132

Insolvenzrichtlinie: Keine unmittelbare Wirkung bei Missbrauch

MARGITMADER
§ 1 Abs 2 Z 1 IESG; Art 3, 4 und 12 Insolvenz-RL (2008/94/EG)

Missbrauchsfälle sind vom Schutzzweck des IESG nicht umfasst und daher von der Insolvenz-Entgeltsicherung ausgenommen. Diese Ausnahme steht im Einklang mit der Insolvenz-RL (2008/94/EG). Auch den Entscheidungen des EuGH ist nicht zu entnehmen, dass im Fall von Missbrauch die Mindestsicherung nach Art 3 der Insolvenz-RL zusteht. Der Ansatz, im Fall eines atypischen Arbeitsverhältnisses – aber ohne Kollusion – stehe die Mindestsicherung nach der Insolvenz-RL zu, was weitergehende Ansprüche nach dem IESG ausschließe, ist daher verfehlt. Entweder liegt ein Missbrauchsfall (iS eines atypischen Arbeitsverhältnisses, das einem Fremdvergleich nicht standhält) vor, der zur Ablehnung der Ansprüche führt, oder die Ansprüche sind nach dem IESG zu beurteilen.

SACHVERHALT

Die Kl war von 14.11.1989 bis 26.3.2015 als Angestellte beschäftigt. Das Unternehmen wurde in Form einer GmbH & Co KG betrieben, wobei der Bruder der Kl 100 %-iger Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sowie Kommanditist und damit wirtschaftlicher Eigentümer des Unternehmens war. Am 3.2.2015 wurde ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über das Vermögen des AG eröffnet. Das Arbeitsverhältnis der Kl endete am 26.3.2015 durch berechtigten Austritt gem § 25 IO. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren die Entgeltansprüche der letzten sechs Monate sowie die Weihnachtsremuneration für 2014 ausständig. Die Ansprüche auf laufendes Entgelt sowie aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Abfertigung, Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung) wurden im Insolvenzverfahren als Insolvenzforderungen angemeldet und als Insolvenz-Entgelt bei der Insolvenz-Entgeltfonds-(IEF-)Service GmbH beantragt.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Von der IEF-Service GmbH wurden nur die Ansprüche auf laufendes Entgelt für die ersten drei Monate, die aliquote Weihnachtsremuneration für drei Monate sowie die Abfertigung als Insolvenz-Entgelt zuerkannt. Die darüber hinausgehenden Ansprüche auf laufendes Entgelt, Weihnachtsremuneration, Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung wurden abgewiesen.

Als Begründung der Abweisung wurde angeführt, dass das Arbeitsverhältnis der Kl als atypisch einzustufen sei, da der Kl die finanziellen Verhältnisse des AG bekannt gewesen seien208 und sie darüber hinaus auch ein familiäres Naheverhältnis zum Gesellschafter und Geschäftsführer des Unternehmens gehabt habe. Es bestehe daher kein Anspruch nach dem IESG. Da aber keine Kollusion vorliege, seien ihr die Ansprüche entsprechend der Mindestsicherung nach Art 3 der Insolvenz-RL (2008/94/EG) zuzusprechen. Diese Mindestsicherung umfasse nur das laufende Entgelt für drei Monate sowie eine Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach österreichischem Recht handle es sich hierbei um die Abfertigung, die von darüber hinausgehenden Schadenersatzansprüchen, wie Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung, abzugrenzen sei. Für die Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung bestehe keine Sicherung nach der Insolvenz-RL, da unter dem Begriff der „Abfindung“ nach Art 3 der Insolvenz-RL nur eine einmalige Geldzahlung zu verstehen sei.

