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Ablehnung einer Betriebspensionszusage bei Betriebsübergang

MARTINACHLESTIL

Das durch den Veräußerer auszuübende Sonderkündigungsrecht gem § 31 Abs 7 ArbVG für den Fall der aufnehmenden Übernahme eines Betriebs oder Betriebsteils gibt dem Erwerber die Möglichkeit, Pensionszusagen des Veräußerers nicht übernehmen zu müssen. Im Anwendungsbereich des § 31 Abs 7 ArbVG ist der Erwerber daher berechtigt, durch rechtzeitigen Vorbehalt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 AVRAG (analog) die nachwirkende betriebliche Pensionszusage abzulehnen. Der AN hat daraufhin die Möglichkeit, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber gem § 3 Abs 4 AVRAG zu widersprechen oder die Ansprüche auf Abfindung gem § 5 Abs 2 AVRAG geltend zu machen.

Die aus einer „freien BV“ entstandenen geldwerten Vorteile finden Eingang in den Arbeitsvertrag der AN, so dass die daraus entstandenen Verpflichtungen gem § 3 Abs 1 AVRAG auf den Erwerber übergehen.

SACHVERHALT

Die kl AN war seit 1.2.2007 bei der zweitbekl AG (Veräußerin), einem Flugunternehmen, als Ground-Hostess in der Bodenabfertigung auf einem Flughafen beschäftigt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses gelangten für die kl AN ua eine Pensionskassen-BV (BV K 01) und eine freie BV über eine Freiflugregelung für Privatreisen (BV K 08) – die AN konnten Flugtickets zu reduzierten Preisen von der AG aber aufgrund entsprechender Abkommen auch von anderen Fluglinien erwerben – zur Anwendung.

Mit 1.5.2012 verkaufte die Veräußerin den Teilbetrieb, in dem auch die AN beschäftigt war, an die erstbekl AG (Erwerberin), eine Flughafenbetreibergesellschaft, von deren Betrieb der verkaufte Teilbetrieb aufgenommen wurde. Es handelte sich dabei um einen Teilbetriebsübergang nach § 3 Abs 1 AVRAG, und die kl AN ist seit diesem Zeitpunkt AN der Erwerberin.

Bei der Erwerberin besteht keine Betriebspensionsregelung, auch lehnte sie im Rahmen der mit der Veräußerin geführten Verkaufsgespräche eine Übernahme der Betriebspensionsansprüche der von ihr aufzunehmenden Mitarbeiter aufgrund wirtschaftlicher Probleme ab. Mit Schreiben vom 14.3.2012 kündigte daher die Veräußerin die Pensionskassen-BV194 (BV K 01) für alle vom Teilbetriebsverkauf betroffenen Mitarbeiter unter Inanspruchnahme ihres Sonderkündigungsrechts nach § 31 Abs 7 ArbVG auf.

Sowohl die Veräußerin als auch die Erwerberin informierten die übergehenden Mitarbeiter, dass nach dem Betriebsübergang die Pensionskassen-BV (BV K 01) wegfallen würde. Dasselbe galt für die die freie BV über die Freiflüge (BV K 08), auch diese sollte nach dem Betriebsübergang nicht weiter zur Anwendung gelangen.

Die kl AN erhob nicht den ihr gem § 3 Abs 4 offen stehenden Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin und machte auch nicht den Abfindungsanspruch für den Wegfall der betrieblichen Pensionszusage gem § 5 Abs 2 AVRAG gegenüber der Veräußerin geltend. Stattdessen klagte die AN ua auf Feststellung, dass die Pensionskassen-BV gegenüber der Erwerberin aufrecht bestehe und diese daher die Beiträge in die Pensionskasse weiter zu entrichten habe. Weiters habe sie die Ansprüche aus der freien Freiflug-BV zu erfüllen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Der OGH gab im Ergebnis den Vorinstanzen folgend den Begehren der kl AN iZm der Betriebspensionsregelung nicht statt, anerkannte jedoch in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen das Klagebegehren hinsichtlich der Freiflugregelung.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 1. Zur Pensionskassen-Betriebsvereinbarung BV K 01:

