GannerGrundzüge des Alten- und Behindertenrechts

2. Auflage, Jan Sramek Verlag, Wien 2014, XVI, 263 Seiten, broschiert, € 44,-

HELMUTIVANSITS

Michael Ganner ist Professor am Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck. Er hat sich im Jahr 2005 zum Thema „Selbstbestimmung im Alter“ habilitiert und ist auch in seinen weiteren rechtswissenschaftlichen Arbeiten diesem Thema treu geblieben, so auch mit der überarbeiteten zweiten Auflage seiner „Grundzüge des Alten- und Behindertenrechts“, die im Juni 2014 erschienen ist.

Die zweite Auflage ist einerseits der von Österreich im Jahr 2008 ratifizierten UN-Behindertenkon-223vention geschuldet, mit deren Umsetzung begonnen wurde. In seinem Vorwort verweist der Autor auf die Bedeutung der am 26.10.2008 in Kraft getretene Konvention für das österreichische Behindertenrecht. Auch wenn die Konvention keine neuen Grundrechte schafft, lassen sich aus ihr für die Versorgung alter und behinderter Menschen vor allem im Sachwalterrecht, der persönlichen Assistenz und bei der Barrierefreiheit eine Reihe von Verbesserungen ableiten, die in Zukunft umgesetzt werden müssen.

Aber auch im Bereich des Altenrechts sind Adaptierungen notwendig geworden. Hier ist vor allem die mit 1.1.2014 geschaffene Möglichkeit zur Pflegekarenz und Pflegeteilzeit zu nennen. Der Autor zahlreicher Publikationen zum Heimvertrags- und Sachwalterrecht hat zudem Änderungen im Bereich des Angehörigenregresses (Steiermark) und der Patienten- bzw Pflegeanwaltschaft (Salzburg, Kärnten) in die Neuauflage eingearbeitet.

Das Buch enthält eine umfassende und systematische Darstellung des Alten- und Behindertenrechts in Österreich. Die einzelnen Kapitel beginnen mit einem Überblick über die Grundprobleme des jeweiligen Regelungsbereiches, danach wird die Rechtslage dargestellt und rechtspolitisch diskutiert.

Der erste Teil behandelt die gesetzliche Entwicklung der Altenbetreuung und beschreibt sehr anschaulich, dass die Pflegeskandale im Pflegeheim Lainz im Jahr 1989 und 2003 die eigentlichen Auslöser für die Umsetzung der Pflegevorsorge durch das Pflegegeld waren. Mittlerweile gibt es leider wieder Bestrebungen, die monetäre Pflegesicherung durch Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für das Pflegegeld – zuletzt erfolgreich in den unteren Pflegestufen – zu verschlechtern, ohne parallel dazu die ambulanten sozialen Betreuungsdienste auszubauen.

Erfreulich ist, dass im Bereich der Pflege seit einiger Zeit ein vielleicht noch zu wenig öffentlicher versorgungspolitischer Diskurs über die zukünftige Organisation der Pflege stattfindet (in Anlehnung an die Gesundheitsreform mit dem Ziel, den „best point of care“ zu definieren), der im Pflegefonds seinen ersten Niederschlag gefunden hat. Dazu zählen vor allem die in mehreren Studien bemängelte Überversorgung durch stationäre Pflege und deren Verlagerung in den ambulanten Bereich sowie der Ausbau von alternativen Betreuungsformen (ua betreutes Wohnen, Tagespflege), anstelle der Unterbringung in Pflegeheimen. Die Einführung von Case-Management in der Pflege würde zur Steigerung der Pflegequalität führen. Auf diese neuen Aspekte konnte der Autor aber deshalb noch nicht eingehen, weil die WIFO-Pflegestudie erst nach der Edition des Buches veröffentlicht wurde.

Die Sachleistungen der öffentlichen Pflege sind im Bereich der 24-Stunden-Betreuung durch selbständige Betreuungskräfte im Rahmen der Gewerbeordnung insofern rechtlich prekär geregelt, als es sich in Wahrheit um Dienstverträge handelt, die nur deshalb von keiner Seite durchgesetzt werden, weil die Hausbetreuung den Pflegebedürftigen oder deren Angehörigen wegen des arbeitsrechtlichen Schutzes insgesamt teurer kommt und vor allem viele Pflegekräfte aus dem Ausland Arbeitsmöglichkeiten in Österreich verlieren würden.

In vielen Teilen des Buches schlägt der Professor für Zivilrecht durch. So nehmen das Sachwalterschaftsrecht, die Haftung bei der Pflege und Betreuung von Menschen und das Heim- und Heimvertragsrecht große Teile des Buches ein. Das ist insofern verdienstvoll, als man diese Teile des Alten- und Behindertenrechts in dieser Dichte in der einschlägigen Einführungsliteratur nicht vorfindet. Die zweite Auflage des „Grundzüge des Alten- und Betreuungsrechts“ ist schon deswegen mehr als das, was der Buchtitel ankündigt. Es handelt sich um eine Pflichtlektüre für alle im Pflegebereich Beschäftigten und für Personen, die für den Pflegeberuf ausgebildet werden. Es ist aber auch für alle rechtlich an diesem Thema interessierten Menschen von hohem Informationswert und bemerkenswerter juristischer Präzision.