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Auswirkungen einer Lebensgemeinschaft auf den Anspruch auf Ausgleichszulage

MONIKAWEISSENSTEINER

Im Fall einer Lebensgemeinschaft ist eine Einrechnung der Einkünfte von LebensgefährtInnen nach § 292 Abs 2 ASVG weiterhin ausgeschlossen. Es sind Erhebungen anzustellen und Feststellungen betreffend bedarfsmindernde Zuwendungen des/der Lebensgefährten/in zu treffen.

SACHVERHALT

Der 1950 geborene Kl bezieht eine Pension samt Ausgleichszulage von der PVA. Seit 2010 lebt er in einer Lebensgemeinschaft. Beide Lebensgefährten tragen alle laufenden Kosten (Miet-, Betriebs-, Strom-, Heizungs-, Telefon- und Fernsehkosten) sowie auch die Kosten für Lebensmittel in Höhe von ca € 600,- monatlich je zur Hälfte. Der Kl zahlt daher ca € 300,- monatlich.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Im September 2014 erfuhr die PVA von der Lebensgemeinschaft, setzte die Ausgleichszulage neu fest und forderte den Überbezug zurück. Als Begründung wurde ausgeführt, dass bei einer Lebensgemeinschaft bestimmte Fixkosten (Miete, Strom, Heizkosten, etc) nur einfach auflaufen. Im Hinblick auf die daraus folgende Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung gelte die halbe Differenz zwischen dem doppelten Einzelrichtsatz und dem Familienrichtsatz als weiteres Einkommen, sofern infolge der Lebensführung keine tatsächliche Trennung dieser Kosten möglich bzw nachweisbar sei. Mit der Klage wurden die Neufestsetzung der Ausgleichszulage und die Rückforderung bekämpft, weil gegen die Lebensgefährtin keine Unterhaltsansprüche bestehen.

Das Erstgericht beurteilte die „Berechnungsformel“ der Anrechnung auf die Ausgleichszulage durch die PVA zwar als unzulässig, rechnete aber den halben Wert der freien Station auf die Ausgleichszulage an und korrigierte die Höhe der Ausgleichszulage und des Überbezugs.

Das OLG gab der Berufung der Bekl keine Folge, der Berufung des Kl gab es teilweise Folge. Es sei zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Ausgleichszulagenbezieher bedarfsmindernde Zuwendungen des Lebensgefährten erhalte. Entscheidend sei, ob der Ausgleichszulagenbezieher trotz der Lebensgemeinschaft für Wohnung und Ernährung Geldbeträge aufwenden müsse, die in etwa so hoch seien wie der in § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG genannte Wert. Da der Kl in Summe monatlich ca € 300,- aufwende, sei eine Anrechnung der vollen „freien Station“ nicht vorzunehmen.

Die Revision der Bekl ist zwar zulässig, aber nach Ansicht des OGH nicht berechtigt. Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass die von der Bekl allein aufgrund der Tatsache des Bestehens einer Lebensgemeinschaft angestrebte Berücksichtigung eines zusätzlichen Nettoeinkommens des Kl auf seinen Anspruch auf Ausgleichszulage nicht in Betracht kommt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Die Ausgleichszulage ist ein Differenzbetrag, der gemäß § 292 Abs 1 ASVG einem Pensionsberechtigten gebührt, wenn die Summe aus (Brutto-)Pension und sonstigen Nettoeinkünften unter Berücksichtigung gewisser Unterhaltsansprüche sowie des Nettoeinkommens des/der Ehegatten/Ehegattin (eingetragenen Partners) einen bestimmten Mindestbetrag, den Richtsatz (§ 293 Abs 1 ASVG), nicht erreicht (Pfeil in SV-Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 2).

1.2 Bei der Ausgleichszulage handelt es sich um keine Versicherungsleistung im engeren Sinn, sondern um eine Leistung mit Fürsorge-(Sozialhilfe-)charakter, die zusammen mit der Pension, dem aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten sichern soll (RIS-Justiz RS0085127; RS0084847).

1.3 Das Ausgleichszulagenrecht geht von einem umfassenden Einkommensbegriff aus. […] In diesem Sinn werden auch wiederkehrende Sachbezüge erfasst (RIS-Justiz RS0085296 [T3]). Von der Berücksichtigung sämtlicher Einkünfte des Pensionsberechtigten sind nur die in § 292 Abs 4 ASVG taxativ aufgezählten Einkünfte ausgenommen. […]

Schon aus der ausdrücklichen Anführung der Sachbezüge und der hiefür normierten Pauschalrechnung unabhängig vom tatsächlichen Wert (§ 292 Abs 3 ASVG) ergibt sich eindeutig, dass auch wiederkehrende Sachbezüge (freies Quartier und Verpflegung) als Einkünfte in Geldeswert jedenfalls als Einkommen zu berücksichtigen sind (10 ObS 36/12k). […]

