99Arbeitgeberkündigung aus rein fachlichen Gründen und nicht durch Betriebsänderung veranlasst, ist keine Beendigung iSd die Betriebsänderung abfedernden Sozialplans
Arbeitgeberkündigung aus rein fachlichen Gründen und nicht durch Betriebsänderung veranlasst, ist keine Beendigung iSd die Betriebsänderung abfedernden Sozialplans
Knüpft eine Sozialplanleistung an die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses an, löst ein bloßes Anbot des AN auf einvernehmliche Auflösung nach AG-Kündigung und Untätigbleiben des AG nicht den Anspruch auf die Sozialplanleistung aus. Eine AG-Kündigung aus disziplinären oder fachlichen Gründen erfolgt gerade nicht aufgrund der Betriebsänderung, die zum Abschluss des Sozialplans geführt hat, und fällt nicht in dessen Geltungsbereich.
Die klagende AN, die vom AG aus fachlichen Gründen gekündigt worden war, beanspruchte die in einem Sozialplan geregelte freiwillige Abfertigung in Höhe von drei Monatsentgelten. Die gegenständli-127che BV „Sozialplan“ knüpfte an die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses an, wobei die einvernehmliche Auflösung nicht in Abänderung einer AN-Kündigung zustande gekommen sein durfte.
Der Sozialplan sieht auch eine Pflicht des AG vor, von AN gewünschten einvernehmlichen Lösungen anstelle einer „geplanten“ AG-Kündigung zuzustimmen.
Die Kl wollte die vom AG ausgesprochene Kündigung in eine einvernehmliche Auflösung umwandeln lassen. Diesem „Angebot“ bzw dieser Forderung der AN kam der AG zwar nicht nach, die AN meinte aber, dass aufgrund der genannten Pflicht des AG, geplante Kündigungen in einvernehmliche Lösungen umzuwandeln, ihr die Sozialplan-Leistung zustünde.
Der OGH sah durch das abweisende Urteil des OLG Innsbruck keine erheblichen, durch die Vorjudikatur nicht beantworteten Rechtsfragen aufgeworfen und wies daher die außerordentliche Revision der AN ab.
„Nach dem eindeutigen Wortlaut der BV muss eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zustande gekommen sein. Die korrespondierende Bestimmung zum Anspruch auf drei Monatsentgelte sieht zwar eine Pflicht des Arbeitgebers vor, von Arbeitnehmern gewünschten einvernehmlichen Lösungen des Arbeitsverhältnisses anstelle einer ‚geplanten‘ Dienstgeberkündigung zuzustimmen. Dies ändert allerdings nichts am Erfordernis, dass die einvernehmliche Auflösung zustande gekommen sein, der Dienstgeber also zugestimmt haben muss. Aufgrund des ausdrücklichen Abstellens auf eine geplante Dienstgeberkündigung ist außerdem der Fall der Abänderung einer bereits ausgesprochenen Dienstgeberkündigung nicht erfasst. Jedenfalls kann der Dienstnehmer nach erfolgtem Ausspruch der Kündigung durch den Dienstgeber nicht lediglich ein Anbot auf einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses unterbreiten und es in weiterer Folge beim Untätigbleiben des Dienstgebers bewenden lassen. […]
Im Anlassfall wurde das Arbeitsverhältnis durch Dienstgeberkündigung – aus fachlichen Gründen – beendet; zu einer einvernehmlichen Vertragsauflösung ist es nicht gekommen.
