88Keine Rückforderbarkeit von Fortbildungskosten bei niederösterreichischen Spitalsärzten
Keine Rückforderbarkeit von Fortbildungskosten bei niederösterreichischen Spitalsärzten
Die Bestimmungen des NÖ Landes-Bedienstetengesetzes (NÖ LBG) über die Rückzahlbarkeit von Aus- und Weiterbildungskosten bei AN-Kündigung sind auf gesetzlich vorgeschriebene Fortbildungen für ÄrztInnen nicht anzuwenden.
Der als Oberarzt beim Land NÖ nach dem NÖ Spitalsärztegesetz 1992 (NÖ SAG 1992) beschäftigte AN absolvierte in einem Zeitraum von knapp dreieinhalb Jahren mehrere berufliche Fortbildungen, für die ihm vom AG Sonderurlaub bei vollen Bezügen gewährt wurde. Das Arbeitsverhältnis wurde durch AN-Kündigung beendet. Der AG forderte das während der Fortbildung geleistete Entgelt nach § 48a NÖ SAG iVm § 94 NÖ LBG aliquot zurück.
Die Vorinstanzen sprachen dem AG die Klagsforderung zu. Dagegen richtete sich die außerordentliche Revision des AN, der vom OGH stattgegeben wurde. Für Fortbildungskosten, die von Aus- und Weiterbildungskosten zu unterscheiden seien, bestehe in Übereinstimmung mit der Lehre zu § 2d AVRAG nach niederösterreichischem Dienstrecht keine Rückzahlungsverpflichtung.
„Zwischen den Parteien ist […] strittig, ob unter dem Begriff Aus- und Weiterbildungskosten nach § 48a NÖ SAG 1992 iVm § 94 NÖ LBG auch Fortbildungskosten zu verstehen sind.
Dass der NÖ Landesgesetzgeber – neben den Begriffen Ausbildung und Weiterbildung – den Begriff Fortbildung als eigenständigen Begriff kennt139und zumindest zwischen Ausbildung nach der Ärztinnen/Ärzte-Ausbildungsordnung 2006 […] sowie Fortbildung und (davon) dem Erwerb einer Zusatzausbildung unterscheidet, zeigt die Bestimmung des § 37 NÖ SAG 1992, die den Sonderurlaub regelt.
Die Lehre unterscheidet ebenfalls zwischen Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung. Soll die Ausbildung die Grundbefähigung eines Arztes vermitteln, dient die Fortbildung der Erhaltung der Fähigkeit zur Berufsausübung nach den leges artes, also der Aktualisierung der […] erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse. Unter Weiterbildung wird der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen […] im Sinne einer Vertiefung einzelner Schwerpunkte verstanden.
Der Landesgesetzgeber spricht auch im NÖ Krankenanstaltengesetz (NÖ KAG) ausdrücklich von Fortbildung: So legt dessen § 19b fest, dass der Rechtsträger der Krankenanstalt für die ständige Fortbildung der in der Krankenanstalt beschäftigten Ärzte Vorsorge zu treffen hat. Eine ausdrückliche Fortbildungspflicht für Ärzte wurde mit der 2. ÄrzteG-Novelle eingeführt. Seither sieht § 49 Abs 1 Satz 2 ÄrzteG 1998 vor, dass sich ein Arzt laufend im Rahmen anerkannter Fortbildungsprogramme der Ärztekammern […] fortzubilden hat.
Arbeitsrechtliche Folge dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen ist […] die Verpflichtung des Krankenanstaltsträgers, dem angestellten Spitalsarzt die Teilnahme an […] Fortbildungsveranstaltungen unter Entgeltfortzahlung zu ermöglichen (Stadler, Rechtliche Rahmenbedingungen für die berufliche Fortbildung von angestellten Spitalsärzten, RdM 2011/84, 114 f).