[…] 1.6 Ausgehend von der dargestellten historischen Entwicklung kann nach Ansicht des erkennenden Senats kein Zweifel darüber bestehen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Sonderkündigungsrechts gemäß § 31 Abs 7 ArbVG für Betriebsvereinbarungen – insbesondere auch solche gemäß § 97 Abs 1 Z 18a ArbVG – mit der Novelle BGBl 1993/460 die Absicht verfolgte, (Teil-)Betriebsübergänge zu erleichtern, indem er die – mit der RL 77/187/EWG übereinstimmende – Möglichkeit eröffnete, dass der Erwerber mit solchen Betriebsvereinbarungen nicht belastet wird. Die diesbezügliche Privilegierung von Betriebsübergängen ist auch daraus ersichtlich, dass mit § 31 Abs 7 ArbVG gerade auch für ‚Altarbeitnehmer‘ die Möglichkeit der (Teil-)Kündigung einer Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 18a ArbVG eröffnet wurde, die sonst nach der – nur wenige Jahre zuvor eingeführten – Bestimmung des § 97 Abs 4 ArbVG gerade verhindert werden sollte. […]

1.6.3 Es ist zu beachten, dass der Gesetzgeber das Sonderkündigungsrecht des § 31 Abs 7 ArbVG gemeinsam mit der Schaffung des AVRAG beschlossen hat. Nach § 5 Abs 1 Satz 2 AVRAG kann der Erwerber – wenn wie im vorliegenden Fall keine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt – die Übernahme einer auf einzelvertraglicher Zusage beruhenden betrieblichen Pensionszusage ablehnen. Im Fall der Ablehnung steht dem Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht gemäß § 3 Abs 4 AVRAG offen. In jedem Fall des Wegfalls einer betrieblichen Pensionszusage infolge eines Betriebsübergangs – daher auch bei Wegfall einer Betriebsvereinbarung als Grundlage einer solchen Zusage – gilt die Abfindungsregelung des § 5 Abs 2 AVRAG (1077 BlgNR XVIII. GP 13).

1.6.4 Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des Sonderkündigungsrechts gemäß § 31 Abs 7 ArbVG für den dort geregelten Fall der aufnehmenden Übernahme eines Betriebs oder Betriebsteils somit den Zweck verfolgt, dem Erwerber die Möglichkeit zu geben, Pensionszusagen des Veräußerers nicht übernehmen zu müssen, wofür das durch § 5 AVRAG geregelte Instrumentarium zur Anwendung gelangen sollte, das insbesondere auch dann, wenn eine Betriebspensionszusage auf kollektivrechtlicher Grundlage beruht, die Sicherung der bisher erworbenen Anwartschaften des Arbeitnehmers gemäß § 5 Abs 2 AVRAG vorsieht. Die auch vom Gesetzgeber in den Materialien genannte (gewöhnliche) Nachwirkung der gekündigten Betriebspensions-Betriebsvereinbarung ermöglicht dem Arbeitnehmer im Fall der Ablehnung der Übernahme durch den Erwerber die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 3 Abs 4 AVRAG. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Regelung ist jedoch vom Wortlaut des § 5 Abs 1 AVRAG nicht umfasst, der nur auf Einzelvereinbarung beruhende betriebliche Pensionszusagen nennt. Im Hinblick auf die dargestellte klare gesetzgeberische Absicht ist jedoch von einer planwidrigen Unvollständigkeit der Regelung des § 5 Abs 1 AVRAG auszugehen, sodass deren Anwendung auf den hier vorliegenden Fall im Weg der Analogie geboten und zulässig erscheint. Im Anwendungsbereich des § 31 Abs 7 ArbVG ist der Erwerber daher berechtigt, durch rechtzeitigen Vorbehalt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 AVRAG auch eine solche betriebliche Pensionszusage abzulehnen. Die Möglichkeit der Geltendmachung der Ansprüche gemäß § 5 Abs 2 AVRAG durch die betroffenen Arbeitnehmer auch in diesem Fall steht im Einklang mit der (nunmehr) nach Art 3 Z 4 lit b RL 2001/23/EG gebotenen Sicherung der bis zum Übergang erworbenen Anwartschaften. […]

