122

Nichtberücksichtigung eines erst später – nach Jahren der Berufsausübung – absolvierten Aufbaulehrgangs für die Berechnung des Vorrückungsstichtags verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung

MARTINACHLESTIL

Der 1966 geborene AN absolvierte nach erfolgreichem Abschluss einer Fachschule für Nachrichtentechnik im Jahr 1986 den Präsenzdienst und arbeitete anschließend bis Ende Juli 1992 bei einem Verein als Sanitätsgehilfe. Von September 1992 bis Juli 1994 besuchte er einen Aufbaulehrgang für Elektronik an einer HTL und absolvierte im Oktober 1994 die Reifeprüfung. Anschließend studierte er an der TU Wien Elektrotechnik, schloss diese mit akademischen Grad Diplom-Ingenieur ab, um danach bis151September 2009 facheinschlägig in der Privatwirtschaft zu arbeiten.

Seit September 2009 ist der AN als Vertragslehrer für Informatik bei der AG, einer HTBLA, beschäftigt. Für die Entlohnung wurden von der AG seine Ausbildungszeiten im Aufbaulehrgang für Elektronik an der HTL bei der Berechnung des Vorrückungsstichtags nicht berücksichtigt. Der AN begehrte eine Entgeltnachzahlung sowie die Neuberechnung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der Zeiten des Aufbaulehrgangs.

Der OGH gab seinem Begehren statt und wich unter Bezugnahme auf die Gleichbehandlungsrahmen-RL 2000/78/EG von früheren Entscheidungen (OGH 10.2.1999, 9 ObA 310/98y; OGH 13.9.2012, 8 ObA 56/12m) ab.

Gem § 26 Abs 2 Z 6 lit a VBG 1948 ist bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags bestimmter Vertragsbediensteter (VB) die Zeit des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule bis zu dem Zeitpunkt anzurechnen, an dem der VB den Abschluss dieser Ausbildung aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestens hätte erreichen können.

Bisher hatte der OGH § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 so interpretiert, dass „für die Errechnung des Vorrückungsstichtags von einem fiktiven Studienverlauf ohne Berücksichtigung des aus persönlichen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen Studiums auszugehen sei“. Dh, dass der nach den „schulrechtlichen Vorschriften frühestens“ zu erreichende Zeitpunkt nicht auf den konkreten Studienbeginn des jeweiligen Absolventen, sondern abstrakt auf die Ausbildungsmöglichkeit als solche zu beziehen ist.

Nunmehr geht der OGH jedoch davon aus, dass ein solches Verständnis des § 26 Abs 2 Z 6 VBG eine unzulässige Diskriminierung auf Grund des Alters bewirkt. Zwar würde sich die unterschiedliche Berücksichtigung von Zeiten des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule nicht unmittelbar aus dem Alter des Studierenden ergeben, sondern aus dem scheinbar neutralen Kriterium des aufgrund schulrechtlicher Vorschriften frühestmöglichen Abschlusses einer höheren Schulbildung. Faktisch erhielten jedoch all jene VB einen ungünstigeren Vorrückungsstichtag, welche die höhere Schule nicht schon im regulären Schulverlauf, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens absolviert haben. Damit läge zwangsläufig jedenfalls mittelbar eine altersbedingte Ungleichbehandlung vor, die nach Art 2 Abs 1 und Abs 2 lit b der RL 2000/78 EG grundsätzlich verboten ist (siehe dazu EuGH 18.6.2009, C-88/08, Hütter ua).

Da nach dem Wortlaut des § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 der „aufgrund der schulrechtlichen Vorschriften frühestmögliche Abschluss“ auch auf eine in einer späteren Lebensphase absolvierte höhere Schulbildung bezogen werden kann, ist einem solchen Verständnis der Norm – iS einer richtlinienkonformen Interpretation – zwingend der Vorzug zu geben (RIS-Justiz RS0075866, RS0112669 ua).

Zusammenfassend ist die Bestimmung des § 26 Abs 2 Z 6 VBG 1948 so zu verstehen, dass das Wort „frühestens“ auf das in Anbetracht des tatsächlichen individuellen Ausbildungsbeginns nach den schulrechtlichen Vorschriften frühestmögliche Ausbildungsende zu beziehen ist.