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Krankengeldbezug im Ausmaß von sieben Tagen am Ende des Beobachtungszeitraums schadet nicht dem Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld

MURATIZGI

Das Nichtbestehen einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit am Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums kann eine unschädliche „Unterbrechung“ iSd Gesetzes darstellen, so dass bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die Anspruchsvoraussetzung iSd § 24 Abs 1 Z 2 KBGG in diesen Zeitraum erfüllt ist.

SACHVERHALT

Im Beobachtungszeitraum vor Beginn des Beschäftigungsverbotes befand sich die Kl infolge Krankheit regelmäßig tage- bzw wochenweise bis zum Mutterschutzbeginn am 26.7.2013 im Krankenstand und hatte in diesen Zeiträumen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber ihrem DG. Dieser Anspruch endete am 18.7.2013. Ab 19.7.2013 bis 25.7.2013 (sieben Tage) bezog sie Krankengeld im Ausmaß von 100 % von der Krankenfürsorgeanstalt, ab dem 26.7.2013 Wochengeld im gesetzlichen Ausmaß. Mit diesem Tag wurde sie auch aus gesundheitlichen Gründen vom Amtsarzt freigestellt. Am 21.12.2013 gebar sie ihre Tochter.

Die Kl begehrte die Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld gem § 24 KBGG als Ersatz des Erwerbseinkommens für den gesetzlich vorgesehenen Zeitraum. Die Krankenfürsorgeanstalt (KFA) wies den Antrag ab, dagegen wurde die Klage erhoben.169

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht gab der Klage statt und führte zusammengefasst rechtlich aus, dass das in der letzten Woche des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums bezogene Krankengeld als nicht schädliche „Unterbrechung“ iSd § 24 KBGG gilt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Rechtlich ging es davon aus, dass der Krankenstand der Kl bis 18.7.2013 als tatsächliche Ausübung der Erwerbstätigkeit iSd § 24 KBGG gilt. Da der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aber am 18.7.2013 geendet habe, die Pflichtversicherung weggefallen sei und die Kl vom 19.7.2013 bis 25.7.2013 – somit in der letzten Woche des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums – Krankengeld bezogen habe, erfülle sie nicht die Voraussetzungen einer sechsmonatigen tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit, sondern könne nur fünf Monate und 23 Tage vorweisen. Zudem sprach das Berufungsgericht der Revision die Zulässigkeit ab.

Der OGH ließ hingegen die (außerordentliche) Revision zu und erachtete diese auch als berechtigt. Er ging davon aus, dass es sich bei einem Krankengeldbezug im Ausmaß von sieben Tagen am Ende des Beobachtungszeitraums um eine unschädliche Unterbrechung der Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 1 Z 2 KBGG handle. Da die Kl somit eine durchgehende sechsmonatige Erwerbstätigkeit nachweisen könne, habe sie Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen es sich bei den Zeiten eines Krankengeldbezugs um Zeiten einer nicht anspruchsschädigenden ‚Unterbrechung‘ der Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 1 Z 2 KBGG handelt, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 5/14d vom 25. 2. 2014 Stellung genommen. Es wurde ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei dieser Ausnahmeregelung ganz offenbar Sachverhalte vor Augen gehabt hat, die sich während des für die Erfüllung des Erwerbstätigkeitserfordernisses maßgebenden Sechsmonatszeitraums ereignen. Der Gesetzgeber habe diesen Zeitraum nicht einfach der Ausübung der Erwerbstätigkeit gleichgestellt, sondern ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Beobachtungszeitraum von sechs Monaten lediglich durch 14 Tage ohne Erwerbstätigkeit unterbrochen werden darf. ‚Unterbrochen‘ könne aber nur etwas werden, das bereits begonnen habe. Die sechsmonatige Erwerbstätigkeit müsse daher bereits begonnen haben, um in der Folge – gegebenenfalls unschädlich – unterbrochen werden zu können. Das Nichtbestehen einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu Beginn des sechsmonatigen Zeitraums stelle daher keine ‚Unterbrechung‘ im Sinne des Gesetzes dar, sodass die Anspruchsvoraussetzung iSd § 24 Abs 1 Z 2 KBGG in diesen Zeiträumen nicht erfüllt sei (RIS-Justiz RS0129363).

