsersatzleistung gab er dagegen der Revision der Kl Folge.
Nach hRsp und Lehre ist ein Urlaubsvorgriff zulässig, bedarf aber einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien […].
Eine ‚automatische‘ Anrechnung eines ‚vorgezogenen‘ Urlaubs auf den erst im nächsten Urlaubsjahr entstehenden Urlaubsanspruch findet ohne entsprechende Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien nicht statt. Das UrlG sieht zwar die Möglichkeit der Übertragung eines nicht verbrauchten Urlaubsanspruchs auf das nächste Urlaubsjahr vor (vgl § 4 Abs 5 UrlG; 9 ObA 77/01s; 9 ObA 117/08h; Kuderna, UrlG2 § 4 Rz 34; Cerny, UrlG10 § 4 Erl 28), nicht aber den einseitigen ‚Übertrag‘ von zu viel verbrauchten Urlaubstagen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Regelungen über die Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG. Der Urlaubsver-148brauch wird erst durch die besondere Vereinbarung der Parteien zum Urlaubsvorgriff. Im zu beurteilenden Sachverhalt fanden sich allerdings weder Anhaltspunkte für eine ausdrückliche noch schlüssige Vereinbarung eines Urlaubsvorgriffs. […] Da es dem Bekl nicht gelungen ist, die Vereinbarung eines Urlaubsvorgriffs nachzuweisen und ihn diesbezüglich die Beweislast trifft, muss daher davon ausgegangen werden, dass der Bekl der Kl im Urlaubsjahr 2011 einen über den Mindestanspruch des § 2 Abs 1 UrlG hinausgehenden zusätzlichen Urlaub ohne Vorgriff und Anrechnung auf den der Kl im nächsten Urlaubsjahr gebührenden Urlaub gewährt hat. […]
[…] Nach hRsp gebühren mangels abweichender Vereinbarung Sonderzahlungen allerdings nicht für Zeiten, für die keine Pflicht zur Entgeltzahlung besteht (RIS-Justiz RS0030306). Sonderzahlungen als eine Form aperiodischen Entgelts gebühren daher regelmäßig nicht für Zeiten nach Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs im Fall der Krankheit gemäß § 8 Abs 1 AngG (§ 2 Abs 1 EFZG), allerdings nur sofern nicht ein Kollektivvertrag oder eine andere, auf das jeweilige Arbeitsverhältnis einwirkende Norm Gegenteiliges anordnet (RIS-Justiz RS0030306 [T15]).
Im gegenständlichen Fall haben die Parteien keine Vereinbarung über die Gewährung von Sonderzahlungen auch während des entgeltfreien Krankenstands abgeschlossen. Unstrittig wirkt im vorliegenden Fall auch keine Norm, die Gegenteiliges vorsieht, auf das Arbeitsverhältnis ein. Ein Kollektivvertrag ist wie schon erwähnt nicht anwendbar.
Besteht somit ein Entgeltfortzahlungsanspruch in voller Höhe, hat der AN auch Anspruch auf die Sonderzahlungen in voller Höhe. Fällt der Entgeltfortzahlungsanspruch zur Gänze weg, gebühren auch keine Sonderzahlungen. Es ist daher nur sachgerecht, wenn der AN in dem Entgeltfortzahlungszeitraum, in dem er nur mehr Anspruch auf das halbe Entgelt hat (§ 8 Abs 1 letzter Satz und Abs 2 AngG bzw § 2 Abs 1 letzter Satz EFZG), auch nur die halbe Sonderzahlung erhält […].
