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Verspätete Antragstellung – kein Verschulden der Behörde trotz rechtswidriger Vergabe eines Kontrolltermins nach Auslaufen der Leistung?

JUTTAKEUL

Ein Notstandshilfebezieher hatte am 7.3.2014 einen AMS-Termin. Sein Leistungsbezug endete am 12.3.2014. Unstrittig wurde ihm am 7.3.2014 von seiner Beraterin kein Antragsformular ausgefolgt. Sie verlängerte am 7.3.2014 gemeinsam mit ihm seine Betreuungsvereinbarung und es wurde ihm ein neuer Kontrolltermin für den 26.5.2014 vorgeschrieben. Der Arbeitslose sprach von sich aus am 24.4.2014 persönlich beim AMS vor, stellte an diesem Tag den neuen Antrag und es wurde ihm Notstandshilfe ab dem 24.4.2014 zuerkannt. In seiner Beschwerde verlangte er die Zuerkennung ab dem 13.3.2014.

Das BVwG lehnte die Beschwerde gegen die negative Beschwerdevorentscheidung im Einklang mit der Judikatur des VwGH, der in diesen Fällen ausschließlich auf den Amtshaftungsweg verweist, ab.

Der VwGH hält in stRsp fest, dass § 46 AlVG, der die Geltendmachung des Anspruchs regelt, keine Berücksichtigung von Fällen zulasse, in denen eine arbeitslose Person durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des AMS die rechtzeitige Antragstellung versäumt. Zu § 17 Abs 4 AlVG, der im Einzelfall eine rückwirkende Zuerkennung eines Leistungsanspruches ermöglichen kann, führt der VwGH aus, dass kein Rechtsanspruch der arbeitslosen Person darauf bestehe, dass diese Norm zur Anwendung kommt. Der VwGH verweist in solchen Fällen in stRsp ausschließlich auf den Amtshaftungsweg (vgl VwGH2009/08/0290 vom 12.9.2012; VwGH2011/08/0041vom 23.5.2012; 2010/08/0156 vom 23.5.2012).

ERLÄUTERUNG

Das Judikat des BVwG entspricht, so unbefriedigend die Situation für alle Betroffenen auch sein mag, da solche Fälle in der Praxis immer wieder vorkommen, bezüglich der Normen des AlVG der herrschenden Auslegung. Für Leistungen aus der AlV gilt das Antragsprinzip. Zum materiell-rechtlichen Leistungsanspruch muss der Formalakt der Geltendmachung iSd § 46 Abs 1 AlVG (Ausfüllen und Abgeben des Antragsformulars beim AMS) hinzutreten. Die Abweisung der Beschwerde und die Zuerkennung des Notstandshilfeanspruchs ab 24.4.2014 entsprechen der Judikatur des VwGH zum AlVG.

Was an diesem Erk des BVwG aber auffällt, ist folgende Passage: „Der Umstand, dass er anlässlich seiner persönlichen Vorsprache am 07.03.2014 die ihm seitens der Mitarbeiterin des AMS übergebenen Formulare betreffend Betreuungsvereinbarung und Kontrolltermin ungelesen unterfertigt und somit die rechtzeitige Antragstellung versäumt hat, ist damit dem Beschwerdeführer zuzurechnen und vorzuwerfen. Aus der Aktenlage ist kein Hinweis hinsichtlich eines Verschuldens der Behörde ersichtlich. Auch aus der Beschwerde ergibt sich kein diesbezüglicher Anhaltspunkt.

Diese Feststellung steht im Widerspruch zur stRsp des VwGH, der die Vergabe von Kontrollter- minen gem § 49 AlVG zu einem Zeitpunkt, zu dem kein Leistungsanspruch besteht, als rechtswidrig beurteilt hat (vgl zB VwGH2009/08/0290 vom 12.9.2012 und VwGH2001/08/0227 vom 21.11.2002, wobei in diesen Erkenntnissen auch festgestellt wurde, dass bei den Betroffenen durch die Vorschreibung des Kontrolltermins außerhalb des Leistungsanspruches der Eindruck entstehen konnte, dass der Leistungsanspruch bis zu diesem Zeitpunkt aufrecht wäre und eine Antragstellung zum Zeitpunkt des Kontrolltermins rechtzeitig wäre).

§ 49 Abs 1 erster Satz iVm § 58 AlVG normiert die Verpflichtung des Arbeitslosen, sich zur Sicherung154des Anspruches auf Bezug von Notstandshilfe bei der örtlich zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Auch die ausgehändigte Terminkarte enthält unter der Überschrift WICHTIG! den diesbezüglichen Hinweis: „Durch die persönliche Wiederanmeldung und das Einhalten der gemeinsam vereinbarten Termine sichern Sie sich Ihre Ansprüche aus der Arbeitslosen- und Pensionsversicherung“ (Zitat).

Auch hielt der VwGH mit Erk vom 20.11.2002, 2002/08/0136 fest: „Es ist Sache des AMS, seine Organisation so zu gestalten, dass in jenen Fällen, in denen das Gesetz mit gutem Grund eine persönliche Vorsprache anordnet, diese Vorsprache so organisiert wird, dass sie den durch ihre Anordnung vom Gesetzgeber offenkundig intendierten Zweck erfüllen kann“.

Mit Erk des OGH1 Ob 30/12m vom 23.3.2012 (zur Amtshaftung iZm unrichtiger rechtlicher Beurteilung von Rechtsfragen) hielt dieser fest: Ein Abweichen von einer klaren Rechtslage oder der stRsp des zuständigen Höchstgerichts, das nicht erkennen lässt, dass es auf einer sorgfältigen und bei geforderter Schriftlichkeit auch begründeten Überlegung unter Auseinandersetzung mit der hRsp beruht, wird idR als rechtswidrig und schuldhaft zu beurteilen sein.

Das vorliegende Erk des BVwG setzt sich mit der stRsp des VwGH iZm der (rechtswidrigen) Kontrollterminvorschreibung nach Auslaufen der Leistung und mit der Rsp des OGH nicht auseinander. Wieso das BVwG meint, im Widerspruch zur zitierten höchstgerichtlichen Judikatur, davon ausgehen zu können, dass die Vorschreibung des Kontrolltermins für den 26.5.2014, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene seit 13.3.2014 nicht mehr im Leistungsbezug stand, rechtmäßig sein sollte und wieso das Versäumen der rechtzeitigen Antragstellung ausschließlich dem Beschwerdeführer zuzurechnen und vorzuwerfen sein sollte, bleibt damit unklar.