38Motivkündigung wegen Geltendmachung der Fürsorgepflicht bei Mobbing
Motivkündigung wegen Geltendmachung der Fürsorgepflicht bei Mobbing
Die Anfechtung einer Kündigung wegen eines verpönten Motivs ist in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG geregelt. Die dort aufgezählten verpönten Motive würden ohne ausdrückliche Erwähnung grundsätzlich zur Sittenwidrigkeit und damit zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führen. Im Anwendungsbereich der speziellen Kündigungsbestimmungen des § 105 ArbVG ist die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 879 ABGB somit ausgeschlossen.
Wird in der Klage geltend gemacht, dass der eigentliche Grund der Kündigung darin gelegen sei, dass die Kl ihre Vorgesetzten aufgefordert habe, sie vor unberechtigten Mobbing-Angriffen anderer AN zu schützen, wird das Vorliegen einer gem § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG unzulässigen „Motivkündigung“ geltend gemacht.
Geht aus dem Klagevorbringen hervor, dass der Sachverhalt von der Kl offenbar rechtlich unrichtig qualifiziert wurde, so ist dies bedeutungslos. Nur dann, wenn das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt wurde, was im Zweifel nicht anzunehmen ist, ist es dem Gericht nach der hRsp verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben.
Die Kl war [...] bei der Bekl beschäftigt. Die Bekl kündigte ihr Arbeitsverhältnis [...] auf. Die Kl begehrt mit ihrer Klage, diese Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. Hilfsweise begehrt sie die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zur Bekl über den [...] hinaus aufrecht fortbesteht. Die Kündigung sei sozialwidrig iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG. Sie sei aber auch sittenwidrig gem § 879 ABGB bzw diskriminierend iSd Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG). Die Kündigung sei nämlich nicht wegen vermeintlich überhöhter Krankenstände ausgesprochen worden. Ihr eigentlicher Grund liege darin, dass die Kl die Bekl aufgefordert habe, sie vor unberechtigten Mobbing-Angriffen insb zweier anderer Mitarbeiter der Bekl zu schützen. Anstelle ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen, habe die Bekl die Kl gekündigt, um damit ein Exempel zu statuieren und gleichzeitig die am Arbeitsplatz bestehenden Spannungsverhältnisse zu lösen. [...]
Das Erstgericht gab dem Anfechtungsbegehren statt. Aufgrund der von ihm zu diesem Anfechtungsgrund getroffenen Feststellungen verneinte es die Sozialwidrigkeit der Kündigung. Eine Kündigungsanfechtung könne aber auch auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht gestützt werden, wenn der AG den Gekündigten nicht vor Mobbing schütze, sondern die Kündigung des Gemobbten ausgesprochen habe. Dies entspreche zwar keinem Tatbestand nach dem GlBG, jedoch sei in diesem Fall die Kündigung gem § 879 ABGB sittenwidrig. Dazu ging es in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass die Kl über längere Zeit von zwei Mitarbeitern der Bekl am Arbeitsplatz schikaniert worden sei, weshalb sie sich an die Bekl um Abhilfe gewandt habe. Die Bekl habe jedoch lediglich die Beteiligten aufgefordert, ihre Konflikte selbst zu lösen und keine effiziente Abhilfe angeboten. Sie habe die Kl gekündigt, weil diese nur einen „normalen Arbeitsvertrag“ habe und nicht Beamtin sei, und weil durch die Entfernung der gemobbten Kl der Konflikt beseitigt werden sollte. Unter Hinweis auf diese Feststellungen (deren Wiedergabe im Detail für das derzeitige Verfahrensstadium nicht von Bedeutung ist) erachtete das Erstgericht die Kündigung als sittenwidrig und das Klagehauptbegehren als berechtigt.280
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der Bekl im klageabweisenden Sinn ab. Die Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG setze eine rechtswirksame Kündigung voraus und sei mit Gestaltungsklage geltend zu machen, während die Sittenwidrigkeit einer Kündigung nach § 879 ABGB mit einer Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis weiterhin aufrecht fortbesteht, geltend zu machen sei. Die Kl habe den Streitgegenstand ihres Hauptklagebegehrens eindeutig bestimmt: Ihr Hauptklagebegehren – die Anfechtung der Kündigung – habe sie ausschließlich auf Sozialwidrigkeit gestützt. Insofern sei die Abweisung des Klagebegehrens „unangefochten in Rechtskraft“ erwachsen. Hingegen habe die Kl das Feststellungseventualbegehren auf § 879 ABGB bzw anfangs auch auf eine – allerdings im Berufungsverfahren nicht geltend gemachte – Diskriminierung nach dem GlBG gestützt. Dem Feststellungsbegehren komme aber keine Berechtigung zu, weil sich die Kl im (hier unstrittig gegebenen) Anwendungsbereich des § 105 ArbVG nicht auf § 879 ABGB berufen könne. Mit ihrem Vorbringen, dass ihre Kündigung aus Anlass der Geltendmachung der Fürsorgepflicht des AG erfolgt sei, mache sie inhaltlich den Anfechtungsgrund des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG geltend. Die Kl habe die Kündigung aber nicht wegen eines verpönten Motivs angefochten. Eine Umdeutung des Feststellungsbegehrens komme nicht in Frage, weil dies die Behauptung der Kl voraussetzen würde, dass die Kündigung wirksam gewesen sei. Im Zusammenhang mit dem von ihr geltend gemachten Motiv behaupte die Kl aber im Gegenteil die Nichtigkeit der Kündigung. [...]
Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts korrekturbedürftig ist. Sie ist iSd subsidiären Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[...]
1. [...]
2. Die Anfechtung einer Kündigung wegen eines verpönten Motivs ist in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG geregelt. Die dort aufgezählten verpönten Motive würden ohne ausdrückliche Erwähnung grundsätzlich zur Sittenwidrigkeit und damit zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führen. Lehre und Rsp leiten daraus ab, dass im Anwendungsbereich der speziellen Kündigungsbestimmungen des § 105 ArbVG die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 879 ABGB ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0018163; Wolligger in ZellKomm2 § 105 ArbVG Rz 80).
3. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung vom Kl gemeint ist (RIS-Justiz RS0037440). Nach der herrschenden, aus § 226 ZPO abgeleiteten zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie wird der prozessuale Begriff des Streitgegenstands durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung erforderlichen, vorgebrachten Tatsachen (rechtserzeugender Sachverhalt) bestimmt (RIS-Justiz RS0037522; RS0039255). Klagegrund ist das tatsächliche Vorbringen, nicht die rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens (RIS-Justiz RS0037551; RS0037447). Geht aus dem Klagevorbringen hervor, dass der Sachverhalt vom Kl offenbar rechtlich unrichtig qualifiziert wurde, so ist dies bedeutungslos (RIS-Justiz RS0058348; RS0058336). Nur dann, wenn das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt wurde, was im Zweifel nicht anzunehmen ist, ist es dem Gericht nach der hRsp verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (RIS-Justiz RS0037610 [T36 und T43]).
4. Die Kl hat in ihrer Klage geltend gemacht, dass der eigentliche Grund der Kündigung darin gelegen sei, dass sie ihre Vorgesetzten aufgefordert habe, sie vor unberechtigten Mobbing-Angriffen anderer (namentlich genannter) Mitarbeiter ihrer Abteilung zu schützen. Anstatt ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen, habe die Bekl die Kl aber – der Einfachheit halber – gekündigt. In diesem Zusammenhang behauptete sie ausdrücklich, dass die Kündigung „aus gänzlich unsachlichen und insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven
“ erfolgt sei. Mit diesem Vorbringen macht die Kl aber – wovon ja auch das Berufungsgericht ausgeht – inhaltlich die Sittenwidrigkeit der aus einem verpönten Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG erfolgten Kündigung geltend. Nach dieser Bestimmung ist der AN zur Anfechtung der Kündigung berechtigt, sofern der AG den AN wegen einer offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom AG in Frage gestellter Ansprüche kündigt (vgl Wollinger in ZellKomm2 § 105 ArbVG Rz 126 ff). Unter „Ansprüchen“ iS dieser Bestimmung sind alle Ansprüche zu verstehen, die sich unmittelbar aus der Stellung des AN im aufrechten Arbeitsverhältnis ergeben. Darunter sind nicht nur finanzielle arbeitsrechtliche Ansprüche zu verstehen, sondern auch sonstige Leistungs- und Unterlassungsansprüche (Gahleitner in
5. Die Kl hat daher ihr Klagebegehren mit Sachvorbringen begründet, das grundsätzlich sowohl Grundlage einer Anfechtung nach § 879 ABGB als auch einer Anfechtung nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG sein konnte und hat – da auf ihr Dienstverhältnis unstrittig die Anfechtungsbestimmungen des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG zur Anwendung kommen – mit ihrer Berufung auf § 879 ABGB den von ihr vorgetragenen Sachverhalt unrichtig qualifiziert, was ihr aber iSd oben wiedergegebenen Rsp nicht schadet. Eine ausdrückliche und ausschließliche Beschränkung der Klage auf den Rechtsgrund des § 879 ABGB ist dem Vorbringen der Kl in keiner Weise zu entnehmen.
6. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Klage keine zweifelsfreie Zuordnung der Begehren zu den einzelnen Teilen des Klagevorbringens zu entnehmen. Gerade im Verfahren über Kündigungsanfechtungen entspricht es der Gerichtserfahrung, dass Kl häufig aus prozessualer Vorsicht eventualiter mehrere von ihnen als in281 Betracht kommend gewertete Klagebegehren erheben. Im Zusammenhang mit dem gesamten dazu erstatteten Sachvorbringen der Kl ist daher davon auszugehen, dass die Kl das Klagehauptbegehren auch auf ein verpöntes Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG gestützt hat.
7. Damit erweist sich die Revision als berechtigt. Das Berufungsgericht wird neuerlich über die Berufung der Kl zu entscheiden haben, weil es sich ausgehend von seiner vom OGH nicht geteilten Rechtsauffassung noch nicht mit den in der Berufung geltend gemachten Mängel- und Beweisrügen auseinandergesetzt hat. [...]
Ein wesentlicher Schwerpunkt der vorliegenden E liegt in der Lösung von zivilprozessualen Problemen iZm dem Begriff des Streitgegenstandes. Auf diese – für die gerichtliche Praxis nicht unerheblichen – Fragestellungen wird am Beginn dieser Besprechung eingegangen. Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Kommentierung soll aber primär auf die materiell-rechtliche Bedeutung dieser E Bezug genommen werden.
Diese besteht im Wesentlichen aus folgenden Themen:
Sittenwidrigkeit von Kündigungen,
Verhältnis Sittenwidrigkeit zu Motivkündigung,
Motivkündigung wegen Geltendmachung der Fürsorgepflicht bei Mobbing.
Die Aussagen des OGH in dieser E sind angesichts bisheriger Stellungnahmen in Judikatur und Literatur nicht überraschend. Dennoch darf die Klarstellung gerade für dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ähnlich gelagerte Fallkonstellationen nicht unterschätzt werden, weshalb einige weiterführende Überlegungen angebracht sind.
Nach hM handelt es sich beim Streitgegenstand nicht um den von der Kl (zur besseren Lesbarkeit des folgenden Textes wurde jeweils nur die weibliche Form gewählt; diese schließt jedoch die männliche mit ein) behaupteten materiell-rechtlichen Anspruch, sondern um einen rein prozessualen Begriff. Dieser besteht aus dem Klagebegehren und dem Klagegrund, somit aus dem Urteilsantrag und den Tatsachenbehauptungen, auf welche sich dieser Antrag gründet (zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff, siehe Rechberger/Klicka in
Ausgehend von dieser Judikatur ist der OGH im konkreten Fall zum Ergebnis gelangt, dass lediglich eine offenbar unrichtige rechtliche Qualifikation des ausreichend vorgebrachten Sachverhaltes durch die Kl vorliegt. Da die Klage nicht „ausdrücklich und ausschließlich“ auf den Rechtsgrund des § 879 ABGB beschränkt und richtigerweise ein Anfechtungsbegehren erhoben wurde, war das Vorliegen einer Motivkündigung zu prüfen.
Gem § 1295 Abs 2 ABGB haftet, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt; wenn dies in Ausübung eines Rechtes geschieht, jedoch nur dann, wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck hat, die andere zu schädigen. Unter „gute Sitten“ wird dabei der „Inbegriff des im Gesetz zwar nicht ausdrücklich ausgesprochenen Rechts, das sich jedoch aus der richtigen Betrachtung der rechtlichen Interessen ergibt
“, verstanden. Die guten Sitten umfassen sowohl die allgemeinen Rechtsprinzipien als auch die allgemein anerkannten Normen der Ethik (Koziol, Haftpflichtrecht II2 [1984] 95 mwN). Das Verhalten muss, um sittenwidrig iSd § 1295 Abs 2 ABGB zu sein, Grundprinzipien der Rechtsordnung widersprechen (Reischauer in
das mit der Rechtsausübung verbundene Interesse bzw der damit verbundene Zweck verwerflich ist (Schikane bzw schikaneähnliche Tatbestände); weil geschützte Ausübungsinteressen fehlen bzw die Rechtsausübung zweckwidrig ist; weil ein krasses Missverhältnis der beteiligten Interessen zugunsten dessen besteht, der sich auf sein Recht beruft; oder weil der Erwerb eines Rechts oder einer tatsächlichen Position mit Rechtsfolgen missbilligt wird; oder weil der Handelnde ein widersprüchliches Verhalten setzt oder sein missbilligtes Verhalten die Verwirkung seines Rechts erfordert“ (Krejci in
Kündigungen eines Dienstverhältnisses können unter bestimmten Voraussetzungen wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein (zur Nichtigkeit von Kündigungen siehe bspw Engelbrecht in
„Gänzlich unsachliche Motive“ waren bei dem der vorliegenden E zugrunde liegenden Sachverhalt gegeben (das Motiv lag in der Geltendmachung der Fürsorgepflicht durch die AN).