Bei der Feststellung der Ausgleichszulage ist gemäß § 292 Abs 2 ASVG auch das gesamte Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (der Ehegattin) oder eingetragenen Partners (der eingetragenen Partnerin) zu berücksichtigen. Diese Regelung wurde gemeinsam mit einem besonderen Richtsatz (‚Familienrichtsatz‘) für Ehepaare (eingetragene Partner) eingeführt. Der Gesetzgeber geht somit im Ausgleichszulagenrecht davon aus, dass bei im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (eingetragenen Partnern) in der Regel eine so enge Wirtschafts-162gemeinschaft besteht, die bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nicht nur den höheren sogenannten Familienrichtsatz rechtfertigt, sondern auch die Berücksichtigung des gesamten Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (der Ehegattin) bzw des eingetragenen Partners (der eingetragenen Partnerin). Mit Rücksicht darauf, dass bestimmte fixe Kosten (zB Kosten für Wohnung, Heizung, Beleuchtung usw) auch bei gemeinsamer Lebensführung nur einfach auflaufen, liegt der Familienrichtsatz nicht unerheblich unter der Summe der Richtsätze für zwei getrennt lebende Personen (vgl 10 ObS 201/03m, SSV-NF 17/103).

4.1 Es trifft zwar zu, dass es auch durch ein gemeinsames Wirtschaften von Lebensgefährten in der Regel zu einer tatsächlichen Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung kommt (vgl 10 ObS 244/98z, SSV-NF 12/96 =

[Kerschner]
= ZAS 1999/11, 115 [Brodil] ua), weil es bei einer gemeinsamen Haushaltsführung nicht unbeträchtliche Einsparmöglichkeiten und hauswirtschaftliche Synergien gibt. Es wurde in der Rechtsprechung aber ebenfalls bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgleichszulage – anders als bei der Notstandshilfe (vgl § 36 Abs 2 und 3 AlVG) – darauf verzichtet hat, das Einkommen des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) anzurechnen und somit eine Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) bei der Prüfung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nicht vorgesehen ist (10 ObS 271/03f, SSV-NF 19/48; Pfeil in SV-Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 24). Im Ausgleichszulagenrecht fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dem Ausgleichszulagenbezieher unter Anwendung des Familienrichtsatzes das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) nach der Art einer zwischen Ehegatten (eingetragenen Partnern), die im gemeinsamen Haushalt leben, bestehenden engen Wirtschaftsgemeinschaft zuzurechnen.

4.2 Im Fall einer Lebensgemeinschaft kommt daher nur die Berücksichtigung im Einzelnen festgestellter, bedarfsmindernder Zuwendungen des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) in Betracht. […] Wie bereits ausgeführt, gilt für die Bewertung von Sachbezügen eines Ausgleichszulagenbeziehers – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer. […]

In dem hier zu beurteilenden Fall ist unbestritten, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin im Rahmen ihrer Lebensgemeinschaft gemeinsam wirtschaften. Für die Beurteilung des Anspruchs des Klägers auf Ausgleichszulage ist daher maßgeblich, inwieweit er im strittigen Zeitraum seinen Unterhaltsbedarf mindernde Zuwendungen von seiner Lebensgefährtin erhalten hat bzw ob ihm im Rahmen der Lebensgemeinschaft freie Station gewährt wurde, die ihm bei der Berechnung der Ausgleichszulage als Sachbezug mit Versorgungscharakter mit dem in § 292 Abs 3 ASVG hiefür für maßgeblich erklärten Bewertungssatz anzurechnen wäre. Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen sind im Rahmen der Lebensgemeinschaft keine Zuwendungen an den Kläger erfolgt, sondern hat er die Hälfte aller im Rahmen der Lebensgemeinschaft anfallenden laufenden Kosten (Miet-, Betriebs-, Strom-, Heizungs-, Lebensmittel-, aber auch Telefon- und Fernsehkosten) selbst getragen. Ein finanzieller Vorteil bzw Synergieeffekt käme dem Kläger nur dann und insoweit zu, als in diesen Lebenshaltungskosten auch ausschließlich ihm (allein) zugutekommende Leistungen enthalten wären und er sich den dafür notwendigen Geldaufwand erspart. Dafür bietet der festgestellte Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte. […]

Die von der beklagten Partei im Bescheid angewendete Berechnungsmethode, pauschal die halbe Differenz vom doppelten Einzelrichtsatz auf den Familienrichtsatz als weiteres Einkommen iSd § 293 Abs 3 ASVG anzunehmen und diese Differenz als zusätzliches monatliches Nettoeinkommen auf den Ausgleichszulagenanspruch des Klägers anzurechnen, findet im Gesetz keine Deckung und steht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung. […] Zusammenfassend ist daher im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die von der beklagten Partei allein aufgrund der Tatsache des Bestehens einer Lebensgemeinschaft angestrebte Berücksichtigung eines zusätzlichen monatlichen Nettoeinkommens des Klägers auf seinen Anspruch auf Ausgleichszulage im Sinne der oben dargelegten Ausführungen […] nicht in Betracht kommt, weil der Kläger nach den getroffenen Feststellungen im Rahmen der Lebensgemeinschaft die Hälfte aller anfallenden Lebenshaltungskosten trägt und somit eine (auch nur teilweise) Deckung seines Lebensunterhalts durch seine Lebensgefährtin nicht erfolgt.“

