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Krankheitsbedingte Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses als unzulässige Diskriminierung?

ANDREASMAIR (INNSBRUCK)
  1. Die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses während der Probezeit wegen einer Schwangerschaft oder wegen eines sonstigen geschützten Merkmals kann gem § 12 Abs 7 GlBG (§ 26 Abs 7 GlBG) bzw § 7f Abs 1 BEinstG angefochten werden.

  2. Eine Krankheit allein erfüllt keinen Diskriminierungstatbestand.

  3. Die gerichtliche Anfechtung der Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses wegen Behinderung erfordert die Beachtung der besonderen verfahrensrechtlichen Kautelen des BEinstG.

1. Die behauptete Nichtigkeit und der geltend gemachte Verfahrensmangel liegen – wie der OGH geprüft hat – nicht vor.

Qualifiziert das Gericht Feststellungen zu einem Themenbereich ausgehend von seiner Rechtsansicht als nicht relevant und nimmt es aus diesem Grund zu diesem Themenbereich keine Beweise auf, so beruht die angebliche Unvollständigkeit der Tatsachengrundlage nicht auf der Verletzung von Verfahrensvorschriften, sondern auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung. In einem solchen Fall liegt allenfalls ein der Rechtsrüge zuzuordnender sekundärer Feststellungsmangel vor. Auch dies ist hier nicht der Fall.

2. Die Kl steht in der außerordentlichen Revision auf dem Standpunkt, dass bei ihr keine Behinderung iSd BEinstG vorliege und dieses Gesetz daher nicht zur Anwendung gelange. Sie berufe sich auf eine schwere (psychische) Krankheit. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit wegen einer schweren Krankheit sei diskriminierend. Die Bestimmung des § 12 Abs 7 GlBG sei analog anzuwenden.

3. Die Anfechtungsregelung nach dem GlBG folgt in ihrer Konzeption der Anfechtung einer verpönten Motivkündigung (9 ObA 81/05k). Beruft sich der AN auf ein verpöntes Motiv oder auf einen Diskriminierungstatbestand, so hat er diesen Umstand glaubhaft zu machen. Ob die Glaubhaftmachung, also die Bescheinigung der behaupteten Tatsachen, gelungen ist oder nicht, stellt das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung dar. Gelingt dem AN, das Motiv oder den Diskriminierungstatbestand glaubhaft zu machen, so kann der AG das Gericht ebenfalls durch Glaubhaftmachung überzeugen, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes vom AG geltend gemachtes Motiv bzw ein anderer Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausschlaggebend war (vgl 8 ObA 59/14f).

Bei großzügiger Auslegung ihres Vorbringens hat die Kl in diesem Sinn ua auch behauptet, das250 Lehrverhältnis sei während der Probezeit wegen ihrer Krankheit aufgelöst worden. So hat sie vorgebracht, dass der AG noch schnell die Notbremse gezogen habe. Wenn eine Schwangerschaft eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle, müsse die „Kündigung“ wegen einer schweren Krankheit analog betrachtet werden.

4.1. Zur Anfechtung der Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses wegen einer Schwangerschaft hat der OGH in der E 9 ObA 4/05m (vgl auch 9 ObA 81/05k) ausführlich Stellung genommen. Darin wurde ausgeführt:

„Wenngleich es sich bei der Lösungsmöglichkeit eines Probedienstverhältnisses nach der Rechtsprechung um eine Auflösungsmöglichkeit besonderer Art handelt, die einer Kündigung oder Entlassung oder einem Austritt nicht gleichzuhalten ist, so liegt doch die Beendigung eines bereits begründeten Arbeitsverhältnisses vor. Macht eine Arbeitnehmerin, deren Probedienstverhältnis gerade wegen ihrer Schwangerschaft aufgelöst wurde, die Diskriminierung glaubhaft und gelingt demgegenüber dem beklagten Arbeitgeber nicht der Beweis, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war, gilt die Sanktion des § 2a Abs 8 GlBG aF bzw nunmehr des § 12 Abs 7 GlBG.“

Aus Anlass dieser E wurde durch BGBl I 2008/98 die Anfechtung einer diskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit ausdrücklich in den Gesetzestext des § 12 Abs 7 GlBG aufgenommen (RV 415 BlgNR 23. GP 6; Brenn in

Reissner
, AngG2 § 19 Rz 100 f).

