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Elternteilzeit: Kein Anspruch auf Weitergewährung einer Überstundenpauschale

BIANCASCHRITTWIESER

Der Anspruch von DN auf eine vereinbarte Überstundenpauschale ruht für die Zeit, für die sie von der Möglichkeit der Elternteilzeit nach dem Mutterschutzgesetz bzw dem Väterkarenzgesetz oder vergleichbaren österreichischen Rechtsvorschriften Gebrauch gemacht haben.

SACHVERHALT

Die Kl ist seit November 2005 beim bekl AG als Museumsmanagerin beschäftigt. Ab Juli 2008 vereinbarte sie mit dem AG, dass 150 Überstunden pro Jahr in Form einer Überstundenpauschale finanziell und 60 Überstunden in Form von Zeitausgleich abgegolten sind. Die Überstundenpauschale kann zudem jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen oder gemindert werden. Nach der Geburt ihres Kindes nahm die Kl ab März 2013 Elternteilzeit (§ 15h MSchG) in Anspruch. Sie reduzierte ihre wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 auf 30 Stunden und leistete seit dem Wiedereinstieg auch keine Mehrarbeit. Bis einschließlich September 2013 bezahlte ihr der AG die Überstundenpauschale noch aliquot zu ihrem reduzierten Beschäftigungsausmaß. Danach stellte er die Zahlung ohne Angabe von Gründen ein. Ein ausdrücklicher Widerruf der Pauschale erfolgte nicht.

Die Kl begehrt die Zahlung der anteiligen Überstundenpauschale für die Monate Oktober 2013 bis310 Jänner 2014. Sie vertritt die Rechtsansicht, dass die Pauschale ein regelmäßiger Entgeltbestandteil sei. Zudem habe der AG die Pauschale auch nicht widerrufen. Der AG bestreitet unter Verweis darauf, dass die AN keine Überstunden mehr leiste. Der Widerruf der Überstundenpauschale sei durch die Einstellung der Auszahlung erfolgt.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die kommentarlose Einstellung der Zahlung durch den AG sei nicht als schlüssiger Widerruf zu werten. Die Überstundenpauschale stehe daher der Kl auch während der Elternteilzeit weiter zu. Das Berufungsgericht hingegen gab der Berufung des AG Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Kl sei aufgrund der in Anspruch genommenen Elternteilzeit nicht zur Leistung von Mehr- oder Überstunden verpflichtet. Da somit die Grundlage für die Zahlung der Überstundenpauschale weggefallen sei, ruhe während der Dauer der Elternteilzeit der Anspruch auf die Überstundenpauschale.

Der OGH gab der Revision der Kl nicht Folge. Nach Ansicht des Höchstgerichts ruht der Anspruch der AN auf die Überstundenpauschale für die Zeit, für die sie von der Möglichkeit der Elternteilzeit Gebrauch gemacht hat.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Nach § 15h Abs 1 Satz 1 MSchG hat die Dienstnehmerin einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung längstens bis zum Ablauf des siebenten Lebensjahres […] des Kindes […]. Zweck dieser Bestimmungen ist es, der Dienstnehmerin ausreichende Zeit zur Kinderbetreuung zu gewähren und damit die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern sowie positive Impulse für das Erwerbsleben der Frauen und für eine partnerschaftliche Beteiligung des Vaters an der Betreuung des Kindes zu schaffen. […] § 19d Abs 3 Z 1 bis 3 AZG normiert die Voraussetzungen, unter denen ein Teilzeitbeschäftigter zur Arbeitsleistung über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß […] verpflichtet ist. Von dieser Verpflichtung sind nach § 19d Abs 8 AZG Dienstnehmer ausgenommen, die von der Möglichkeit der Elternteilzeit nach dem Mutterschutzgesetz bzw dem Väterkarenzgesetz […] Gebrauch gemacht haben. […] Verpflichtende Mehrarbeit für Elternteilzeitbeschäftigte würde somit dem Sinn und Zweck der Elternteilzeit widersprechen. [...]

Obwohl eine Überstundenpauschale dem Dienstnehmer jedenfalls auch dann zusteht, wenn die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden in einzelnen Verrechnungsperioden geringer ist oder er in einzelnen Verrechnungsperioden gar keine Überstundenleistung erbringt […], führt ein gänzlicher Wegfall der Überstundenleistung durch längere Zeit hindurch aufgrund eines gesetzlichen Verbots zum Ruhen des Anspruchs während der Zeit des Verbots. Dies deshalb, da die Grundlage für die Vereinbarung einer Überstundenpauschale in der beiderseitigen Annahme liegt, dass solche Überstunden auch tatsächlich geleistet werden ‚dürfen‘ […]. Aus einer Pauschalierungsvereinbarung ist aber zumindest konkludent auf eine vertragliche Verpflichtung des Dienstnehmers zur Leistung von Überstunden zu schließen […]. Eine Pauschalabgeltung wird regelmäßig in der Erwartung vereinbart, dass auch Überstunden zu leisten sein werden […].

