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Anrechnung von Ersatzzeiten für Schulbesuch

FRANJOMARKOVIC

Nach § 227 Abs 1 Z 1 ASVG werden höchstens drei Jahre des Besuchs einer höheren Schule, die nach Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen haben, als Ersatzzeit anerkannt. Dabei kann nur ein ganzes Schuljahr, das mit 1.9. beginnt und mit 31.8. des Folgejahres endet, berücksichtigt werden. Beiträge können nur für jene Kalendermonate, die nicht ohnehin bereits als Beitragsmonate gelten, entrichtet werden. Eine (Um-)Verteilung der Monate, so dass sie sich nicht mit Beitragsmonaten decken, ist nicht möglich.

SACHVERHALT

Der Kl hatte nach Vollendung seines 15. Lebensjahres ua vom 9.6.1965 bis 28.6.1968 ein Bundesrealgymnasium (BRG) und vom 21.9.1971 bis 6.7.1972 eine Bundeshandelsakademie besucht. Bereits im Jahr 1988 war ihm mit Bescheid der Pensionsversicherungsversicherungsanstalt (PVA) die Entrichtung von Beiträgen für 24 Monate mittlere/höhere Schule bewilligt worden, mit einem weiterem Bescheid vom 1.3.2006 wurde die durch eine Gesetzesänderung möglich gewordene Beitragsentrichtung für weitere zwölf Monate mittlere/höhere Schule bewilligt. Mit Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (GKK) vom 22.3.2006 wurde allerdings festgestellt, dass der Kl nach Abschluss des letzten Schuljahres im BRG in den Monaten Juli und August 1968 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung nach dem ASVG erworben hatte; die zur Nachentrichtung vorgeschriebenen Beiträge wurden vom Kl bezahlt. Die PVA leitete nach Kenntnisnahme vom Bescheid der GKK ein Wiederaufnahmeverfahren ein, hob den Bescheid vom 1.3.2006 auf und sprach aus, dass dem Kl die Beitragsentrichtung für (nur mehr) zehn Monate mittlere/höhere Schule bewilligt werde.

Der VwGH hob diesen Bescheid allerdings in Folge wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf, da die neu hervorgekommene Tatsache der versicherungspflichtigen Beschäftigung des Kl während der Sommermonate 1968 erst durch die Nachentrichtung der Beiträge entscheidungswesentlich geworden, diese aber erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens erfolgt sei. In weiterer Folge teilte die PVA dem Kl mit, dass keine Möglichkeit bestehe, die zwei Monate des Schulbesuchs, die sich mit Zeiten der Pflichtversicherung überschneiden, anderweitig zu lagern.

Die nunmehr bekl Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gewährte dem Kl ab 1.1.2012 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer iHv € 3.707,693 brutto monatlich. In seiner Klage begehrte der Kl eine um € 10,88 höhere Pension mit der Begründung, die Bekl habe zwei Monate der von ihm nachgekauften Versicherungszeiten aufgrund von Schulbesuchen derartig gelagert, dass sie sich mit Zeiten der ASVG-Pflichtversicherung überschneiden und sich der Nachkauf dieser beiden Monate nicht auf die Höhe seiner Pension auswirke. Da er aufgrund rechtskräftiger Bescheide berechtigt sei, insgesamt 36 Monate des Besuchs einer höheren Schule nachzukaufen, gehe es nicht an, bei der Pensionsberechnung nur 34 Monate zu berücksichtigen, so dass die beiden strittigen Monate in jenen Zeitraum zu verlagern seien, in welchem der Kl die Bundeshandelsakademie besucht habe.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNGEN

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass nach den Vorgaben des Gesetzes nur volle Schuljahre nach Vollendung des 15. Lebensjahres als Ersatzzeiten zu berücksichtigen seien, und dass eine Verlagerung von in den Jahren 1965 bis 1968 absolvierten Schulbesuchsmonaten in den Zeitraum des Besuchs der Handelsakademie nicht in Frage komme. Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil keine höchstgerichtliche Rsp zur Frage der Zulässigkeit einer „Umlagerung von Versicherungsmonaten“ vorliege.