4.2. Es ist somit richtig, dass die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auch während der Probezeit (auch bei einem Lehrverhältnis während der Probezeit nach § 15 Abs 1 BAG und auch bei einem begünstigten Behinderten während der Probezeit nach § 8 Abs 1 BEinstG) wegen einer Schwangerschaft – oder aber bei Diskriminierung wegen eines sonstigen geschützten Merkmals außer jenem der Behinderung – gem § 12 Abs 7 GlBG angefochten werden kann (vgl Brenn in

Reissner
, AngG2 § 19 Rz 54 und 100 f).

5.1 Die Kl ist nicht schwanger, sondern beruft sich auf eine psychische Krankheit.

Dazu entspricht es der Rsp, dass die Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses im Grundsatz jederzeit und insb auch während krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung des AN erfolgen kann. Kennt das Gesetz schon keinen besonderen Kündigungsschutz wegen einer krankheits- oder unfallsbedingten Arbeitsverhinderung, so muss dies umso mehr für die jederzeit mögliche Auflösung während der Probezeit gelten (9 ObA 154/03t; vgl auch 9 ObA 66/14t).

Daraus folgt, dass die Auflösung eines (Probe-) Arbeitsverhältnisses wegen Krankheit grundsätzlich nicht unter den Schutzbereich der RL 2000/78/EG fällt. Auch nach der Rsp des EuGH kann Krankheit und Behinderung nicht ohne weiteres miteinander gleichgesetzt werden (EuGHC-335/11, HK Danmark, Rz 42 und 73; vgl auch 9 ObA 165/13z). Eine Krankheit allein erfüllt also keinen Diskriminierungstatbestand.

5.2 Demgegenüber handelt es sich bei einer Behinderung um ein eigenes Schutzziel nach der RL 2000/78/EG, das zu keiner nachteiligen Behandlung führen darf (EuGHC-335/11, HK Danmark, Rz 71; 8 ObA 68/13b). Es ist daher auch die Anfechtung der Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses möglich, wenn die Auflösung wegen einer Behinderung erfolgt (vgl 9 ObA 60/13h; Brenn in

Reissner
, AngG2 § 19 Rz 72).

Dazu entspricht es der Rsp des EuGH, dass eine heilbare oder unheilbare Krankheit unter den Begriff „Behinderung“ iSd RL 2000/78/EG fallen kann, wenn sie eine Einschränkung mit sich bringt, die insb auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen AN, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist (EuGHC-335/11, HK Danmark, Rz 41; C-354/13, FOA, Rz 59).

6.1 Mit Bezug auf den Anlassfall ist nun zu berücksichtigen, dass die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben für die von Diskriminierung in der Arbeitswelt betroffenen Personenkreise (insb der RL 2006/54/EG und 2000/78/EG) – außer für Menschen mit Behinderung – einerseits im GlBG erfolgte (vgl Brenn in

Reissner
, AngG2 Rz 100 f). Hinsichtlich des nach der RL 2000/78/EG geschützten Merkmals der Behinderung einer Person erfolgte die Umsetzung demgegenüber im BEinstG, insb in den §§ 7a bis 7r idF BGBl I 2005/82 (Hopf/Mayr/ Eichinger, GlBG § 7a BEinstG Rz 1).

Daraus folgt, dass die Anfechtung der Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen Behinderung nur unter den besonderen verfahrensrechtlichen Kautelen des BEinstG möglich ist. Eine solche Anfechtung lässt das Gesetz nicht nur bei einem begünstigten Behinderten (im Fall einer Kündigung gilt § 7 Abs 3 BEinstG), sondern auch bei einer festgestellten Behinderung von unter 50 % oder einer sonst tatsächlich bestehenden Behinderung iSd § 3 BEinstG zu (§ 7f iVm § 7k BEinstG; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7f BEinstG Rz 2).

6.2 Bei der Kl handelt es sich um keine begünstigte Behinderte. Das in den genannten Vorschriften vorgesehene obligatorische Schlichtungsverfahren hat sie nicht eingehalten. Dementsprechend gesteht die Kl ausdrücklich zu, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Auflösung ihres Probearbeitsverhältnisses nach den Bestimmungen des BEinstG nicht erfüllt sind.

