130

Dienstnehmerhaftpflicht – Mäßigung erfolgt unter Gesamtbetrachtung aller Schadensereignisse

MANFREDTINHOF

Der bekl Busfahrer hat seinem ehemaligen AG dadurch einen Schaden zugefügt, dass er am Tag der Fahrt zunächst ein (für ihn sichtbares) Verkehrsschild übersehen hat, das Lenker breiter Fahrzeuge vor der Weiterfahrt warnte. Er ist nach dem Anstreifen beider Längsseiten des Busses an einer engen Stelle der Straße dennoch weiter gefahren, bis es nicht mehr möglich war, vorwärts zu kommen. Daraufhin hat er sich schließlich dafür entschieden, im Rückwärtsgang etwa zwei bis drei Kilometer bergauf zurück zu fahren, wodurch ein Getriebeschaden durch Überhitzung entstand und der Bus fahruntüchtig wurde. Der AG klagte den entstandenen Schaden beim AN ein.

Der OGH kam zu dem Ergebnis, dass die Vorinstanzen mit der Minderung des Schadenersatzes auf rund ein Drittel des der Kl entstandenen Schadens nicht gegen die in der Rsp des OGH anerkannten Kriterien für die Mäßigung verstoßen haben, die schon begrifflich unscharf ist und keine exakte Rechnung sein kann. Für das Mäßigungsrecht nach § 2 DHG gibt es keine „fixe“ Grenze dahin, dass bei grober Fahrlässigkeit eine Mäßigung nur auf zwei Drittel des Schadens, bei leichter Fahrlässigkeit eine Mäßigung nur auf ein Drittel des Schadens vorgenommen werden könnte.

Die Unterscheidung der vom Bekl am Reisebus der Kl verursachten Schäden in die bei der Hinfahrt durch die zu enge Straße und die beim Rückwärtsfahren entstandenen in „zwei separate Schadensereignisse“ ist für die Frage der Haftung oder der Mäßigung der Ersatzpflicht des Bekl nicht von Bedeutung.

ERLÄUTERUNG

Das DHG wurde ins Leben gerufen, da es auf Grund des höheren Schadensrisikos als unbillig empfunden wurde, würde man die strengen Schadenersatzregeln des ABGB auch auf Schäden anwenden, die ein AN bei Erbringung seiner Dienstleistung verursacht. In diesem Fall hätte der AN auch bei leichtem Verschulden für den gesamten Schaden einzustehen. Aufgrund der zunehmenden Technisierung der Arbeitsprozesse vervielfachen sich aber nicht nur die Möglichkeiten einer Schadenszufügung, sondern erhöhen sich auch die zu erwartenden Schadensbeträge, die in der Regel in krassem Missverhältnis zu den Einkommen der AN stehen. Deshalb sieht das DHG die Mäßigung des Schadenersatzanspruches des AG je nach Grad des Verschuldens des AN vor.

Mit der gegenständlichen E hat der OGH allerdings klargestellt, dass bei der Mäßigung nicht schematisch nach dem Verschuldensgrad vorgegangen werden kann. Es gibt keine fixen Mäßigungsgrenzen. Entscheidend sind die Gesamtumstände. Dasselbe gilt auch für den Grad des Verschuldens. Deshalb wurde im gegenständlichen Fall auch nicht ausgesprochen, ob das Verhalten des AN noch leicht oder schon grob fahrlässig war. Der OGH verweist lediglich darauf, dass auch eine Reihe von jeweils nicht grob fahrlässigen Fehlhandlungen in ihrer Gesamtheit grobe Fahrlässigkeit begründen kann. Im Ergebnis kommt es für die Frage der Haftung oder Mäßigung der Ersatzpflicht des AN also nicht auf die einzelnen Schadensereignisse, sondern auf eine Gesamtbetrachtung aller Ereignisse an.207