Die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft sind in den Vorschriften des Arbeitsverfassungsgesetzes über die Betriebsverfassung abschließend und absolut zwingend geregelt. Betriebsverfassungsrechtliche Normen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen werden nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zugelassen. Darüber hinaus bestehen keine Regelungsbefugnisse der Belegschaft. Die Einräumung im Gesetz nicht vorgesehener Mitwirkungsrechte der Belegschaft bei Kündigung eines Arbeitsverhältnisses stellt dementsprechend eine unzulässige Erweiterung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats im Verhältnis zur Regelung des § 105 ArbVG dar. […]
Im Ergebnis bedeutet dies, dass nach dem zugrunde liegenden Sozialplan zwischen einer Dienstgeberkündigung aus disziplinären sowie aus fachlichen Gründen einerseits und einer Dienstgeberkündigung aus anderen Gründen andererseits zu unterscheiden ist. Eine Dienstgeberkündigung aus disziplinären oder – wie hier – aus fachlichen Gründen fällt nicht in den Anwendungsbereich des Sozialplans. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass eine Dienstgeberkündigung aus fachlichen Gründen gerade nicht aufgrund der Betriebsänderung erfolgt, die zum Abschluss des Sozialplans geführt hat.“
Ein Sozialplan ist eine BV in Betrieben mit mindestens 20 Beschäftigten über Maßnahmen, die die negativen Folgen einer Betriebsänderung gem § 109 Abs 1 ArbVG (zB Betriebs[teil]stilllegung) für die AN abfedern (§ 97 Abs 1 Z 4 ArbVG). Solche Sozialpläne können bei Nichteinigung über die Anrufung der Schlichtungsstelle erzwungen werden (§ 109 Abs 3 ArbVG). In vorliegendem Fall sollte der Sozialplan offenbar AN, deren Arbeitsplätze wegrationalisiert wurden, eine zusätzliche Abfertigung verschaffen. In den Geltungsbereich des Sozialplans fielen aber nur AN, deren Vertrag – ausgehend vom AG – einvernehmlich aufgelöst wurde. Freilich wurde der AG in der BV verpflichtet, den von im Zuge der Rationalisierung geplanten Kündigungen betroffenen AN die „Einvernehmliche“ auch anzubieten.
Der OGH stellte recht lapidar fest, dass die erforderliche einvernehmliche Lösung nicht vorlag und bestätigte damit die Klagsabweisung der zweiten Instanz. Warum setzte er sich nicht ausführlicher damit auseinander, ob der AG verpflichtet gewesen wäre, auch mit der Kl einvernehmlich aufzulösen? Einen Grund können wir nur vermuten, da der Sachverhalt dem kurzen Zurückweisungsbeschluss nur lückenhaft entnommen werden kann: Die Kündigung war schon erfolgt – lag also möglicherweise vor dem zeitlichen Geltungsbereich des Sozialplans.
Zweitens hat sich die AN nach der Nichtannahme ihres Wunsches nach der Umwandlung ihrer Kündigung in eine einvernehmliche Auflösung passiv verhalten: Der OGH stellt dazu fest, dass die allfällige Verpflichtung des AG zur Zustimmung zur einvernehmlichen Auflösung nicht mit einem automatischen Ersetzen der Zustimmung verwechselt werden dürfe. Wir dürfen aber wohl annehmen, dass der OGH – hätte der AG tatsächlich willkürlich seine128Pflicht verletzt, statt einer Rationalisierungskündigung die Einvernehmliche zu gewähren – trotz der Passivität der AN anders entschieden hätte.
Gegen eine derartige Pflichtverletzung spricht aber der dritte, entscheidende Grund: Die Unterinstanzen haben festgestellt, dass es sich eben gerade nicht um eine Rationalisierungskündigung, sondern eine Kündigung aus persönlichen („fachlichen“) Gründen gehandelt hat. Die BV gem § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG kann aber nur für die Folgen einer Betriebsänderung – also in unserem Fall Rationalisierungskündigungen –, nicht aber für in der Person der AN begründete Kündigungen wirksame Regelungen treffen. Das ist Ausfluss der Lehre vom „zweiseitig zwingenden“ Arbeitsverfassungsrecht, wonach durch BV dem BR keine über die gesetzlichen Kompetenzen hinausgehenden Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden können (vgl OGH 17.3.2005, 8 ObA 12/04d).
Für die Praxis ist jedenfalls zu empfehlen, dass die Betriebsvereinbarungsparteien bei der Abfassung und Textierung eines Sozialplans dessen persönlichen, sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich (uU auch Beendigungen im Vorfeld der Betriebsänderung berücksichtigen!) besonders sorgfältig formulieren sollten. Das beweiserhebende Gericht erster Instanz kann dann im Streitfall umso besser beurteilen, ob eine vom AG angestrebte oder ausgesprochene Beendigung von Ziel und Regelungszweck des Sozialplans umfasst ist.