Auch im vorliegenden Fall ist […] davon auszugehen, dass die Klägerin während der in Anspruch genommenen Elternteilzeit durch längere Zeit hindurch keine Überstunden leisten wird. Da die Vereinbarung der Überstundenpauschale, wie schon der vereinbarte Widerrufsvorbehalt erkennen lässt, auch hier in der beiderseitigen Annahme der Parteien lag, dass solche Überstunden von der Klägerin auch tatsächlich geleistet werden, wäre das von den Parteien dem Arbeitsvertrag zugrunde gelegte Synallagma zwischen Arbeitsleistung und Entgelt erheblich gestört, wäre die Beklagte verpflichtet, der Klägerin das Überstundenpauschale weiter zu bezahlen, obwohl sie von der Klägerin nicht einmal die Leistung von Mehrstunden fordern kann. Es ist daher nur konsequent und sachgemäß, wenn auch für die Dauer der Elternteilzeit der Anspruch auf die Überstundenentlohnung grundsätzlich ruht. […]“

ERLÄUTERUNG

Der OGH sah in der Zahlungseinstellung im konkreten Fall keinen stillschweigenden Widerruf der bislang bezahlten Überstundenpauschale. Damit hatte er sich in dieser E erstmals grundsätzlich mit der Frage zu befassen, ob während der Inanspruchnahme einer Elternteilzeit nach § 15h MSchG (bzw für Väter § 8 VKG) eine Überstundenpauschale weiter zu zahlen ist.

Lehre und Rsp haben sich bereits mit dem ähnlichen Thema der Weiterzahlung einer Überstundenpauschale während einer Schwangerschaft auseinandergesetzt: Demnach hat eine AN Verdiensteinbußen, die dadurch eintreten, dass sie keine Überstunden mehr leisten darf, hinzunehmen. Dies deshalb, weil vom Anspruch auf Entgeltfortzahlung während bestimmter Beschäftigungsverbote bzw -beschränkungen das Entgelt für die Leistung von Überstunden nicht erfasst ist. Aus diesem Grund darf ein AG eine Überstundenpauschale während der Schwangerschaft streichen. Denn die Grundlage für die Vereinbarung einer Pauschalabgeltung liegt in der beiderseitigen Annahme, dass solche Überstunden auch tatsächlich geleistet werden dürfen.

Im vorliegenden Fall haben AG und AN eine Überstundenpauschale in der beiderseitigen Annahme, dass Überstunden auch tatsächlich geleistet311 werden, vereinbart. Allerdings gibt es anders als während einer Schwangerschaft kein absolutes Verbot der Überstundenleistung während einer Elternteilzeit. Stattdessen sieht das AZG vor, dass Mütter und Väter Mehrarbeit bzw Überstunden in dieser Zeit ablehnen können.

Aus Sicht des OGH war in diesem Fall davon auszugehen, dass die Kl während der in Anspruch genommenen Elternteilzeit durch längere Zeit hindurch keine Überstunden mehr leisten wird. Der OGH vertritt die Ansicht, dass das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (das sogenannte Synallagma) erheblich gestört wäre, wenn der AG verpflichtet wäre, der Kl die Überstundenpauschale weiter zu bezahlen, obwohl er von der Kl nicht einmal die Leistung von Mehrstunden fordern kann. Aus diesem Grund ruht grundsätzlich für die Dauer der Elternteilzeit der Anspruch auf die Überstundenpauschale.

Anders wäre aber wohl der Fall zu beurteilen, wenn anstelle der Überstundenpauschale eine All In-Vereinbarung Teil des Vertrags ist: Eine All In-Vereinbarung, die regelmäßig die Abgeltung sämtlicher Arbeits- und Mehrleistungen sowie eventuell Zulagen vorsieht und aus der kein Grundlohn ersichtlich ist, kann mit einem Wechsel auf Teilzeitarbeit nicht einseitig gestrichen werden, da hier kein Entgeltteil definiert ist, der den früher erbrachten Überstundenleistungen klar zuordenbar wäre und somit das Entgelt der AN nur im Ausmaß der Reduktion der vereinbarten Arbeitszeit sinken darf.

Hervorzuheben ist noch, dass der OGH ausdrücklich festgehalten hat, dass dann, wenn einvernehmlich während der Elternteilzeit Mehr- oder gar Überstundenarbeit geleistet wird, selbstverständlich ein Anspruch auf (Einzel-)Abgeltung besteht.