3. Zur ‚Freiflugregelung‘, BV K 08:

3.1 Zwischen den Parteien ist im Revisionsverfahren nicht strittig, dass es sich bei der BV K 08 um eine sogenannte ‚freie Betriebsvereinbarung‘ handelt. Die Regelungen einer solchen entfalten zwar keine kollektivrechtlichen Wirkungen, sie können jedoch als Vertragsschablone ausdrücklich oder durch dauernde Anwendung konkludent zum Inhalt der Einzelarbeitsverträge werden (Reissner in ZellKomm2 § 29 ArbVG Rz 21; RIS-Justiz RS0018115). […]

Regelungen einer ‚freien Betriebsvereinbarung‘ werden, sofern sie zum Inhalt der Einzelarbeitsverträge geworden sind, bereits nach § 3 Abs 1 AVRAG übergeleitet (Binder, AVRAG2 § 4 Rz 42).195

3.2 Nach der BV K 08 gewährte die Zweitbeklagte ihren Arbeitnehmern Freiflüge und Flugermäßigungen entsprechend dem in der BV K 08 festgesetzten Ausmaß. Es ist nun entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es der Erstbeklagten nicht möglich sein sollte, der Klägerin diese Leistungen ebenfalls zukommen zu lassen. Nach der BV K 08 ist es nicht erforderlich, dass die Erstbeklagte die dort den Arbeitnehmern gewährten Leistungen selbst erbringen können muss, die Klägerin konnte auch Flüge mit anderen Fluglinien in Anspruch nehmen. […]

Einer weiteren Vertiefung des Themas der Unmöglichkeit bedarf es nicht, weil das bloße Abstellen auf den Umstand, dass die Erstbeklagte kein Luftfahrtunternehmen sei, weder eine ursprüngliche Unmöglichkeit noch ein nachträgliches Unmöglichwerden schlüssig darlegt. Eine der faktischen Unmöglichkeit allenfalls gleichzuhaltende Unerschwinglichkeit der Leistung (RIS-Justiz RS0034063) hat die Erstbeklagte zutreffend nicht behauptet. […]

3.4 Die aus der BV K 08 entstandenen geldwerten Vorteile (9 ObA 2019/96v; RIS-Justiz RS0021616) fanden daher Eingang in den Arbeitsvertrag der Klägerin, sodass die daraus entstandenen Verpflichtungen gemäß § 3 Abs 1 ArbVG auf die Erstbeklagte übergegangen sind.“

ERLÄUTERUNG

Wenn ein Erwerber einen Betrieb oder Betriebsteil aufnimmt, so dass der aufgenommene Betrieb(steil) im Erwerberbetrieb aufgeht, also seine Identität verliert, dann besteht betreffend Betriebsvereinbarungen über betriebliche Pensionsleistungen (ausgestaltet als direkte Leistungszusage, Leistung einer Pensionskasse oder Leistung einer betrieblichen Kollektivversicherung) gem § 31 Abs 7 ArbVG ein „Sonderkündigungsrecht“: Der Veräußerer des Betriebs(teils) kann eine solche Betriebspensions-BV für die übergehenden AN unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist kündigen. Dieses Kündigungsrecht mit verkürzter Kündigungsfrist soll ermöglichen, dass bei der Eingliederung von Betriebsteilen in bestehende Betriebe möglichst rasch über bisher bestehende Betriebspensionsvereinbarungen der übernommenen AN disponiert werden kann. Dh aber auch, dass für die vom Übergang nicht betroffenen AN des Veräußerers die Pensions-BV voll aufrecht bleibt.

