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Auslegung einer Entgeltvereinbarung mit einem Heeresarzt

HELMUTZIEHENSACK

Auch bei der ärztlichen arbeitsrechtlichen Entgeltvereinbarung sind grundsätzlich nur die persönlich erbrachten ärztlichen Dienstleistungen mangels abweichender Vereinbarung dem Entgeltanspruch zugrunde zu legen.

SACHVERHALT

Der Kl war bei der Bekl als Heeresvertragsarzt beschäftigt. Dem Dienstverhältnis lag der Dienstvertrag sowie die „Gesamtvereinbarung“, welche zwischen der Bekl und der österreichischen Ärztekammer abgeschlossen worden war und auf welche der Dienstvertrag ausdrücklich verwies, zugrunde. Darin wurde insb auch die Entgeltregelung getroffen. Diese richtete sich ua nach der Anzahl der zu behandelnden Patienten.

Ausgehend von einer Passage in der Gesamtvereinbarung betreffend die Entgeltregelung begehrte der Kl nach seiner Pensionierung seiner Meinung nach noch ausständiges Arbeitsentgelt einschließlich einer erhöhten Abfertigungszahlung. Darin hieß es: „Für die Höhe des Behandlungsentgelts ist der […] monatliche Durchschnitt […] der in einem bestimmten Kalenderjahr […] in der jeweiligen Sanitätsdienststelle bzw in einem Teil derselben vorgenommen Behandlungen maßgeblich.“ Daraus wollte nun der Kl ableiten, dass für seinen Entgeltanspruch auch jene Behandlungen zu Grunde zu legen gewe-185sen wären, welche nicht von ihm persönlich, sondern von einer anderen Ärztin (unstrittig) geleistet worden waren. Er bezog sich dabei darauf, dass er diese Arztkollegin nur auf deren Ersuchen, damit diese Praxiserfahrung gewinnen könne, diese Behandlungsschritte durchführen habe lassen. Die von ihm vertretene Auslegung wäre deshalb geboten, da es andernfalls dem AG freistünde, den Arbeitsumfang und damit das Arbeitsentgelt des beschäftigten Arztes einseitig zu reduzieren. Eine derartige willkürliche Eingriffsmöglichkeit in einen abgeschlossenen Vertrag betreffend ärztliche Dienstleistungen könnten die Vertragsparteien unmöglich abgeschlossen haben bzw wäre sie sittenwidrig.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Während die erste Instanz der Klage stattgab, konnten sich das Berufungs- und Höchstgericht der Rechtsmeinung des Kl nicht anschließen. Das Berufungsgericht änderte die E im klagsabweislichen Sinne ab und ließ die Revision mangels vorliegender Rsp zu. Der OGH schloss sich der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes an, ließ die Revision zwar zu, gab ihr aber keine Folge.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Zum Dienstverhältnis eines Heeresvertragsarztes hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass – insbesondere im Hinblick auf die Festlegung von Zeit und Ort des zu leistenden Dienstes [...] sowie die Verpflichtung, Instruktionen über die Durchführung des heeresärztlichen Dienstes gewissenhaft einzuhalten [...] und eine Dienstverhinderung umgehend bekanntzugeben [...] – die Voraussetzungen für einen ‚freien‘ Arbeitsvertrag nicht erfüllt seien. [...]

Die Pflicht zur persönlichen Leistung der Dienste ist ein charakteristisches Merkmal des Arbeitsvertrags. [...] Der Anspruch auf laufendes Entgelt entsteht grundsätzlich mit dem Erfüllen der Dienstpflicht. [...]

In der [...] Gesamtvereinbarung wird die Berechnung des Behandlungsentgelts festgelegt, indem ein monatlicher Durchschnitt der in einem Kalenderjahr ‚vorgenommenen Behandlungen‘ zu errechnen ist. Der Kläger stützt seine Interpretation allein auf die vorangehende Wortfolge‚ in der jeweiligen Sanitätsdienststelle bzw in einem Teil derselben‘, ohne zu berücksichtigen, dass daran anschließend auf die jeweils durchgeführten Behandlungen Bezug genommen wird. Die Einschränkung auf die in der Sanitätsdienststelle (oder einem Teil einer solchen) vom Heeresvertragsarzt vorgenommenen Behandlungen dient erkennbar der Abgrenzung gegen solche Behandlungen, die der Arzt außerhalb derartiger Einrichtungen durchgeführt hat. Die Dienststunden des Heeresvertragsarztes (jeweils fünf Stunden an Werktagen) sind so geregelt, dass mit einer zusätzlichen Beschäftigung in einer anderen Arbeitsstelle zu rechnen ist, die auch ausdrücklich durch die Gesamtvereinbarung nicht beschränkt wird. Dem gegenüber hätte die vom Kläger angestrebte Auslegung der Bestimmung zur Folge, dass im Fall eines – bei einem denkbaren (kurzfristigen) außergewöhnlichen Arbeitsanfall in einer Sanitätsdienststelle – verstärkten Einsatzes von zusätzlichen Ärzten in einer Organisationseinheit sämtliche von diesen Ersatzkräften erbrachten medizinischen Leistungen in der Berechnung des Behandlungsentgelts für den Heeresvertragsarzt berücksichtigt werden und zu einem erhöhten Entgelt führen müssten. Eine Rechtfertigung dafür wäre nicht erkennbar.“

ERLÄUTERUNG

Entgeltansprüche ergeben sich entweder aus Vertrag, KollV oder – insb im öffentlichen Dienst – aus dem Gesetz. Im vorliegenden Fall ergaben sie sich aus der Gesamtvereinbarung. Diese war nach dem objektiven Wortlaut auszulegen und dabei auch auf die Grundsätze des Arbeitsrechtes abzustellen. Da typisches Kennzeichen jedes Arbeitsvertrages die persönliche Leistungserbringung ist, knüpften die Arbeitsgerichte im Zweifel eben an dieses Kriterium auch hinsichtlich der Entgeltvereinbarung an. Es wäre systemwidrig gewesen, mangels einer entsprechenden abweichenden Vereinbarung eine Zurechnung von Fremdleistungen auch als entgeltwirksam vorzunehmen. Eine derartige Vereinbarung hätte zwar auch abgeschlossen werden können, jedoch hätte es aber eben eines derartigen ausdrücklichen Vereinbarungsinhaltes bedurft. Ein derartiger Vereinbarungsinhalt war aber nicht erweislich. Im Unternehmensrecht werden typischerweise auch Fremdleistungen in Bemessungsgrundlagen zu Grunde gelegt, für das Arbeitsrecht ist das aber eher untypisch (vgl etwa die Alleinvermittlungsaufträge im Recht der Immobilienmakler; bei diesen entsteht ein Honoraranspruch, auch wenn die Geschäftsvermittlung nicht durch den alleinvermittlungsberechtigten Immobilienmakler zustande gekommen ist, sondern durch den Auftraggeber oder – unzulässigerweise – einen anderen Immobilienmakler; vgl auch den Gebietsschutz der Handelsvertreter und anderer Selbstständigen-Berufsgruppen).186