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Kein Rechtsmittelausschluss bei Verfahren zur Feststellung der Berechtigung der Arbeitnehmerin zum Antritt der Elternteilzeit zu den von ihr vorgeschlagenen Bedingungen

BIRGITSCHRATTBAUER

Der Rechtsmittelausschluss des § 15k Abs 6 MSchG bezieht sich auf Rechtsstreitigkeiten nach § 15k Abs 3 bis 5 MSchG. In einem Verfahren auf Feststellung, dass die Kl berechtigt sei, die Elternteilzeit zu den von ihr vorgeschlagenen Bedingungen anzutreten, kommt § 15k Abs 6 MSchG nicht zur Anwendung.

SACHVERHALT

Die Kl beabsichtigte, im Anschluss an die für ein Jahr ab der Geburt ihrer Zwillinge in Anspruch genommene Karenz Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen. Die bekl AG lehnte dies jedoch ab, auch die unter Beziehung des Beklagtenvertreters geführten Verhandlungsgespräche führten zu keiner Einigung. Die Bekl beabsichtigte deshalb die Einleitung eines arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahrens gem § 15k Abs 2 und 3 MSchG; die Kl wurde auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Ersatzkarenz bis zur E des ASG hingewiesen. Die Kl teilte der Bekl in weiterer Folge mit, von einer Karenzverlängerung iSd § 15m Abs 1 Z 1 MSchG (Inanspruchnahme von Karenz bis zum zweiten Geburtstag der Kinder anstelle der Teilzeitbeschäftigung) Gebrauch machen zu wollen.

Vor Ablauf der verlängerten Karenz machte die Kl erneut schriftlich einen Anspruch auf Elternteilzeit (im Anschluss an die Karenz) geltend; dieser Anspruch wurde von der Bekl wiederum abgelehnt. Die Kl begehrte daraufhin in ihrer Klage die Feststellung, dass sie berechtigt sei, nach Ablauf der verlängerten Karenz die Elternteilzeit zu den von ihr bekanntgegebenen Bedingungen anzutreten, da keine Einigung mit der Bekl zustande gekommen sei und diese ihrerseits kein Verfahren vor dem ASG eingeleitet habe. Die Bekl ging dagegen davon aus, dass die Karenzverlängerung nach § 15m Abs 1 Z 1 MSchG als Alternative zur Elternteilzeit vorgesehen sei und der Kl deshalb kein weiterer Anspruch auf Elternteilzeit zustehe.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. § 15m Abs 1 Z 1 MSchG sei dahingehend zu verstehen, dass die AN ihr Begehren auf Teilzeitbeschäftigung zurückziehen und nach Inanspruchnahme der Ersatzkarenz einen neuerlichen Versuch unternehmen könne, eine Regelung über die Inanspruchnahme der Elternteilzeit zu finden. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Bekl unter Hinweis auf § 15k Abs 6 MSchG als unzulässig zurück. Der OGH gab dem gegen diese E gerichteten Rekurs der Bekl statt und wies die Rechtssache zur inhaltlichen E an das Berufungsgericht zurück.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

2.1 Nach der vom Berufungsgericht herangezogenen Bestimmung des § 15k Abs 6 MSchG ist in Rechtsstreitigkeiten nach Abs 3 bis 5 leg cit gegen ein Urteil des Gerichts erster Instanz eine Berufung nicht zulässig. Für den Anlassfall sind die Abs 4 und 5 der in Rede stehenden Bestimmung nicht maßgebend. In Betracht kommt nur die Bestimmung des Abs 3 leg cit.

Eine Rechtsstreitigkeit nach § 15k Abs 3 MSchG setzt eine Bekanntgabe der Dienstnehmerin über Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der von ihr beanspruchten Teilzeitbeschäftigung, das Nichtzustandekommen einer Einigung zwischen der Dienstnehmerin und dem Dienstgeber, weiters einen Antrag des Dienstgebers nach § 433 ZPO und ein Scheitern einer gütlichen Einigung vor Gericht voraus. Will der Dienstgeber in einem solchen Fall verhindern, dass die Dienstnehmerin die Teilzeitbeschäftigung zu den von ihr bekanntgegebenen Bedingungen antreten darf, so muss er eine Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht nach § 15k Abs 3 MSchG einbringen. Diese Klage ist auf die Einwilligung der Dienstnehmerin in die vom Dienstgeber vorgeschlagenen Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung gerichtet.

Die Verpflichtung zur Klage nach § 15k MSchG obliegt somit immer dem Dienstgeber […].

