234Erstreckung der Verfallsfrist für Urlaubsansprüche einer Vertragsbediensteten bei unvorhersehbarer Krankheit
Erstreckung der Verfallsfrist für Urlaubsansprüche einer Vertragsbediensteten bei unvorhersehbarer Krankheit
Ob ein Urlaubskonsum für den Vertragsbediensteten nicht möglich war und damit die Verfallsfrist für den Urlaubsanspruch gem § 27h Satz 2 VBG um ein Jahr verlängert wird, lässt sich erst für den Zeitraum ab der Erkrankung beurteilen.
Die Kl war vom 7.2.1992 bis 23.8.2013 als Vertragsbedienstete bei der Bekl beschäftigt. Die Kl hatte beabsichtigt, die 19 aus dem Urlaubsjahr 2009 offen gebliebenen Urlaubstage im Jahr 2010 zu verbrauchen und im Sommer 2010 zumindest drei Wochen Urlaub (gemeint wohl: vom Urlaub dieses Jahres) durchgehend zu konsumieren. Von Mai 2010 bis Mai 2011 erkrankte sie unvorhergesehen. Anschließend konsumierte sie bis zum Ende des Jahres 57 Urlaubstage, wobei sie über Vorschlag ihres Vorgesetzten zum Abbau ihrer Urlaubsansprüche auch wöchentlich einen Tag Urlaub nahm. Im Jahr 2012 war sie von 2.1. bis 28.3. krank, konsumierte anschließend bis 23.5. acht Urlaubstage und war sodann bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 23.8.2013 durchgehend und wiederum nicht vorhersehbar krank.
Die Streitteile sind unterschiedlicher Ansicht, ob die bis Ende 2010 nicht verbrauchten Urlaubstage der Kl aus dem Jahr 2009 mit Ablauf des Jahres 2010 und die bis Ende 2012 nicht verbrauchten Urlaubstage aus dem Jahr 2011 mit Ablauf des Jahres 2012 verfallen sind oder iSd § 27h Satz 2 VBG 1948 infolge der Erkrankungen der Kl der um ein Jahr verlängerten Verfallsfrist unterliegen.
Mit ihrer Klage begehrte die Vertragsbedienstete Urlaubsersatzleistung für 15,13 Arbeitstage (auf der Grundlage eines offenen Urlaubsanspruchs von 71,53 Arbeitstagen statt der vom DG abgegoltenen 56,4 Arbeitstage). Aufgrund der unvorhersehbaren krankheitsbedingten Abwesenheiten sei ihr der rechtzeitige Verbrauch des Erholungsurlaubs nicht möglich gewesen, so dass die Voraussetzungen für eine Übertragung der restlichen Urlaubsguthaben aus den Jahren 2009 und 2011 gegeben gewesen seien.
Die Bekl bestritt und vertrat zusammengefasst den Standpunkt, dass der nicht verbrauchte Urlaub für die Jahre 2009 und 2011 bereits verfallen sei.
Das Erstgericht gab der Klage statt: Die Kl sei infolge Krankheit daran gehindert gewesen, ihre offenen Urlaubsreste aus den Jahren 2009 und 2011 rechtzeitig zu verbrauchen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl keine Folge. Der OGH erachtete die dagegen erhobene Revision für zulässig, jedoch nicht berechtigt.
„Hervorzuheben ist, dass der Gesetzgeber das Stehenlassen von Urlaubsansprüchen für das nächste Kalenderjahr ausdrücklich zugelassen hat (vgl Ziehensack, VBG, 15. Lieferung 2011, § 27h Rz 1), sodass alleine darin noch kein zu unterbindendes Horten von Urlaubsansprüchen gesehen werden kann. Das Argument der Beklagten, dass es in der eigenen Verantwortung der Klägerin liege, dass sie den Erholungsurlaub nicht bereits im Jahr 2009 oder in der ersten Jahreshälfte 2010 konsumiert habe, verfängt daher nicht. […]314
Richtigerweise hat das Berufungsgericht die krankheitsbedingte Unmöglichkeit des Urlaubskonsums iSd § 27h S 2 VBG 1948 nicht auf eine ‚abstrakte‘ Möglichkeit zum Urlaubskonsum bezogen. Ein solches Verständnis muss schon an der Notwendigkeit einer mit dem Dienstgeber zu treffenden Urlaubsvereinbarung scheitern. Es würde auch übersehen, dass eine Dienstverhinderung durch Erkrankung oder Unfall ein in der Regel zeitlich nicht voraussehbares Ereignis ist. Käme es – dem Rechtsstandpunkt der Beklagten folgend – auf die abstrakte Möglichkeit zum Urlaubskonsum an, wäre ein Vertragsbediensteter bereits im ersten Urlaubsjahr oder zu Beginn des zweiten Urlaubsjahrs zum Urlaubsverbrauch gezwungen, weil nicht von vornherein auszuschließen wäre, dass der Urlaub im zweiten Jahr krankheitsbedingt nicht mehr konsumiert werden könnte. Entgegen der Grundintention des § 27h VBG 1948 würde damit das Risiko der Erkrankung aber auf den Vertragsbediensteten überwälzt. Dem VBG ist auch keine Obliegenheit zu einem möglichst frühzeitigen Urlaubskonsum im Kalenderjahr zu entnehmen. Insbesondere lässt der Gesetzgeber keine Unterscheidungskriterien für einen Verbrauch des Urlaubsanspruchs im Jahr seines Entstehens oder im Folgejahr erkennen. Für die Beurteilung, ob ein Urlaubsverbrauch aufgrund einer Dienstverhinderung durch Krankheit nicht möglich war, kann es folglich nicht darauf ankommen, dass sich rückblickend noch ein Zeitraum zeigt, zu dem der Vertragsbedienstete vor seiner Erkrankung Urlaub nehmen hätte können. […]