Die Berufung der Kl auf einen Analogieschluss zu § 12 Abs 7 GlBG ist mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht tragfähig (vgl 8 ObA 91/11g; 8 ObA 57/14m). Der Gesetzgeber hat für die Rechtsfolgen bei Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen einer Behinderung spezielle Regelungen vorgesehen, wobei zwischen § 12 Abs 7 GlBG und § 7f Abs 1 BEinstG eine inhaltliche Übereinstimmung besteht (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7f BEinstG Rz 1).

6.3 Letztlich könnte nur fraglich sein, ob die besonderen verfahrensrechtlichen Kautelen, die für die Anfechtung der Auflösung eines (Probe-) Arbeitsverhältnisses wegen einer Behinderung ein-251gehalten werden müssen, den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechen.

Dies ist zu bejahen. Nach Art 9 Abs 1 der RL 2000/78/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser RL auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.

Nach dem den Mitgliedstaaten eingeräumten Umsetzungsspielraum kann somit ausdrücklich auch ein Schlichtungsverfahren vorgesehen werden, in dem aufgrund besonderer Sachkunde auf die Erfordernisse etwa bei der Feststellung einer Behinderung in angemessener Weise besonders bedacht werden kann.

7. Insgesamt gelingt es der Kl nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

ANMERKUNG

Die einseitige Auflösung von Arbeitsverhältnissen erkrankter AN lässt sich immer weniger als rechtlich nicht weiter zu hinterfragende Option für AG begreifen. Dies verhindern nämlich Vorgaben des internationalen (Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen [UN-BRK], BGBl III 2008/155) und europäischen Rechts (Art 21 GRC und die RL 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl 2000 L 303/16), die erkrankten AN unter bestimmten Voraussetzungen Schutz und Unterstützung bieten, wenn sie mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses konfrontiert sind (dazu Mair, Krankheit als Behinderung, wbl 2014, 541 [546 ff]). Im vorliegenden Beschluss hatte der OGH die Frage zu klären, ob eine wegen der psychischen Erkrankung einer Auszubildenden vorgenommene Auflösung ihres Lehrverhältnisses in der Probezeit antidiskriminierungsrechtlich bekämpft werden kann. Den Ausführungen des OGH ist dabei sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zuzustimmen.

1.
Freie Lösbarkeit eines Probearbeitsverhältnisses?

Die früher vertretene Auffassung, ein Probearbeitsverhältnis sei jederzeit von jedem der beiden Vertragsparteien ohne Vorliegen von bestimmten Gründen lösbar (stellvertretend dafür Grillberger in

Floretta/Spielbüchler/Strasser
, Arbeitsrecht I4 [1998] 356), musste in den letzten Jahren entscheidend revidiert werden. Zwar anerkennt die Arbeitsrechtsordnung das Bedürfnis von AN und AG, am Beginn ihrer rechtlichen Beziehung nur in „verdünnter“ Form aneinander gebunden zu sein, um die fachliche Eignung des AN näher prüfen bzw das betriebliche Umfeld genauer kennenlernen zu können (Brenn in
Reissner
[Hrsg], AngG-Kommentar2 [2015] § 19 Rz 46). Dazu können AN und AG ein sogenanntes Arbeitsverhältnis auf Probe (§ 1158 Abs 2 ABGB, § 19 Abs 2 AngG) begründen, dessen Eigenart darin besteht, dass AN und AG während der (meist einen Monat dauernden) Probezeit die Möglichkeit haben, ihre vertragliche Beziehung ohne Bindung an Termine und Fristen zu lösen.

