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Facebook-Eintrag des Arbeitnehmers – Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit

MARTINACHLESTIL
AngG Z 1 dritter Fall § 27

Mit dem Eintrag im öffentlichen Bereich von Facebook hat der AN, ein Hauptkassier einer Bank, seine Anfrage (ob „die EUR 15.000,00 nochmals aufgetaucht“ sind) gerade nicht im privaten Bereich gehalten, sondern einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Genauso gut hätte er seine Anfrage in eine Tageszeitung setzen können. Die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit erfolgte zu Recht.

SACHVERHALT

Der AN war als Hauptkassier bei der bekl Bank beschäftigt. Als er bereits im gekündigten Arbeitsverhältnis stand und vom Dienst freigestellt war, wurde er von Nachbarn ua darauf angesprochen, dass erzählt werde, er sei entlassen worden, weil er Geld unterschlagen habe. Um sich zu rechtfertigen, teilte er diesen Personen detailliert mit, dass in der Bank auf mysteriöse Weise € 15.000,- verschwunden seien, er aber dafür nicht verantwortlich sei. Wenig später stellte der AN an einen Arbeitskollegen über Facebook in dem für Facebook-Nutzer öffentlich zugänglichen Bereich die Frage, ob „die € 15.000,00 nochmals aufgetaucht“ sind. Wenig später löschte der AN diesen Eintrag wieder. Wie lange der Eintrag auf Facebook war, konnte nicht festgestellt werden. Einige Tage später teilte der AN einem Mitarbeiter eines anderen Bankinstituts, der diesen Eintrag gelesen, aber ihn nicht verstanden hatte, über dessen telefonische Anfrage wiederum im Detail den Sachverhalt mit, über den er bereits drei Nachbarn informiert hatte. Der AN wurde daraufhin entlassen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Alle drei Instanzen urteilten übereinstimmend, dass der AN gegen seine Treuepflicht, insb gegen die Pflicht zur Wahrung der Verschwiegenheit verstoßen und dadurch den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gem § 27 Z 1 dritter Fall AngG verwirklicht hat.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] Die Verschwiegenheits- und Diskretionspflichten innerhalb des Arbeitsverhältnisses als Ausdruck der Treuepflicht (RIS-Justiz RS0079608) […] umfassen sämtliche nicht allgemein bekannte Tatsachen, an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat (vgl 9 ObA 180/01p; Pfeil in

Schwimann
, ABGB3 § 1162 ABGB Rz 119). Der Angestellte, der zum Träger fremder betrieblicher und geschäftlicher Interessen geworden ist, ist aufgrund der Treuepflicht verpflichtet, diese Interessen des Arbeitgebers zu wahren und alles zu unterlassen, was diese Interessen zu beeinträchtigen geeignet ist. Er hat daher auch Stillschweigen über für den Arbeitgeber wichtige Informationen, selbst wenn es sich um keine unmittelbaren Geschäftsgeheimnisse handelt, zu bewahren (vgl 9 ObA 27/93; 9 ObA 158/02d; Friedrich in
Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 27 Rz 163).

Schon eine fahrlässige Gefährdung betrieblicher Interessen, also eine fahrlässige Verletzung der Treuepflicht erfüllt im Gegensatz zu jenem der Untreue nach § 27 Z 1 erster Fall AngG (RIS-Justiz RS0029375) – den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit (9 ObA 208/91; RIS-Justiz RS0029531). Schädigungsabsicht oder Schadenseintritt sind nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0029531). Es genügt, wenn dem Angestellten die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt bewusst sein musste (RIS-Justiz RS0029531 [T4]). […] Zu Unrecht meint der Arbeitnehmer, der Eintrag (Anm: auf Facebook) sei von ihm nicht in die Öffentlichkeit getragen worden, habe also keine Außenwirkung entfaltet, weil nur Arbeitskollegen von ihm darauf reagiert hätten. Zunächst lässt die tatsächliche Reaktion bestimmter Personen auf diesen Eintrag nicht darauf schließen, dass nicht auch weitere Facebook-Nutzer diesen Eintrag gelesen haben. Mit dem Eintrag im öffentlichen Bereich von Facebook hat der Arbeitnehmer seine Anfrage gerade nicht im privaten Bereich gehalten, sondern einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Genauso gut hätte er seine Anfrage in eine Tageszeitung setzen können (Kern/Schweiger, Die Bedeutung der Nutzung von Social Media im Entlassungsrecht – Dargestellt am Beispiel ‚Facebook‘, ZAS 2013/51). Schließlich lasen nicht nur Mitarbeiter der Arbeitgeberin den Eintrag, sondern es las ihn auch ein bei einem anderen – im Konkurrenzverhältnis zur Arbeitgeberin stehenden – Bankinstitut beschäftigter Mitarbeiter (A. B.), dem der Arbeitnehmer dann sogar einige Tage später bereitwillig und im Detail Auskunft über den bankinternen Vorfall gab.