Gesetzestext und -zweck des § 27h S 2 VBG 1948 legen vielmehr ein Verständnis dahin nahe, dass die Verfallsfrist um ein Jahr verlängert sein soll, wenn dem Vertragsbediensteten aufgrund einer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit ein Urlaubskonsum bis zum Ablauf der regulären Verfallsfrist von S 1 leg cit objektiv nicht möglich ist. Ob diese Möglichkeit für den Vertragsbediensteten bestand, lässt sich aber nicht im Rückblick auf den Zeitraum vor, sondern erst ab der Erkrankung beurteilen. Da der Klägerin der Verbrauch ihrer restlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2009 und 2011 in den jeweiligen Folgejahren 2010 und 2012 infolge jeweils bis zum Jahresende (und darüber hinaus) dauernder Erkrankungen nicht möglich war, weil ihr in diesen Folgejahren ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Erkrankung überhaupt kein Arbeitstag mehr als verbrauchbarer Urlaubstag zur Verfügung stand, sind die Vorinstanzen zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass sich die Verfallsfrist für die restlichen Urlaubsansprüche iSd § 27h S 2 VBG 1948 jeweils um ein Jahr verlängerte.“
Das VBG (§ 18a Abs 1) setzt die Verjährungsfrist für Ansprüche auf Leistungen mit drei Jahren fest. Für Urlaubsansprüche besteht die Sonderregel in § 27h (übertitelt mit „Verfall des Erholungsurlaubes“):
„Der Anspruch auf Erholungsurlaub verfällt, wenn der Vertragsbedienstete den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. Dezember des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat. Ist der Verbrauch bis zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen, aufgrund einer Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall oder aufgrund eines Beschäftigungsverbotes nach dem MSchG nicht möglich, so tritt der Verfall erst mit Ablauf des folgenden Kalenderjahres ein.“
Es entspricht der üblichen Abwicklung bei Vertragsverhältnissen, dass Urlaubsansprüche von DN nicht zur Gänze im betreffenden Kalenderjahr verbraucht werden, sondern erst im darauf folgenden Jahr. Das „Stehen Lassen“ von Urlaubsansprüchen in das nächste Kalenderjahr wurde vom Gesetzgeber des VBG ausdrücklich zugelassen, siehe der vorliegend entscheidungsrelevante § 27h: Verfall des Urlaubsanspruches erst bei Nicht-Verbrauch bis zum Ablauf des Folgejahres. Damit ist das öffentliche Dienstrecht (vgl neben § 27h VBG die parallele Regelung § 69 BDG) im Vergleich zum allgemeinen Arbeitsrecht ohnehin schärfer: Dort besteht eine Zweijahresfrist, siehe § 4 Abs 5 UrlG. Ein wirtschaftlicher Nachteil des AG kann darin nicht erblickt werden, zumal es der üblichen Abwicklung von Arbeits- und insb auch Vertragsbedienstetenverhältnissen entspricht, dass zwar verbliebene Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr verbraucht werden, nicht notwendigerweise gleichzeitig aber auch der gesamte Urlaubsanspruch des laufenden Kalenderjahres aufgebraucht wird. Es kommt demnach lediglich zur periodenmäßigen Verschiebung von Urlaubsresten. Im Fall von Karenz nach dem MutterschutzG oder nach dem Väter-KarenzG wird der Verfallstermin um den Zeitraum der Karenz hinausgeschoben.
Nach der Rsp besteht keine Obliegenheit des DN zu einem möglichst frühzeitigen Urlaub im Kalenderjahr. Zu den Grundsätzen der Judikatur hinsichtlich des Urlaubsverbrauches zählt, dass der Urlaubsverbrauch einer einvernehmlichen Vereinbarung bedarf. Im Falle einer unvorhergesehenen Erkrankung (was den Regelfall bei Krankenstandsinanspruchnahme darstellt; anders verhält sich dies etwa bei geplanten Operationen) geht dies zulasten des AG. Dann kann nämlich der Urlaub seinen Zweck, nämlich die Erholung des AN, nicht mehr erfüllen. Es hieße, dem Vertragsbediensteten prophetische Fähigkeiten abzuverlangen, wenn er bereits bei Abschluss der Urlaubsvereinbarung mit einplanen sollte, an welchen Tagen und in welchen Zeitperioden er in der Zukunft unvorhergesehen erkranken würde. Die gegenteilige Meinung würde bedeuten, dass das Erkrankungsrisiko entgegen der Grundintention des § 27h VBG auf den Vertragsbediensteten überwälzt würde und dann eben nicht beim AG zu verbleiben hätte. Das Betriebs- bzw Unternehmerrisiko umfasst eben auch den Erkrankungsfall, welchen der AG auffangen muss.315
Durch die Verfallsbestimmungen soll zwar Rechtsfrieden eintreten und ein Horten von Urlaubsansprüchen verhindert werden, gleichzeitig aber dem DN nicht Unmögliches abverlangt werden. Dem Abverlangen von Unmöglichen würde es aber entsprechen, wenn der Vertragsbedienstete zukünftige, nicht vorhersehbare Erkrankungen doch in seine Planung mit aufnehmen müsste.