Das Argument der Kl, Sonderzahlungen würden bei der Bemessung des Krankengelds keine Rolle spielen, weshalb es bei Aliquotierung der Sonderzahlungen zu einer vom Gesetzgeber nicht gewünschten Einkommensreduktion käme, trifft nicht zu. Gemäß § 125 Abs 3 ASVG sind Sonderzahlungen durch einen entsprechenden Zuschlag zum Krankengeld zu berücksichtigen. Gerade daraus wird gefolgert, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass für die Dauer des Krankengeld- bezugs keine Sonderzahlungen zu leisten sind, weil es sonst zu einem sachlich problematischen Doppelbezug käme. […] Genau dieses Argument spricht aber auch für die Halbierung der Sonderzahlung in dem Entgeltfortzahlungszeitraum, in dem der AN nur mehr einen Anspruch auf das halbe Entgelt hat.“
§ 2 Abs 1 UrlG legt als Urlaubsjahr grundsätzlich das Arbeitsjahr fest: Das Urlaubsjahr beginnt also jeweils mit dem Datum des Eintrittstages. Eine Umstellung des Urlaubsjahres auf das Kalenderjahr unter Aliquotierung des Urlaubsanspruchs für das Rumpfarbeitsjahr (also den in das erste Kalenderjahr der Beschäftigung fallenden Teil des Arbeitsverhältnisses) ist nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 2 Abs 4 UrlG zulässig; insb darf sie nur durch KollV oder BV, in Betrieben ohne BR seit 1.1.2013 auch durch schriftliche Einzelvereinbarung erfolgen. Eine solche Umstellung hat im gegebenen Fall nicht stattgefunden, die Konsumation und Abrechnung des Urlaubs hatte sich daher weiterhin am Arbeitsjahr zu orientieren.
Den vor diesem Hintergrund im zweiten Arbeitsjahr zu viel konsumierten Urlaub hat der OGH als über den Mindestanspruch hinausgehenden, zusätzlichen Urlaub gewertet, mit dem sich der AG durch Abschluss der entsprechenden Urlaubsvereinbarungen einverstanden erklärt hat. Die nach hL zulässige Vereinbarung eines Urlaubsvorgriffs könnte zwar grundsätzlich auch konkludent, also ohne ausdrückliche Willenserklärung der beiden Vertragsparteien erfolgen, allerdings ist eine solche schlüssige Erklärung nur dann anzunehmen, wenn aus dem Verhalten der Vertragsparteien zweifelsfrei hervorgeht, dass beide einen Vorgriff auf den erst zukünftig entstehenden Urlaubsanspruch vereinbaren wollten. Dies war hier nicht der Fall: Kl und Bekl hatten die Urlaubsvereinbarungen ja in dem Glauben abgeschlossen, es handle sich dabei um die zustehenden Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr, sie beabsichtigten also gerade keinen Vorgriff auf künftige Ansprüche.
Die E betreffend den geltend gemachten Sonderzahlungsanspruch fügt sich nahtlos in die Linie der jüngeren Rsp des OGH, wonach für entgeltfreie Zeiträume grundsätzlich kein Anspruch auf Sonderzahlungen besteht, sofern nicht ausnahmsweise aus einer Vereinbarung, aus dem KollV oder einer anderen auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Norm anderes abzuleiten ist. Ohne anderslautende Regelung oder Vereinbarung stehen dem AN deshalb für Zeiten der halben Entgeltfortzahlung auch die Sonderzahlungen nur in halber Höhe zu.
Die Ansicht, es gebe einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach für entgeltfreie Zeiten keine Sonderzahlungen gebühren, teilt der VwGH im Übrigen nicht. Ob der Anspruch auf Sonderzahlungen zu kürzen ist, ist nach dessen Rsp vielmehr durch Interpretation des diesem Anspruch zugrunde liegenden KollV oder Einzelarbeitsvertrages (ein gesetzlicher Anspruch auf Sonderzahlungen existiert bekanntlich nicht) zu klären. Da der VwGH zuletzt aber davon ausgegangen ist, dass für die149Höhe des Anspruchs im Zweifel auf das Durchschnittsentgelt des vor dem Fälligkeitstermin liegenden Jahres abzustellen ist (vgl VwGH2001/08/0154DRdA 2005/15 [krit Schindler]), würde er im vorliegenden Fall zum selben Ergebnis kommen wie der OGH, da sich entgeltfreie Zeiten bzw Zeiten, in denen nur das halbe Entgelt zusteht, somit anspruchsmindernd auswirken.