Der OGH beurteilte die Revision als zulässig, aber nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„2.2 Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 ObS 179/06f, SSV-NF 20/83, zur Bestimmung des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG bereits ausgesprochen, dass nach dieser Gesetzesstelle nicht der Schulbesuch schlechthin als Ersatzzeit zu berücksichtigen ist, sondern nur derjenige, der die besondere Qualifikation dieser Gesetzesstelle aufweist. Zu dieser Qualifikation gehört aber, dass ein volles Schuljahr vorliegt, das nach Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat. […] Im Hinblick auf diese erweiterte Berücksichtigung von Schul- und Studienzeiten als Versicherungszeiten wurden auch die Bestimmungen über die Lagerung dieser Zeiten (‚ab 1. November‘)151 durch das Budgetbegleitgesetz 2003 aufgehoben, da dadurch die Bestimmungen über die Lagerung dieser Zeiten überflüssig geworden sind. Bei Besuch von inländischen mittleren oder höheren Schulen im Sinne des Schulorganisationsgesetzes ist in Anlehnung an § 2 Schulzeitgesetz 1985 der Beginn der Ersatzzeit nunmehr grundsätzlich mit 1. September eines Jahres anzunehmen. Das Schuljahr endet daher jeweils mit 31. August des folgenden Jahres (vgl Teschner/Widnar/Pöltner, MGA-ASVG, 95. Erg-Lfg, Anm 8 zu § 227 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).

Voraussetzung für die Anrechnung von Schul- und Studienzeiten nach § 227 Abs 1 Z 1 ASVG ist nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung (‚und zwar jedes volle Schuljahr, angefangen von demjenigen, das im Kalenderjahr der Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat, mit 12 Monaten‘) aber weiterhin, dass ein volles Schuljahr vorliegt, das nach der Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat. Insoweit hat die Regelung des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG auch durch das Budgetbegleitgesetz 2003 keine Änderung erfahren (10 ObS 179/06f, SSV-NF 20/83).

2.3 Dass bei der Anrechnung von Schulzeiten nach der Novelle durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71, der Beginn der Ersatzzeit grundsätzlich mit 1. September eines Jahres anzunehmen ist, entspricht auch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH2007/08/0122; 2006/08/0218). Dieser hat auch darauf hingewiesen, dass aus dem Wortlaut des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG unmittelbar zwei Grundsätze abzuleiten sind: Es sind nur ganze Schuljahre anzurechnen und es sind höchstens drei Schuljahre anzurechnen. […] Es ist daher auch nicht möglich, die höchstzulässige Zahl von 36 Ersatzmonaten so auf die gesamte Schulzeit (das heißt auf mehr als drei Schuljahre) zu verteilen, dass sie sich möglichst nicht mit Beitragsmonaten decken (vgl Gerhartl, Nachkauf von Schul- und Studienzeiten für die Pension, ASoK 2011, 228 [230]).

2.4 Der Gesetzgeber ermöglicht somit durch die Regelung des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG unter anderem den Erwerb von Ersatzzeiten für drei bestimmte, jeweils vom 1.9. eines Jahres bis 31.8. des Folgejahres zu rechnende Schuljahre, in denen der Versicherte einer (grundsätzlich ganzjährigen) Schulausbildung nachgegangen ist und daher nicht in der Lage war, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Bei Ersatzzeiten handelt es sich in der Regel um Zeiten, während derer der Versicherte aus verschiedenen vom Gesetzgeber anerkannten Gründen nicht in der Lage war, Beiträge zu entrichten, etwa weil er wegen Schulausbildung, Entbindung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Präsenz- oder Zivildienst zur Beitragsleistung nicht im Stande war (RIS-Justiz RS0084574 [T5]). Deckt sich daher der Zeitraum, der nach dem Gesetz als Ersatzzeit in Betracht kommt, mit einem Beitragsmonat, besteht somit schon nach dem Zweck des Gesetzes keine Notwendigkeit für eine Berücksichtigung als Ersatzmonat oder für eine Verlagerung auf eine andere Periode. […]