Was aber die vermeintliche Freistellung einer Probezeitlösung von Sachgründen betrifft, so hat der OGH in seiner richtungsweisenden E (so Eichinger, Anm zu OGH9 ObA 4/05mDRdA 2006/39, 385 [386]) vom 31.8.2005 darauf hingewiesen, dass antidiskriminierungsrechtlich verpönte Differenzierungen den AG keinesfalls zur Lösung des Probearbeitsverhältnisses veranlassen dürfen (vorher bereits von Löschnigg, Schwangerschaft und Beendigung im Probemonat im Lichte der RL 92/85/EWG und 76/207/EWG, DRdA 2002, 365 [369] hellsichtig angemahnt; auch der OGH hat schon früh auf die Möglichkeit einer Bekämpfung einer Probezeitlösung wegen schikanöser Rechtsausübung aufmerksam gemacht: OGH4 Ob 123/57Arb 6742). Auf Basis der damals geltenden Rechtslage bezeichnete es der OGH als einen „unüberwindbare[n] Wertungswiderspruch, wollte man nur die Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses und eine Kündigung bzw Entlassung, nicht aber auch eine aus Gründen der geschlechtlichen Diskriminierung erfolgende Auflösung eines Probedienstverhältnisses sanktionieren“ (OGH9 ObA 4/05mSZ 2005/121 = DRdA 2006/39, 384 [zust Eichinger]). Diese deutlichen Worte veranlassten den Gesetzgeber, mit einer Novelle zum GlBG (BGBl I 2008/98) AN auch die Anfechtung einer Probezeitlösung zu ermöglichen, sofern der AN glaubhaft machen kann, dass die Lösungserklärung des AG auf das Vorliegen eines verpönten Differenzierungsmerkmals (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung) zurückzuführen ist (§ 12 Abs 7 und § 26 Abs 7 GlBG). Seit dieser gesetzgeberischen Klarstellung kann von einer sachgrundlosen Lösungsmöglichkeit eines Probearbeitsverhältnisses nicht mehr gesprochen werden (Runggaldier, Auflösung eines Probedienstverhältnisses nach sexueller Belästigung, RdW 2006/705, 770 [772]). Vielmehr ist eine Probezeitlösung aus rechtlicher Sicht nur dann akzeptabel, wenn sie diskriminierungsfrei erfolgt. Dies wird vom OGH im vorliegenden Beschluss auch bestätigt.

2.
Psychische Erkrankung als Ausübungsschranke für eine Probezeitlösung?

Ebenso wenig wie die im GlBG genannten verpönten Differenzierungsmerkmale darf eine Behinderung des AN den AG zur Auflösung des Probearbeitsverhältnisses motivieren. § 7f Abs 1 BEinstG erlaubt nämlich die Anfechtung einer Probezeitlösung dann, wenn eine Behinderung des AN dafür252 der ausschlaggebende Grund gewesen sein sollte. In dem vom OGH zu beurteilenden Fall hat sich die AN allerdings nicht explizit auf eine Behinderung, sondern auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung berufen. Es ist zwar richtig, dass eine Krankheit nicht zu den von Art 21 GRC und Art 1 RL 2000/78/EG positivierten verpönten Differenzierungsmerkmalen gehört. Allerdings – und das ist das Entscheidende – hat der EuGH beginnend mit der E in der Rs HK Danmark (EuGH 11.4.2013, C-335/11und C-337/11, DRdA 2014/2, 30 [Windisch-Graetz] = ZESAR 2013, 415 [Hießl]) ein gewandeltes Verständnis vom Behinderungsbegriff entwickelt, das es unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, auch eine Erkrankung als antidiskriminierungsrechtlich relevante Behinderung zu qualifizieren (siehe dazu Jesgarzewski, Kündigungsschutz von AN mit Behinderung – Begriffsbestimmungen der Behinderung durch BAG und EuGH, ArbuR 2015, 437 [441]; Mair, wbl 2014, 543 f). Dazu ist erforderlich, dass es sich bei der Erkrankung um eine Einschränkung handelt, die insb auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben hindern können, sofern diese Einschränkung von langer Dauer ist (EuGHC-335/11 und EuGHC-337/11, HK Danmark, DRdA 2014/2, 30 [Windisch-Graetz] = ZESAR 2013, 415 [Hießl]; EuGH 18.12.2014, C-354/13, FOA, DRdA 2015/40, 316 [Kozak] = ZESAR 2015, 337 [Mair]). Anknüpfend an diese Definition hat der EuGH bereits Kreuzschmerzen und schwere Adipositas als behinderungsgleiche Krankheiten qualifiziert, die den davon Betroffenen den Status eines/r AN mit Behinderungen verschafft haben.