Wenn der NÖ Landesgesetzgeber daher […] seinen Ärzten Sonderurlaub zur wissenschaftlichen Fortbildung unter Fortzahlung des Entgelts gewährt (§ 37 Abs 1 Z 2 NÖ SAG 1992), dann ist es nur konsequent, wenn der NÖ Landesgesetzgeber in § 94 NÖ LBG nur eine Rückzahlungsverpflichtung für Aus- und Weiterbildungskosten, nicht aber auch für bloße Fortbildungskosten vorsieht.
[…] Dies steht im Übrigen auch in Einklang mit der Lehre zur allgemeinen Bestimmung über den Ausbildungskostenrückersatz nach § 2d AVRAG.
Das Begehren der Klägerin […] findet somit keine Stütze in den von ihr geltend gemachten Bestimmungen über den Rückersatz von Aus- und Weiterbildungskosten nach § 48a NÖ SAG 1992 iVm § 94 NÖ LBG.“
§ 48a NÖ SAG sieht iVm § 94 NÖ LBG vor, dass der AN bei Selbstkündigung innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss einer Aus- und Weiterbildung aliquot Ersatz für die dem AG entstandenen Kosten zu leisten hat. Zu den zu ersetzenden Kosten zählen auch die während einer Dienstfreistellung unter Fortzahlung der Bezüge gezahlten Entgelte. Im vorliegenden Fall hatte der OGH nun zu beurteilen, ob die in verschiedenen Landes- und Bundesgesetzen für ÄrztInnen verpflichtend vorgeschriebenen Fortbildungen unter den Begriff der Aus- und Weiterbildung iSd § 48a NÖ SAG fallen.
Das Höchstgericht stellte fest, dass der Landesgesetzgeber selbst in verschiedenen landesgesetzlichen Bestimmungen zwischen Fortbildungen einerseits und Aus- und Weiterbildung andererseits differenziert. Eine Ausbildung vermittelt die Grundkenntnisse, die zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit befähigen. Während eine Weiterbildung mit einer Erweiterung der bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten und dem Erwerb zusätzlicher Qualifikationen verbunden ist, dienen Fortbildungen nur dem Erhalt der bereits vorhandenen Qualifikation durch Aktualisierung des Wissensstandes. Aus diesem Grund greift bei Fortbildungen auch nicht das der Rückzahlungsverpflichtung von Aus- und Weiterbildungen zugrunde liegende Hauptmotiv des Gesetzgebers, dass vom AN auf Kosten des AG erworbene Zusatzqualifikationen nicht primär Dritten zu Gute kommen sollen. Fortbildungen sind, gerade auch in Hinblick auf die für ÄrztInnen bestehende gesetzliche Verpflichtung, vielmehr als Voraussetzung ordnungsgemäßer Berufsausübung im unmittelbaren dienstlichen Interesse gelegen. Aus den vom Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierungen in den landesrechtlichen Bestimmungen ist daher abzuleiten, dass Fortbildungen nicht als Aus- und Weiterbildungen iSd § 48a NÖ SAG iVm § 94 NÖ LBG aufzufassen sind. Der OGH grenzt deshalb auch den vorliegenden Sachverhalt klar von einer früheren E vom 4.3.2013 zu 8 ObA 2/13x ab, bei der eine Zusatzqualifikation erworben worden war und demnach eine Weiterbildung und keine bloße Fortbildung vorlag.
Bemerkenswert an dieser E des OGH ist darüber hinaus, dass er in der Begründung ausdrücklich darauf verweist, dass seine Beurteilung im Einklang mit der Lehre zum Ausbildungskostenrückersatz nach § 2d AVRAG steht. Gerade weil das AVRAG auf das vorliegende Arbeitsverhältnis zweifelsfrei nicht anzuwenden ist und im Unterschied zum nö Landesdienstrecht den Begriff der Fortbildung nicht kennt, erscheint dieser Querverweis beachtlich. Denn damit deutet der OGH an, dass Fortbildungen, die ausschließlich bereits erworbenes Wissen aktualisieren und keine neuen Qualifikationen vermitteln, auch im Bereich des § 2d AVRAG nicht unter den Begriff der Ausbildungen fallen.140