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Mindestlohntarif für private Bildungseinrichtungen

MANFREDTINHOF

Sprechstunden, Elternsprechtage und Konferenzen sind keine „Vor- und Nacharbeiten“ gemäß Mindestlohntarif für private Bildungseinrichtungen.

Eine AN war bei einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht als Lehrkraft angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Mindestlohntarif für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte AN (im Folgenden: MLT) anwendbar. Dieser sieht für AN mit unterrichtender Tätigkeit ein bestimmtes Mindestbruttogehalt pro Unterrichtseinheit von 50 Minuten einschließlich Vor- und Nacharbeiten vor. Die AN begehrte zusätzlich zum Entgelt für die einzelne Unterrichtseinheit eine Entlohnung für geleistete Mehrstunden aufgrund der Verrichtung von Pausenaufsichten, Sprechstunden und Supplierungen sowie der Teilnahme an Elternsprechtagen, Lehrausgängen, Tagen der offenen Tür und Konferenzen, weil diese Tätigkeiten nicht als „Vor- und Nacharbeiten“ zu qualifizieren seien. Auch für die von ihr nicht verrichteten Pausenaufsichten in den Zeiten eines abgehaltenen Sozialpraktikums und einer Sportwoche gebühre ihr eine Entlohnung, weil der Grund für den Entfall ihrer Arbeitsleistung der Sphäre der AG zuzurechnen sei und sie sich während der angegebenen Zeiten arbeitsbereit gehalten habe.

§ 1155 ABGB erster Halbsatz sieht vor, dass dem AN auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, das Entgelt gebührt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des AG liegen, daran verhindert worden ist. Der Anspruch der AN auf Entlohnung auch jener Pausenaufsichten, die wegen des Sozialpraktikums und der Sportwoche, also aus Gründen, die allein in der Sphäre der AG gelegen sind, entfallen sind, besteht damit grundsätzlich zu Recht.

Das Erst- und das Berufungsgericht sprachen der AN lediglich das gesonderte Entgelt aufgrund von Supplierstunden, Lehrausgängen, Tagen der offenen Tür und tatsächlich geleisteter Pausenaufsichten zu. Der OGH erachtete die außerordentliche Revision der AN für zulässig und iSd nachfolgenden Ausführungen auch für berechtigt.

Sprechstunden, Elternsprechtage und Konferenzen beziehen sich jedenfalls nicht auf die konkrete Unterrichtseinheit. Diese Tätigkeiten dienen zwar im weitesten Sinn auch der Qualitätssicherung des gesamten Unterrichts, sind aber für die Abhaltung der konkreten Unterrichtseinheit nicht unbedingt erforderlich. Sie sind daher nicht als Vor- und Nacharbeiten iSd MLT zu qualifizieren, da diese einen unmittelbaren Bezug zur konkreten Unterrichtseinheit aufweisen müssen. Notwendig für konkrete Unterrichtseinheiten sind etwa die Vorbereitung von Unterlagen, Recherchen zu den Lehrinhalten, Dokumentationen des Unterrichts sowie die Verbesserung von Hausaufgaben und Schularbeiten. Die von der AN für die Abhaltung von Sprechstunden sowie die Teilnahme an Elternsprechtagen und Konferenzen erbrachten Arbeitsleistungen sind somit zusätzlich zum Mindestbruttogehalt pro Unterrichtseinheit von 50 Minuten zu vergüten.