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„Ständiges Hüsteln“ erfordert kein besonderes Entgegenkommen des Dienstgebers

ANDREATUMBERGER

Die 1972 geborene Kl hat keinen Beruf erlernt und war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag in verschiedenen Hilfsarbeiterberufen tätig. Seit 1.9.2007 bezog sie eine befristete Invaliditätspension; die beantragte Weitergewährung wurde von der PVA abgelehnt. Die Kl leidet seit Jahren unter einem therapieresistenten Reizhusten.

Die gegen den Bescheid eingebrachte Klage wurde vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang abgewiesen. Das Erstgericht stellte fest, dass die Kl neben anderen Gesundheitsstörungen an einem Hustenreiz ungeklärter Ursache leidet. Sie muss deswegen ungefähr alle drei Minuten für 30 Sekunden ihre Arbeit „unterbrechen“, sich die Hand vorhalten, den Mund mit einem Taschentuch reinigen und die Hände abwischen. Die Kl könne aufgrund ihres Leistungskalküls noch Tätigkeiten als Bürohilfskraft (als Poststellenmitarbeiterin) und/oder als Bürobotin sowie als Hilfskraft für Aufsichtstätigkeiten (wie Tagportier) ausüben.

Der Berufung der Kl wurde Folge gegeben und das Ersturteil dahingehend abgeändert, dass der Kl die Invaliditätspension über den 31.1.2011 hinaus weiter zu gewähren sei. Das OLG führte rechtlich dazu aus, dass die Kl noch auf die vom Erstgericht festgestellten Berufe verwiesen werden kann, sie diese jedoch nur mit besonderem Entgegenkommen des AG und ihrer ArbeitskollegInnen ausüben könnte. Der OGH hielt in seiner rechtlichen Beurteilung der Revision fest, dass die Frage, auf welche Tätigkeiten ein Versicherter verwiesen werden darf, eine Rechtsfrage sei. Zu ihrer Lösung bedürfe es zunächst der Feststellung des medizinischen Leistungskalküls sowie der Anforderungen, die mit einem bestimmten Verweisungsberuf verbunden sind. Grundsätzlich darf ein Versicherter auf eine Berufstätigkeit dann nicht verwiesen werden, wenn er diese nur unter der Voraussetzung eines besonderen Entgegenkommens seines AG verrichten kann. Auch dabei handelt es sich nach Ansicht des OGH um eine Rechtsfrage. Die objektive Beweislast dafür, dass ein Versicherter in einem Verweisungsberuf auf ein solches besonderes Entgegenkommen des AG angewiesen wäre, treffe den Versicherten.

Der OGH hielt in diesem Zusammenhang fest, dass nach den getroffenen Feststellungen davon auszugehen sei, dass die Kl gesundheitlich in der Lage ist, den Verweisungsberuf einer Bürobedienerin zu verrichten. Der vom Berufungsgericht beigezogene berufskundliche Sachverständige habe ausgeführt, dass es sich bei den von ihm hochgerechneten 72 Minuten „Arbeitsunterbrechung“ pro Arbeitstag um keine echten Arbeitspausen, sondern um abgeschwächte Formen der Arbeitsunterbrechung handle. Es sei der Kl während dieser Zeit weiterhin möglich, gewisse Tätigkeiten zu verrichten. Der OGH folgerte daraus, dass demzufolge der Beweis für die Notwendigkeit vermehrter Arbeitspausen, die einen Ausschluss vom Arbeitsmarkt bedeuten, von der beweispflichtigen Kl nicht erbracht wurde. Weiters wurde im Gutachten ausgeführt, dass bereits ein Vorstellungsgespräch auf Grund des ständigen Hüstelns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich nicht zum Erfolg führen würde. Dies ist nach Ansicht des OGH jedoch deshalb unbeachtlich, da nach der ständigen Rsp die Möglichkeit, einen konkreten Arbeitsplatz zu erlangen, nicht zu den Tatbestandsmerkmalen der geminderten Arbeitsfähigkeit gehöre. Auch das Argument, ein beständiges Hüsteln wäre für das Arbeitsumfeld derart belastend, dass die Kl bei der Verrichtung jeglicher Tätigkeit auf ein besonderes Entgegenkommen sowohl des AG als auch der ArbeitskollegInnen angewiesen sei, hielt der OGH für nicht stichhaltig. Denn der Kl sei nach wie vor die Tätigkeit einer Bedienerin möglich. Diese Tätigkeit wäre nicht mit Parteienverkehr verbunden und ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch im Wesentlichen allein auszuführen.

Der OGH ging daher im Ergebnis von der Existenz eines Verweisungsberufes aus und verneinte deshalb einen Anspruch auf Invaliditätspension.161