Dass auch eine psychische Erkrankung, diese verstanden als durch objektivierbare Störungen wesentlicher Funktionen des Gehirns bedingte Einschränkung von Fähigkeiten, die „das Leben der betroffenen Person direkt gefährden“ (Heinz, Der Begriff der psychischen Krankheit [2014] 335), eine behinderungsgleiche Krankheit sein kann, ist nicht von vornherein ausgeschlossen (Pärli/Naguib, Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit [2013] 14, 74), schließlich spricht der EuGH selbst von „psychischen Beeinträchtigungen“, die zu einer Behinderung führen können. Allerdings – und darauf weist der OGH zutreffend hin – kann nicht jede psychische Erkrankung automatisch als eine Behinderung eingestuft werden, sondern dies ist nur dann möglich, wenn diese Gesundheitsstörung mit einer länger dauernden Funktionseinschränkung verbunden ist, die den Betroffenen in der Teilhabe am Arbeitsleben beeinträchtigt (Kocher, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, in

Schlachter/Heinig
[Hrsg], Europäisches Arbeits- und Sozialrecht [2016] § 5 Rz 94 ff; Grünberger, Nichtdiskriminierungsrecht, in
Preis/Sagan
[Hrsg], Europäisches Arbeitsrecht [2015] § 3 Rz 96). Erst damit ist die Erheblichkeitsschwelle erreicht, deren Überschreiten es dem Antidiskriminierungsrecht erlaubt, mit seinen rechtlichen Vorkehrungen der stigmatisierenden Wirkung von psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken (Grünberger, Personale Gleichheit [2013] 588 f; von Kardorff, Zur Diskriminierung psychisch kranker Menschen, in
Hormel/Scherr
[Hrsg], Diskriminierung. Grundlagen und Forschungsergebnisse [2010] 279 [288 ff]).

Bei der von der Kl geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkung sah der OGH die Möglichkeit, diese als behinderungsgleiche Krankheit zu qualifizieren, um damit den Anwendungsbereich der antidiskriminierungsrechtlichen Schutzvorkehrungen des BEinstG eröffnen zu können, nicht von vornherein als gänzlich unplausibel an. Damit lehnte der OGH zwar richtigerweise die Argumentation der AN ab, eine wegen einer psychischen Erkrankung ausgesprochenen Probezeitlösung berechtige sie zur Anfechtung derselben nach § 12 Abs 7 GlBG (analog). Allerdings erachtete der OGH im vorliegenden Fall eine Anfechtung der Probezeitlösung auf der Grundlage von § 7f Abs 1 BEinstG für denkbar. Damit kommt aber eine verfahrensrechtliche Besonderheit des BEinstG ins Spiel, die der Kl letztlich zum Verhängnis wurde. § 7k Abs 1 BEinstG verlangt nämlich, dass vor der Befassung der Arbeits- und Sozialgerichte das vermeintliche Diskriminierungsopfer ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren bei der jeweiligen Landesstelle des Sozialministeriumservice einzuleiten hat (§§ 14 ff BGStG). Damit verbindet sich die Erwartung, die Arbeits- und Sozialgerichte von einer Vielzahl von Klagen möglicher Diskriminierungsopfer zu entlasten, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass mit der Durchführung des Schlichtungsverfahrens bereits der überwiegende Teil der Diskriminierungsfälle einer gütlichen Einigung zwischen Täter und Opfer zugeführt werden kann (ErläutRV 836 BlgNR 22. GP 15). Dieses Schlichtungsverfahren, das sich einer überraschend großen Akzeptanz erfreut (Schober/Sprajcer/Horak/Klein/Djukic/Soriat, Sozialwissenschaftliche Analyse des Behindertengleichstellungsrechts, in

Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
[Hrsg], Evaluierung des Behindertengleichstellungsrechts [2012] 9 [22]), ist zwingend durchzuführen und kann auch nicht durch ein Ausweichen in das GlBG im Wege der Analogieziehung umgangen werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – die materielle Anspruchsgrundlage eindeutig in das BEinstG verweist.

3.
Fazit

Der OGH bekräftigt im vorliegenden Beschluss die inhaltliche Schrankenwirkung des Antidiskriminierungsrechts für eine Probezeitlösung und rezipiert dabei die vom EuGH angestoßene Fortentwicklung des Behinderungsbegriffs. Zugleich öffnet das Höchstgericht die Tür für eine antidiskriminierungsrechtlich relevante Anerkennung psychisch bedingter Gesundheitsstörungen als behinderungsgleiche Erkrankungen. Dies ist vor dem Hintergrund neuester Zahlen, die eine deutliche Zunahme seelischer Erkrankungen belegen (Leoni, Fehlzeitenreport 2015 [2015] II, 51 f, abrufbar unter www.hauptverband.at [10.3.2016]), ein wichtiges und nicht zu unterschätzendes Signal.253