2.2 Eine solche Klage des Dienstgebers gegen die Dienstnehmerin auf Einwilligung in die vom Dienstgeber vorgeschlagenen Alternativbedingungen liegt hier nicht vor. […]

3. Es ergibt sich somit, dass das Berufungsgericht den Rechtsmittelausschluss des § 15k Abs 6 MSchG zu Unrecht in Anspruch genommen hat. Die Berufung der Beklagten hätte daher nicht zurückgewiesen werden dürfen, sondern hätte vom Berufungsgericht (auch spruchmäßig) inhaltlich behandelt werden müssen.“144

ERLÄUTERUNG

Die §§ 15h ff MSchG (bzw für Väter: §§ 8 ff VKG) gewähren AN nach der Geburt eines Kindes unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Elternteilzeit iS einer befristeten Herabsetzung der Arbeitszeit oder Änderung der Lage der Arbeitszeit. Dabei sieht das Gesetz zwei unterschiedliche Modelle vor: Der sogenannte „große Anspruch“ steht AN offen, die seit mindestens drei Jahren in Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis stehen (§ 15h MSchG bzw § 8 VKG). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so kommt eine „vereinbarte Elternteilzeit“ (auch „kleiner Anspruch“ genannt) gem § 15i MSchG bzw § 8a VKG in Betracht. Die beiden Varianten unterscheiden sich einerseits in der Dauer des Anspruchs, andererseits in der Rechtsdurchsetzung.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Falles standen Fragen zur Durchsetzung des großen Anspruchs auf Elternteilzeit. § 15k MSchG sieht diesbezüglich vor, dass Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung mit dem AG zu vereinbaren sind. Kommt darüber binnen vier Wochen ab Bekanntgabe der beabsichtigten Inanspruchnahme von Elternteilzeit keine Einigung zustande, so kann die AN die Teilzeitbeschäftigung zu den von ihr bekannt gegebenen Bedingungen antreten, sofern nicht der AG binnen weiterer zwei Wochen ein Verfahren vor dem ASG einleitet. Am ASG ist in diesem Fall zunächst ein Vergleichsversuch vorzunehmen; führt dieser nicht binnen vier Wochen zu einer Einigung, so steht dem/der AG die Möglichkeit einer Klage offen, die auf Einwilligung der AN in die vom/von der AG vorgeschlagenen Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung gerichtet ist. Verabsäumt der/die AG die Einleitung eines Vergleichsversuches vor dem ASG bzw im Anschluss daran die Einbringung einer Klage, so kann die AN die Elternteilzeit nach den von ihr geforderten Bedingungen antreten.

Kommt es dagegen zur Klage durch den/die AG, so hat das ASG die betrieblichen Erfordernisse gegen die Interessen der AN abzuwägen und sich je nach Ergebnis dieser Interessenabwägung für die Teilzeitvariante der AN oder für den Gegenvorschlag des/der AG zu entscheiden. Gegen die E des Gerichts gibt es gem § 15k Abs 6 MSchG keine Berufungsmöglichkeit.

Während des laufenden Gerichtsverfahrens kann freilich noch keine Elternteilzeit in Anspruch genommen werden – was für die AN dann problematisch sein kann, wenn sie sich nicht mehr in Elternkarenz befindet. Einen möglichen Ausweg bietet hier § 15m Abs 1 MSchG, der der AN erlaubt, binnen einer Woche nach Scheitern der Verhandlungen mit dem/der AG eine Ersatzkarenz in Anspruch zu nehmen, und zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes entweder anstelle der Teilzeitbeschäftigung (Z 1) oder bis zur E des ASG (Z 2), in beiden Fällen aber längstens bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes.

Im vorliegenden Fall hat die AN ihre Inanspruchnahme von Ersatzkarenz auf Z 1 gestützt, dann aber erneut einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung für die Zeit nach dieser Ersatzkarenz angemeldet. Der Rechtsstreit dreht sich damit inhaltlich um die Frage, ob die anstelle der Teilzeitbeschäftigung in Anspruch genommene Ersatzkarenz zugleich einen endgültigen Verzicht der AN auf den Anspruch auf Elternkarenz bedeutet oder ob – wie vom Erstgericht angenommen – darin nur ein vorläufiges Zurückziehen des Begehrens auf Teilzeitbeschäftigung zu sehen ist, das einen neuerlichen Versuch der Inanspruchnahme von Elternteilzeit nach Ablauf der Ersatzkarenz nicht ausschließt.

Der OGH hatte zu dieser inhaltlichen Frage allerdings (noch) nicht Stellung zu nehmen, sondern lediglich über den Rekurs der Bekl gegen die Zurückweisung ihrer Berufung gegen das Urteil des Erstgerichts zu entscheiden, die das Berufungsgericht mit dem Rechtsmittelausschluss in § 15k Abs 6 MSchG begründet hat. Der OGH weist diesbezüglich darauf hin, dass sich der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nur auf Elternteilzeitverfahren gem § 15k Abs 3 bis 5 MSchG bezieht. Dabei muss es sich iSd obigen Ausführungen jedenfalls um eine Klage des/der AG handeln, da in § 15k MSchG nur diesem/dieser die Verpflichtung zur Klage auferlegt wird. Auf eine vom/von der AN eingebrachte Feststellungsklage, mit der die Berechtigung zum Antritt der Elternkarenz nach den vom/von der AN bekannt gegebenen Bedingungen geprüft werden soll, kommt der Rechtsmittelausschluss nicht zur Anwendung.

Die Prüfung der spannenden Frage nach der Zulässigkeit einer neuerlichen Geltendmachung des Anspruchs auf Elternteilzeit nach Inanspruchnahme einer Ersatzkarenz nach § 15m Abs 1 Z 1 MSchG geht damit in die nächste Runde. Es ist wohl davon auszugehen, dass sich der OGH in absehbarer Zeit auch mit dieser Thematik auseinanderzusetzen haben wird.145