Nach hM ist die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit nach § 879 ABGB grundsätzlich ausgeschlossen, soweit die speziellen Kündigungsschutzbestimmungen des ArbVG anzuwenden sind (Wolligger in
Da der vorgebrachte Sachverhalt – wie der OGH zu Recht festhielt – als Motivkündigung zu werten ist, scheidet im konkreten Fall eine Berufung auf Sittenwidrigkeit aus.
Eine auch heute noch sehr gebräuchliche Definition des Begriffs „Mobbing“ stammt vom deutschschwedischen Mobbingforscher Heinz Leymann: „Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist (1) und von einer oder einigen Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.
“ (Leymann, Der neue Mobbing-Bericht [1995] 18; zu weiteren Definitionen siehe bspw Kolodej, Mobbing-Psychoterror am Arbeitsplatz und seine Bewältigung2 [2005] 21 mwN). Welchem Ansatz man nun letztlich folgt, kennzeichnend ist jedenfalls die Systematik der Schikanen (im Gegensatz zum zufälligen, anlassbezogenen Konflikt), verbunden mit einer gewissen Häufigkeit und Dauer der Handlungen. Verfolgt wird die Isolation und schließlich der Ausschluss der gemobbten Person, sei es von einem speziellen Tätigkeitsfeld, sei es aus dem Unternehmen oder der Organisation zur Gänze (Smutny/Hopf, Mobbing – auf dem Weg zum Rechtsbegriff?DRdA 2003, 110).
Die AG ist aufgrund ihrer Fürsorgepflicht angehalten, Mobbing abzustellen, um ihre AN vor entsprechenden Beeinträchtigungen zu bewahren. Sie ist jedenfalls verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln und das Mobbing umgehend und wirksam abzustellen, um ihre AN vor entsprechenden283 Beeinträchtigungen zu bewahren. Dazu stehen ihr grundsätzlich das gesamte „Instrumentarium“ arbeitsrechtlicher Sanktionen zur Verfügung (je nach Einzelfall Ermahnung/Verwarnung, Versetzung, Kündigung und Entlassung). Gerade in einem frühen Stadium können weiters diverse Mechanismen der Streitschlichtung bzw Konfliktregelung die Problemsituation lösen. Sie ist jedenfalls angehalten, geeignete Maßnahmen zu treffen, wobei dies je nach Schwere des Verstoßes bzw den jeweiligen Umständen des Einzelfalles (beteiligte Personen, Ursachen und Auswirkungen der Belästigung, etc) differenziert zu betrachten ist. Weiters muss die getroffene Maßnahme verhältnismäßig sein, dh das am wenigsten eingriffsintensive Mittel, das zum Erfolg führt (Majoros, Mobbing, Belästigung und andere unerwünschte Verhaltensweisen am Arbeitsplatz [2010] 93 ff und 124 ff, jeweils mwN; Kolodej/Majoros, Mobbing und die Fürsorgepflicht des/der Arbeitgeber/in, DRdA 2010, 157). Die AG ist verpflichtet, unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen (OGH9 ObA 131/11xDRdA 2013/35 [Smutny] = ZAS 2013/46 [Pirker]).
Leider kommt es immer wieder vor, dass AN gerade dann, wenn sie wegen Mobbinghandlungen anderer AN die AG um Unterstützung bitten, als vermeintlicher „Störenfried“ gekündigt werden. Eine derartige Kündigung kann als „Motivkündigung“ iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG (Kündigung wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung von der AG in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch die AN) anfechtbar sein. Unter „Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ sind nicht nur finanzielle Ansprüche, sondern auch sonstige Leistungs- bzw Unterlassungsansprüche, wie zB Gewährung des Urlaubsanspruches oder Unterlassung einer gesetzwidrigen Überstundenanordnung zu verstehen. Die Geltendmachung ist an keinerlei Formvorschriften gebunden, sie kann mündlich, schriftlich, aber auch konkludent erfolgen (Gahleitner in
Mit der Formulierung, dass die Ansprüche von der AG „in Frage gestellt“ sein müssen, verlangt das Gesetz einen „zumindest vorübergehend existenten Nichterfüllungswillen des AG
“ (Schrank in
wenn die AG das Bestehen des Anspruchs bezweifelt oder aber dem Verlangen des AN nicht nachgeben will“ (Trost in
auf ein entsprechendes Vorbringen des AN nicht reagiert oder einfach schlichtweg die Verpflichtungen nicht erfüllt“ (Wolligger in
Wird somit von der AN (zumindest schlüssig) die Einhaltung der Fürsorgepflicht eingefordert und ist diese Einforderung das Motiv für die von der AG ausgesprochene Kündigung, liegt eine anfechtbare „Motivkündigung“ vor.284