3.3 Beiträge, die nach § 227 Abs 3 und 4 ASVG bzw § 116 Abs 9 und 10 GSVG entrichtet wurden, damit Ersatzzeiten für (unter anderem) den Besuch von Schulen oder Hochschulen anspruchs- oder leistungswirksam werden, sind dem Versicherten in dem Umfang vom leistungspflichtigen Versicherungsträger zu erstatten, als die Anspruchs- oder Leistungswirksamkeit dieser Ersatzzeiten nicht eintritt (vgl § 70b ASVG, § 33a GSVG).“

ERLÄUTERUNG

Mit der gegenständlichen E stellt der OGH klar, unter welchen Voraussetzungen Kalendermonate des Besuchs einer höheren Schule als Ersatzzeiten iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG anerkannt werden. Zu klären war insb die Frage, ob Schulmonate, die sich mit Beitragszeiten decken, so verteilt werden können, dass sie sich nicht mit Beitragsmonaten überschneiden, so dass sie als Ersatzzeiten anerkannt werden und sich somit – nach Entrichtung der Beiträge – positiv auf die Pensionshöhe auswirken können.

Für den Besuch einer mittleren oder höheren Schule nach Vollendung des 15. Lebensjahres werden nach § 227 Abs 1 Z 1 ASVG bis zu 36 Monate als Ersatzzeiten anerkannt, wobei allerdings nur der Besuch eines vollen Schuljahres eine Ersatzzeit begründen kann und eine Teilberücksichtigung eines Schuljahres ausgeschlossen ist. Als Beginn des Schuljahres nimmt die Rsp in Anlehnung an § 2 SchulzeitG 1985 grundsätzlich jeweils den 1.9. eines Jahres an, das Schuljahr endet daher jeweils mit 31.8. des folgenden Jahres. Liegen in diesem Zeitraum Zeiten der Pflichtversicherung (Beitragsmonate) vor, dann sind diese nicht als Ersatzzeiten zu berücksichtigen. Hat ein Versicherter beispielsweise aufgrund eines (bezahlten) Ferialpraktikums Beitragsmonate im Juli und August eines Schuljahres erworben, dann können im betreffenden Schuljahr maximal zehn Monate, nämlich September bis Juni, als Ersatzzeit anerkannt werden. Beitragsmonate können nicht zugleich auch als Ersatzmonate berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall liegen insgesamt vier volle Schuljahre vor. Nur für zwei Jahre wird dem Kl die volle Anzahl (jeweils zwölf Monate) als Ersatzzeit anerkannt. Im dritten Jahr werden zehn Monate als Ersatzzeit anerkannt, weil sich zwei Monate (Juli und August) mit Beitragsmonaten decken. Da nur ganze Schuljahre angerechnet werden können, ist eine Aufteilung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Einheit von zwölf Ersatzmonaten auf mehr als ein volles Schuljahr und somit auch eine Verlagerung der fehlenden zwei Monate auf das vierte Schuljahr nicht möglich. So-152mit können insgesamt nur 34 von 36 (maximal) möglichen Monaten als Ersatzzeit berücksichtigt werden.

Von der Anerkennung von Ersatzzeiten muss deren Wirksamwerden in der Pensionshöhe unterschieden werden. Pensionswirksam werden Ersatzzeiten nämlich erst dann, wenn Sozialversicherungsbeiträge iHv 22,8 % der Höchstbeitragsgrundlage entrichtet werden (siehe § 227 Abs 3 ASVG). Im Ergebnis sind für den Kl für die drei Schuljahre insgesamt 36 Versicherungsmonate pensionswirksam geworden: Einerseits 34 Ersatzmonate, für die Versicherungsmonate „nachgekauft“ wurden, und anderseits zwei Beitragsmonate. Freilich hat der Kl hier aber Beiträge für 36 Ersatzmonate entrichtet. Für die restlichen beiden Monate bejaht der OGH nun einen Rückforderungsanspruch nach § 70b ASVG bzw nach § 33a GSVG: Ist der Nachkauf von Leistungen zwar genehmigt worden, werden die entsprechenden Beiträge dann aber nicht anspruchs- oder leistungswirksam, so sind sie dem Versicherten vom leistungspflichtigen Versicherungsträger in aufgewerteter Form rückzuerstatten.