139Freiwillige Versicherung, deren Leistungen nicht auf die Leistung aus einem anderen Mitgliedstaat angerechnet werden darf, liegt schon bei bloßer Möglichkeit der Aussetzung der Beitragszahlungen vor
Freiwillige Versicherung, deren Leistungen nicht auf die Leistung aus einem anderen Mitgliedstaat angerechnet werden darf, liegt schon bei bloßer Möglichkeit der Aussetzung der Beitragszahlungen vor
Die Kl, Frau Bouman, ist niederländische Staatsangehörige, die zunächst mit ihrem Mann, einem belgischen Staatsangehörigen, und nach dessen Tod im Jahr 1969 bis 1974 alleine in Belgien lebte. Ab 1.9.1969 erhielt sie eine belgische Hinterbliebenenrente. Im Jahr 1974 verlegte sie ihren Wohnsitz zurück in die Niederlande, wo sie Beiträge für die Algemene Oudersdomwet (AOW) (Anm: allgemeine Altersversorgung für niederländische Staatsangehörige mit Wohnsitz in den Niederlanden) leistete. Ab 2003 erhielt sie auf Antrag eine Befreiung von der Beitragspflicht nach AOW, was zu Folge hat, dass sie seit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters am 1.7.2007 eine unvollständige Altersrente aus der AOW erhält. Frau Bouman war nie erwerbstätig. Im Jahr 2009 teilte die belgische Behörde der Kl mit, dass die unvollständige niederländische Altersrente auf die belgische Hinterbliebenenrente angerechnet wird und forderte den seit 2007 entstandenen Überbezug zurück. Dagegen erhob Frau Bouman Klage.
Im Zuge des Verfahrens wurde die niederländische Sozialversicherungsbehörde (SVB) um Klarstellung ersucht, ob die AOW-Rente auf Zeiten einer freiwilligen Versicherung beruht, was in Anwendung von Art 46a Abs 3 Buchst c VO 1408/71 dazu führen165würde, dass keine Anrechnung der niederländischen AOW-Rente auf die belgische Hinterbliebenenrente erfolgen dürfte. Ein Vorabentscheidungsverfahren wurde eingeleitet.
Der EuGH verweist auf die Urteile Bosmann, C-352/06, EU:C:2088:290, und Hudzinski und Wawrzyniak, C-611/10 und C-612/10, EU:C:2012:339, nach denen die Bestimmungen der Koordinierungsverordnungen im Lichte des Art 48 AEUV so auszulegen sind, dass Wander-AN nicht deshalb Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verlieren oder geringere Leistungen erhalten dürfen, weil sie ihr Recht auf AN-Freizügigkeit ausgeübt haben. Nationale Antikumulierungsvorschriften dürfen es nicht verhindern, dass AN in den Genuss von Versicherungszeiten kommen, die sie nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats freiwillig zurückgelegt haben. Art 46a Abs 2 der VO 1408/71 muss daher weit ausgelegt werden. Nach der stRsp des EuGH erfasst der Begriff „freiwillige Versicherung“ alle Versicherungsarten, die ein Element der Freiwilligkeit enthalten, unabhängig davon, ob es sich um die Fortsetzung eines vorangegangenen Versicherungsverhältnisses handelt oder nicht. Der Umstand, dass die Kl automatisch in die niederländische Pflichtversicherung einbezogen wurde, allein führt nicht dazu, dass dieses Versicherungsverhältnis keine Elemente der Freiwilligkeit enthält. Die Möglichkeit, die Beitragszahlungen auf Antrag auszusetzen, bewirkt, dass auch jene Zeiten, die aus einer Beitragszahlung resultieren, deren Aussetzung nicht beantragt wurde, als Resultat einer freiwilligen Versicherung anzusehen sind. Beide Optionen stehen den Versicherten offen und haben jeweils entsprechende Auswirkungen auf die Höhe der Altersrente; diese Versicherung fällt daher unter den Begriff der freiwilligen Versicherung iSd Art 46 Abs 2 VO 1408/71. Der EuGH ist daher zur Auffassung gelangt, dass die niederländische Altersrente ausreichend Elemente der Freiwilligkeit enthält, um sie als freiwillige Leistung gem Art 46a Abs 3 VO 1408/71 qualifizieren zu können, was die Anwendung der belgischen Antikumulierungsvorschrift nach Unionsrecht unzulässig macht.166