Aus dieser Entscheidung ist aber nicht zwingend ableitbar, dass auch im vorliegenden Fall eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 1 Z 2 KBGG ausgeschlossen ist. Während die Entscheidung 10 ObS 5/14d das Nichtbestehen einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu Beginn des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums zum Gegenstand hatte, ist nunmehr ein innerhalb des bereits begonnenen sechsmonatigen Beobachtungszeitraums gelegener Zeitraum ohne sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zu beurteilen. Wenngleich der in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG verwendete Begriff ‚ Unterbrechung‘ nach den dargelegten Ausführungen in der Entscheidung 10 ObS 5/14d erfordert, dass eine sechsmonatige Erwerbstätigkeit bereits begonnen hat, ist diesem Begriff nach den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts nicht immanent, dass es sich dabei um eine bloß ‚vorübergehende‘ Unterbrechung handeln dürfe, die ‚Unterbrechung‘ daher jedenfalls noch vor dem Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums endet bzw die sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit von der Mutter jedenfalls noch vor dem Beginn des Beschäftigungsverbots wieder aufgenommen wird. Im gegenständlichen Fall kann – anders als in dem zu 10 ObS 5/14d beurteilen Fall – keine Rede davon sein, dass die sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit der Klägerin bei Beginn des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums nicht ebenfalls bereits ‚begonnen‘ hätte. […] Endet der sechsmonatige Beobachtungszeitraum demnach während oder mit einer Unterbrechung, bleibt es dabei, dass auch diese Unterbrechung nicht anspruchsschädlich ist, sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen.“

ERLÄUTERUNG

Die Unterinstanzen haben zutreffend dargelegt, dass das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nur jenen Eltern offenstehen soll, die vor der Geburt tatsächlich erwerbstätig waren. Die Erwerbstätigkeit muss durchgehend in den letzten sechs Monaten vor der Geburt tatsächlich ausgeübt worden sein, wobei sehr geringfügige Unterbrechungen (das sind solche von bis zu 14 Tagen) zulässig sind, um Härtefälle zu vermeiden (§ 24 Abs 1 Z 2 KBGG; ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16). Keine Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit stellen demnach Zeiten des Urlaubs oder der Krankheit unter der Voraussetzung dar, dass die Sozialversicherungspflicht aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt, wie es etwa bei der arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlung der Fall ist. Zeiten eines Krankenstands ohne arbeitsrechtliche Entgeltfortzah-170lung stellen hingegen keine Zeiten einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG dar (RIS-Justiz RS0129362 [T1]).

Mit der KBGG-Novelle BGBl I 2011/139 wurde zur Verhinderung von Missbrauchsfällen klargestellt, dass eine Gleichstellung der Zeiten des Mutterschutzes oder der gesetzlichen Karenz mit den Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nur dann möglich ist, wenn zuvor eine mindestens sechs Monate andauernde Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde (RIS-Justiz RS0129310). Als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten demnach auch Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung der zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz.

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass bei der Kl im gegenständlichen Verfahren im maßgebenden Zeitraum ab 26.1.2013 zunächst eine durchgehende sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG vorlag. Diese Erwerbstätigkeit wurde durch den Wegfall der Pflichtversicherung infolge Beendigung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung mit 18.7.2013 bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots am 26.7.2013 „unterbrochen“. Zutreffend führt der OGH ins Treffen, dass bei der von der Bekl vertretenen Betrachtungsweise einem Elternteil das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld etwa auch dann versagt werden müsste, wenn eine Unterbrechung erstmals am letzten Tag des Sechsmonatszeitraums der durchgehenden Erwerbstätigkeit eintritt. Dieses Auslegungsergebnis würde – wie die Revisionswerberin aufzeigt – aber nicht nur der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen, Härtefälle zu vermeiden, sondern auch zu einer sachlich ungerechtfertigten Benachteiligung jener AnspruchswerberInnen führen, die nicht während, sondern am Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums ihre sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit – etwa infolge einer Erkrankung ohne Entgeltfortzahlungsanspruch – im Rahmen des § 24 KBGG unterbrechen müssen. Endet demnach der sechsmonatige Beobachtungszeitraum während oder mit einer Unterbrechung, bleibt es dabei, dass auch diese Unterbrechung nicht anspruchsschädlich ist, sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass der OGH einerseits der Intention des Gesetzgebers, Härtefälle zu vermeiden, und andererseits der Zielsetzung der Mutterschutzregelungen, wonach während der Schwangerschaft der Schutz sowohl der Mutter als auch des Kindes im Vordergrund zu stehen hat, Rechnung getragen hat.

Zudem wurde mit dieser E einer sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung jener AnspruchswerberInnen, die nicht während, sondern am Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums ihre sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit – etwa infolge einer Erkrankung ohne Entgeltfortzahlungsanspruch – im Rahmen des § 24 KBGG unterbrechen müssen, entgegengewirkt.