227Kündigungsanfechtung – keine Sozialwidrigkeit wegen zu geringer Einkommenseinbuße, Durchschnittsbetrachtung erforderlich
Kündigungsanfechtung – keine Sozialwidrigkeit wegen zu geringer Einkommenseinbuße, Durchschnittsbetrachtung erforderlich
Ein von einem Arbeitskräfteüberlasser in den technischen Betriebsdienst eines Unternehmens verliehener Angestellter, dessen Dienstverhältnis am 16.6.2008 begonnen hatte, focht die zum 15.6.2012 ausgesprochene Kündigung wegen Sozialwidrigkeit an. Sein zuletzt bezogenes, durch mehrere Zulagen beeinflusstes und daher schwankendes Bruttoentgelt hatte im Zeitraum Jänner bis Juni 2012 durchschnittlich € 3.440,- pro Monat betragen, im Zeitraum Jänner bis April 2012 € 3.780,- im306 Monatsdurchschnitt. Gemäß gerichtlichem Sachverständigengutachten bewegte sich die relevante Verdienstmöglichkeit des AN zwischen monatlich € 2.550,- und € 3.330,- brutto. Bereits am 30.10.2012 begründete der AN ein neues Dienstverhältnis als Betriebselektriker mit einem monatlichen Bruttogehalt von € 2.051,80. Ab 1.12.2012 wechselte er in ein Arbeitsverhältnis als Objektleiter, dort verdiente er € 3.000,- brutto. Der AN hat keine Sorgepflichten. Seine Lebensgefährtin verdient € 3.000,- brutto monatlich.
Bei Würdigung der Gesamtumstände ist die Einkommenseinbuße im vorliegenden Fall für den AN nicht so groß, dass von einer ins Gewicht fallenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und damit von einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung auszugehen wäre. Eine prozentuelle Einkommenseinbuße ist nämlich mit Bezug auf das Gesamteinkommen zu sehen. Der AN kann sich daher nicht auf Zeitspannen berufen, in denen das Einkommen höher war. Es ist vielmehr eine Durchschnittsbetrachtung anzustellen.
Mit den Zeitspannen, in denen das Einkommen höher war und die daher nicht zur Berechnung der Einkommenseinbuße herangezogen werden dürfen, sind wohl einzelne Spitzenmonate gemeint. Da mangels erheblicher Rechtsfrage die Revision des gekündigten AN zurückgewiesen wurde, lässt der OGH manches offen: So legt er sich nicht auf die Länge eines Zeitraumes für die Durchschnittsbetrachtung fest: Anscheinend sähe er weder bei der Heranziehung des Durchschnittsentgelts von Jänner bis Juni 2012, noch von Jänner bis April 2012 (welches ja beträchtlich höher war) im Vergleich zum prognostizierten bzw später erzielten Gehalt eine die Sozialwidrigkeit der Kündigung begründende Einkommenseinbuße. Unklar bleibt weiters, welche die zu vergleichende Einkommensposition im neuen Arbeitsverhältnis sein soll: Die Untergrenze dessen, was der Sachverständige für erzielbar hielt, die Obergrenze, ein Durchschnitt der Schätzung, das tatsächlich erreichte neue Einkommen oder ein Mischwert aus letzterem und dem Schätzwert? Geht man vom tatsächlich erreichten aktuellen Monatsgehalt von € 3.000,- aus, würde das bedeuten, dass das Höchstgericht hier „unter Würdigung der Gesamtumstände“ (mangelnde Sorgepflichten, Einkommen der Lebensgefährtin, …) selbst eine Einbuße von ca 20 % als nicht sozialwidrig toleriert.