Wird eine BV gekündigt, wirkt sie gem § 32 Abs 3 nach: Sie gilt für die betroffenen AN weiter, solange nicht eine neue BV oder aber auch Einzelvereinbarung (!) zu diesem Thema abgeschlossen wird.

Bislang war das weitere Schicksal der gekündigten Pensions-BV umstritten. Ein Teil der Lehre behauptete, dass in diesem Sonderfall überhaupt keine Nachwirkung eintrete, damit der Erwerber in keiner Weise mit der Pensionsregelung konfrontiert werde; andere bejahten die Bindung des Erwerbers an die Nachwirkung – dieser müsse eben eine Änderung durch Einzel- oder BV anstreben, wenn er die Pension nicht wolle; und die dritte Position wollte das Ablehnungsrecht des Erwerbers nach § 5 Abs 1 AVRAG auch auf unsere Fallkonstellation anwenden. Gem § 5 Abs 1 AVRAG kann nämlich der Erwerber durch rechtzeitigen Vorbehalt die Übernahme einer einzelvertraglichen Pensionszusage ablehnen. (Beachte: Diese Möglichkeit besteht nicht bei der sog Gesamtrechtsnachfolge, bei der der Erwerber in alle Rechte und Pflichten des Veräußerers eintritt [wie etwa bei der Verschmelzung oder Spaltung von Gesellschaften oder der Erbschaft], denn in diesem Fall hat der Erwerber die einzelvertragliche Pensionszusage ohnehin zu übernehmen.)

Der OGH hat sich nun der letztgenannten Position angeschlossen. Zwar sei die Nachwirkung – deren Eintritt er jedenfalls bestätigt! – nicht dasselbe wie die einzelvertragliche Zusage einer Betriebspension, sie wirkt im Ergebnis aber so: In die Nachwirkung kann ja so wie in einen Einzelvertrag einzelvertraglich eingegriffen werden. Daher wendet er § 5 Abs 1 AVRAG im Weg der Analogie auch auf diese Fallkonstellation an.

Welche Möglichkeiten haben nun die betroffenen AN? Wenn der Erwerber (bei Einzelrechtsnachfolge) die Übernahme einer einzelvertraglichen Pensionszusage ablehnt, so besteht für den AN ein Wahlrecht: Er kann gem § 5 Abs 2 AVRAG dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen mit der Folge, dass sein Arbeitsverhältnis inklusive Pensionszusage zum bisherigen AG aufrecht bleibt. Er kann aber auch beim Erwerber trotz Nichtübernahme der Pensionszusage im Rahmen seines übernommenen Arbeitsverhältnisses weiterarbeiten und hat dann Anspruch auf die grundsätzlich vom Veräußerer zu leistende Anwartschaftsabfindung, die im Regelfall wesentlich höher ist als der ansonsten bei AG-Kündigung zustehende Unverfallbarkeitsbetrag.

Deutlich hat der OGH festgehalten, dass „freie Betriebsvereinbarungen“ als Vertragsschablone ausdrücklich oder durch dauernde Anwendung konkludent zum Inhalt der Einzelarbeitsverträge werden und gem § 3 Abs 1 AVRAG auf den Erwerber übergehen. Der Erwerber hat im vorliegenden Fall den übernommenen AN die vom ehemaligen AG (Veräußerer) gewährten Leistungen (Freiflüge) ebenfalls zukommen zu lassen. Auf die Unmöglichkeit der Leistungserbringung kann sich der Erwerber nicht berufen, ist doch nach den Regelungen in der freien BV nicht erforderlich, dass der AG die Leistungen selbst erbringen können muss. Ein Zukauf wird nicht allein schon dadurch unmöglich, dass die Leistung für den Erwerber schwieriger oder kostenintensiver geworden wäre.196