Auch mit dem Argument, er habe lediglich die an ihn herangetragenen Gerüchte und Spekulationen126[…] aufgeklärt und sich dagegen zur Wehr gesetzt, vermag der Arbeitnehmer den Vorwurf der Geheimnisverletzung nicht entkräften. Seine Treuepflicht hat der Arbeitnehmer gerade auch dadurch verletzt, dass er die ‚Gerüchte und Spekulationen‘ mit seinen Erklärungen bestätigt hat.

Dazu kommt, dass sich der Arbeitnehmer nicht nur im Dienstvertrag zur Verschwiegenheit über alle im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Bank-, Geschäfts-, Betriebs- und Datenschutzgeheimnisse gegenüber jedermann verpflichtet hat. Die Arbeitgeberin hat ihre Mitarbeiter auch in einem E-Mail vom 21.10.2011 […] darauf hingewiesen, dass interne Informationen in der Öffentlichkeit nichts verloren hätten und daher davon Abstand genommen werden möge, in sozialen Netzwerken über den Arbeitsalltag zu posten. […]

Gerade die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht – selbst wenn davon nicht unmittelbare Geschäftsgeheimnisse betroffen sind – muss bei objektiver und vernünftiger kaufmännischer Erwägung beim Arbeitgeber die gerechtfertigte Befürchtung auslösen, dass auch künftig hin Informationen nicht mit der gebotenen Vertraulichkeit behandelt würden (9 ObA 158/02d; mwN). Wenn der Arbeitnehmer auch keine leitende Stellung (vgl RIS-Justiz RS0029652) bekleidete, so war er doch als Hauptkassier in einer besonderen Vertrauensposition tätig (vgl 9 ObA 22/88). In der gebotenen Gesamtschau (vgl RIS-Justiz RS0081395) geht es hier nicht um einen irrtümlichen ‚Mausklick‘ auf Facebook oder eine einmalige, bloß gedankenlose Indiskretion gegenüber einem Außenstehenden (vgl 4 Ob 5/63 = Arb 7687), sondern einen mehrfachen Verstoß des Arbeitnehmers gegen die Geheimhaltungspflicht zu Lasten seiner Arbeitgeberin.“

ERLÄUTERUNG

Der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 dritter Fall AngG liegt nach stRsp des OGH dann vor, wenn dem Angestellten konkrete Verstöße gegen seine Treuepflicht zur Last fallen oder er ein bestimmtes Verhalten gesetzt hat, das ihn des Vertrauens seines AG unwürdig macht, wie etwa der Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen etc (RIS-Justiz RS0027833; Pfeil in ZellKomm2 § 27 AngG Rz 54). Im vorliegenden Fall hat der OGH deutlich ausgesprochen, dass nebst der Pflicht des Angestellten zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen noch weitergehende Verschwiegenheits- bzw Diskretionspflichten des AN bestehen, deren Nichtbeachtung ebenfalls den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verwirklichen können: Während ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis typischerweise nur einem eng begrenzten, im Wesentlichen geschlossenen Personenkreis bekannt ist und Tatsachen oder Vorgänge betrifft, die in einer Beziehung zum Betrieb des Unternehmens stehen und für seine Wettbewerbsfähigkeit Bedeutung haben, gehen nach dem vorliegenden Erk die Verschwiegenheitsund Diskretionspflichten innerhalb des Arbeitsverhältnisses als Ausdruck der Treuepflicht (RIS-Justiz RS0079608) darüber noch hinaus. Sie umfassen sämtliche nicht allgemein bekannte Tatsachen, an deren Geheimhaltung der AG ein berechtigtes Interesse hat.

Folglich ist bei der Nutzung von sogenannten sozialen Netzwerken Vorsicht geboten, insb beim Posten auf Facebook. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann unvorsichtiges Posten von Betriebsinterna sehr schnell eine Verletzung der Verschwiegenheitspflichten des AN bewirken, selbst wenn es sich dabei um keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse ieS handelt. Für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit kommt es auch nicht darauf an, wie viele andere Personen die jeweiligen für den AG wichtigen Informationen konkret erfahren haben oder wie lange die Nachricht anderen zugänglich war. Zu beachten ist weiters, dass Postings auf Facebook meist leichter nachweisbar sind als mündlich getätigte Äußerungen und die Anzahl der Personen, die davon Kenntnis erlangen können, meist unüberschaubar ist (siehe dazu auch Kern/Schweiger, Die Bedeutung der Nutzung von Social Media im Entlassungsrecht, ZAS 2013/51, 302).