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Ersatzruheanspruch wird durch außertourlichen Arbeitseinsatz während der letzten 36 Stunden der wöchentlichen Ruhezeit vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn ausgelöst

DORISLUTZ

Wird ein AN in den letzten drei Stunden vor seinem vorgesehenen Arbeitsbeginn der Folgewoche zu einem außertourlichen Arbeitseinsatz verpflichtet, hat er Anspruch auf Ersatzruhe. Die Berechnung des zu gewährenden mindestens 36 Stunden umfassenden Ruhezeitraums vor dem Ende der Wochen(end)ruhe bzw dem Arbeitsbeginn der Folgewoche hat vom vorgesehenen und nicht dem tatsächlichen Arbeitsbeginn aus zu erfolgen.

SACHVERHALT

Die Arbeitszeit eines AN war durch BV folgendermaßen festgelegt: Normalarbeitszeit Mo-Fr 7:00-15:30 Uhr mit einer Pause von 12:00-12:30 Uhr. An zwei Montagen hatte der AN außertourliche Inspektionsarbeiten von 7:00-5:30 Uhr vorzunehmen. Dafür erhielt der AN keine Ersatzruhe.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Berufungsgericht verpflichtete den AG, dem AN drei Stunden Ersatzruhe zu gewähren. Der OGH wies die Revision der AG zurück, da zur vorgelegten Frage hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatzruhe bereits oberstgerichtliche Judikatur vorliegt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[Die Revisionswerberin] vertritt vielmehr in ihrer Revision in Ablehnung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Ersatzruhe den Standpunkt, der außertourlich vorverlegte Arbeitsbeginn im Einzelfall, hier der tatsächliche Arbeitsbeginn des Klägers an den genannten beiden Tagen, sei der maßgebliche Zeitpunkt, von dem aus der in § 6 Abs 1 letzter Satz ARG festgelegte Zeitraum von 36 Stunden zurückzurechnen sei. Gehe man nämlich von 5:30 Uhr aus, dann sei die gesetzliche Dauer der Wochenendruhe von mindestens 36 Stunden beim Kläger nicht unterschritten worden.

Diese Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof aber bereits in der Entscheidung 9 ObA 164/91 verneint. Die Wochenendruhe hat mindestens 36 Stunden zu dauern und den ganzen Sonntag zu umfassen. Ein Anspruch auf Ersatzruhe entsteht gemäß § 6 Abs 1 ARG dann, wenn innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche während der wöchentlichen Ruhezeit (§ 2 Abs 1 Z 3 ARG) eine Arbeitsleistung erbracht wird. Es begründet nicht jede Arbeit während der aufgrund der Arbeitszeiteinteilung vorgesehenen Wochen-( end-)ruhezeit einen Ersatzruheanspruch, sondern gemäß § 6 Abs 1 letzter Satz ARG nur jene Arbeitsleistung während der Ruhezeit, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde.

Die Arbeitswoche im Sinne dieser Bestimmung beginnt nicht am Montag um 0:00 Uhr, sondern mit der Wiederaufnahme der Arbeit nach Ende der vorgesehenen Wochenruhezeit. Auf den tatsächlichen (und nicht den vorgesehenen) Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche ist nur dann abzustellen, wenn es zu einer generellen (wenn auch letztlich nur vorübergehenden) Festsetzung des Arbeitsbeginns gekommen wäre […]. Davon ist aber im Anlassfall – wie bereits oben erwähnt – nicht auszugehen […].“

ERLÄUTERUNG

In dieser E geht es um die Frage, von welchem Zeitpunkt aus („Arbeitsbeginn in der nächsten Woche“, § 6 Abs 1 zweiter Satz ARG) der ersatzruhepflichtige 36-stündige Zeitraum innerhalb der wöchentlichen Ruhezeit zurückzurechnen ist. Nur jene außertourlichen Arbeiten, die in den definierten 36-Stunden- Zeitraum fallen, lösen nämlich den Anspruch des AN auf Ersatzruhe (= bezahlte Dienstfreistellung im Ausmaß der Verletzung des 36-Stunden-Zeitraumes) aus.

Der OGH setzt sich in seiner E kritisch mit der von Schrank (Arbeitszeitgesetze2 § 6 ARG Rz 11) vertretenen „Zwei-Zeitkreise-Theorie“ auseinander. Nach dieser Theorie bilden die letzten 36 Stunden vor dem geplanten Arbeitsbeginn den ersten Kreis und die in §§ 3 und 4 ARG festgelegten Ruhezeiten (Mindestmaß von 36 Stunden Ruhezeit nach dem Arbeitsende vor der Ruhezeit einschließlich des Sonntags oder – bei Wochenruhe – eines ganzen anderen Wochentags) den zweiten Kreis. Und nur wenn die zu beurteilende Beschäftigung in jenen Bereich fällt, in dem die beiden Kreise sich überschneiden, ist Ersatzruhe zu gewähren. Diese Theorie käme im vorliegenden Fall zu der Lösung, dass der AN keine Ersatzruhe erhielte, weil der erste Kreis ja am Sonntag um 24:00 Uhr endet, die außertourliche Beschäftigung also nach dem Überschneidungsbereich liegt.

Der OGH stellt dem die Intention des Gesetzgebers entgegen. Da in § 3 ARG die Dauer der Wochenendruhe und in § 4 ARG jene der Wochenruhe als Mindestmaß geregelt werden, das zwar nicht unterschritten, aber selbstverständlich überschritten werden darf, stellt eine Vorverlegung des Arbeitsbeginns einen Eingriff in die individuell vorgesehene Wochen(end)ruhe dar und zwar auch dann, wenn sie mehr als 36 Stunden beträgt.

In dem vorliegenden Judikat wird eindeutig klargestellt, dass jeglicher Eingriff in diese individuell zu-131stehende Wochen(end)ruhe – sofern sie nicht durch eine generelle Verlagerung des Arbeitsbeginns hervorgerufen und wenn dieser Eingriff in den letzten 36 Stunden vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erfolgt ist – einen Ersatzruheanspruch auslöst.

Nur dieses Ergebnis wird dem im ARG erkennbaren Ziel des Gesetzgebers, den AN vor beliebigen Verschiebungen der Arbeits- und Ruhezeiten zu schützen, gerecht.