ERLÄUTERUNG

In der österreichischen PV gibt es keine Mindestpension, aber für BezieherInnen einer Pension aus der gesetzlichen PV soll die Ausgleichszulage ein gewisses Mindesteinkommen sicherstellen. Der Richtsatz für Alleinstehende beträgt derzeit (2016) € 882,78; der Richtsatz für Pensionsberechtigte, die mit dem/der Ehegatten/in bzw dem/der eingetragenen Partner/in im gemeinsamen Haushalt leben € 1.323,58.Der sogenannte Familienrichtsatz ist nicht doppelt so hoch wie der Einzelrichtsatz, sondern beträgt ca das 1,5-fache. Bei der Feststellung der Ausgleichszulage ist auf das gesamte Nettoeinkommen der im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten abzustellen. Der Gesetzgeber geht von einem gemeinsamen Wirtschaften aus, das bestimmte „Ersparnisse“ gegenüber zwei Einzelpersonen infolge nur einmal anfallender Fixkosten (Miete, Betriebskosten, usw)163 mit sich bringt. Im Gesetz ist aber – anders als etwa bei der Notstandshilfe – keine Berücksichtigung von Einkommen von LebensgefährtInnen vorgesehen. Es kommt weder eine Anwendung des Familienrichtsatzes in Frage noch eine Anrechnung von „Unterhaltsansprüchen“ gegenüber LebensgefährtInnen. Nach der Rsp (OGH 6.9.2005, 10 ObS 271/03f) sind nur tatsächlich zufließende Leistungen auf den Anspruch anzurechnen. Eine Anrechnung kann auch bei rechtsmissbräuchlich nicht geltend gemachten Ansprüchen stattfinden (was aber für Lebensgemeinschaften nicht in Frage kommt).

Tatsächlich „zufließende“ Leistungen bei Lebensgemeinschaften bzw bedarfsmindernde Zuwendungen eines Lebensgefährten an den anderen sind in einem ordentlichen Verfahren festzustellen. Die im vorliegenden Fall von der PVA vorgenommene „formelhafte“ Anrechnung von Einkommen des/der Lebensgefährten/in und damit Schmälerung des Anspruchs auf Ausgleichszulage entspricht weder dem Gesetz noch der Judikatur. (Anm der Bearbeiterin: Offenbar wurde diese Formel in der Praxis seit einiger Zeit in vergleichbaren Fällen angewendet.) Bereits das Erstgericht hatte entschieden, dass diese Formel auf die unzulässige Anrechnung des Einkommens der Lebensgefährtin des Kl hinauslaufe. Es kam jedoch zum Ergebnis, dass die halbe freie Station anzurechnen sei, weil der Kl die Hälfte der aller monatlichen Kosten trage. Das Berufungsgericht lehnte die (pauschale) Anrechnung der vollen freien Station ab. Dazu wurde vom OGH klargestellt: Die Anrechenbarkeit des in § 292 Abs 3 ASVG vorgesehenen jeweiligen Pauschalwerts kann nicht davon abhängen, welche Beträge der Ausgleichszulagenbezieher selbst monatlich aufwendet. Nach den Feststellungen trägt der Kl die Hälfte aller anfallenden Lebenshaltungskosten; er erhält somit keine Zuwendungen der Lebensgefährtin, die seinen Lebensunterhalt decken, weshalb die Anrechnung auf die Ausgleichszulage nicht zu Recht erfolgte und auch keine Verpflichtung zum Rückersatz eines Überbezugs besteht.

Eine weitere E vom selben Tag (OGH 22.2.2016, 10 ObS 9/16w) befasst sich ebenfalls mit der Frage der Auswirkungen einer Lebensgemeinschaft auf den Ausgleichszulagenanspruch.

Die PVA hat dieselbe „Formel“ bei der Anrechnung von Einkommen in einer Lebensgemeinschaft angewendet. Über Revision der Kl hob der OGH das Urteil (soweit nicht rechtskräftig) auf und verwies die Rechtssache an die erste Instanz zurück. Es sind Feststellungen darüber zu treffen, welche bedarfsmindernden Zuwendungen des Lebensgefährten der Kl tatsächlich zugeflossen sind. Es liegt nach Auffassung des OGH jedenfalls keine pauschal anzurechnende freie Station vor, wenn der Lebensgefährte die Lebensmittel bezahle. Der OGH verweist auf § 6 der SachbezugswerteVO, der auf die Anschaffungskosten verweist, stellt aber klar, dass die Kosten für Lebensmittel, die dem Lebensgefährten selbst zukommen, nicht zu berücksichtigen sind. Auch zu den weiteren Kosten (für Strom, Haushaltsversicherung und die Mitbenutzung des Kfz) sind noch Feststellungen zu treffen. Abschließend stellt der OGH klar, dass es Sache des bekl Versicherungsträgers ist, durch Vorbringen entsprechender Tatsachen einzuwenden, dass der Anspruch auf Ausgleichszulage aufgrund bestimmter Einkünfte oder Unterhaltsansprüche vermindert oder aufgehoben wird.