Die gegen den Bescheid der Bekl eingebrachte Klage wurde vom Erstgericht abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Berufung der Kl wurde stattgegeben. Die Revision der Bekl wurde vom OGH zurückgewiesen.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„2.1 Unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 ObS 16/03s (auch 8 ObS 11/03f) führt die Beklagte aus, dass im Zusammenhang mit einem atypischen Arbeitsverhältnis bei Fehlen von Kollusion Arbeitnehmeransprüche in dem vom Europäischen Gerichtshof beschriebenen Mindestumfang, also entsprechend der Mindestsicherung nach Art 3 der Insolvenzrichtlinie, gesichert seien, auch wenn nach nationalem Recht ein Sicherungsanspruch nicht bestehe. […]

2.2 Mit diesen Überlegungen wird die unmittelbare Wirkung von Richtlinienbestimmungen angesprochen. Diese richtet sich nach folgenden Grundsätzen:

Der Einzelne kann sich in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor dem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat (C-468/10, ASNEF, Rn 51; C-55/11, Vodafone Espana, Rn 37; 8 Ob 45/13w). Dies gilt auch gegenüber einer Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse erbringt, oder die durch ein Gesetz eingerichtet wurde und einen öffentlichen Zweck verfolgt, also verpflichtet ist, ihre Tätigkeit nach dem gesetzlich definierten Gesamtinteresse auszurichten (C-614/11, Kuso, Rn 32; 8 Ob 45/13w). Im (horizontalen) Verhältnis zwischen Privaten kann eine Richtlinie grundsätzlich (außer im Fall der sogenannten objektiv unmittelbaren Wirkung) aber keine Verpflichtungen bzw Belastungen für einen Einzelnen begründen, sodass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie nicht möglich ist (C-282/10, Dominguez, Rn 37; C-351/12, OSA, Rn 43; 8 Ob 49/13t). 3.1 In der Argumentation der Beklagten besteht zunächst ein Widerspruch. Während laut Revision die Mindestsicherung nach der Insolvenzrichtlinie zum Tragen kommt, wenn ein korrespondierender Anspruch im nationalen Recht nicht besteht, behauptete die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren, dass es auf die (weitergehende) Sicherung nach nationalem Recht gar nicht ankomme. In diesem Zusammenhang gesteht die Beklagte zu, dass Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung nach dem IESG gesichert wären.

3.2 Davon abgesehen unterliegt die Beklagte in ihrer Argumentation auch einem Irrtum, der in der Interpretation der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-201/01, Walcher, seinen Ausgang findet.

In dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof zu den Fragen Stellung genommen, wann eine missbräuchliche Verhaltensweise zu Lasten der Garantieeinrichtung vorliegt und welche Rechtsfolgen sich daran knüpfen. Konkret ist es um die Problematik des sogenannten ‚Stehenlassens‘ (der Vorenthaltung) des Entgelts ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gegangen. Der Europäische Gerichtshof gelangte zum Ergebnis, dass die (ohne sachlichen Grund erfolgende) Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt hinaus, zu dem der Arbeitnehmer die finanzielle Krise der Gesellschaft erkennen konnte, eine missbräuchliche Verhaltensweise darstelle, die es dem Mitgliedstaat erlaube, eine Ausnahme von der Entgeltsicherung vorzusehen. Nach der Insolvenzrichtlinie (Art 4) könne die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer aber nicht als ungewöhnlich angesehen werden, wenn das unbezahlte Arbeitsentgelt einen Zeitraum von weniger als drei Monaten betreffe.

Aus dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs folgt somit, dass die Ausnahme von der Entgeltsicherung für Missbrauchsfälle mit der Insolvenzrichtlinie und demnach mit dem Unionsrecht im Einklang steht. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl C-435/10, van Ardennen, Rn 38; C-311/13, Tümer, Rn 48; vgl allgemein auch C-126/10, Foggia, Rn 50). In einem Missbrauchsfall ist die Beklagte daher berechtigt, die geltend gemachten Ansprüche abzulehnen (vgl 8 ObS 2/11v; 8 ObS 3/16y). Weiters209 ergibt sich aus der zitierten Entscheidung, dass bei einem ‚Stehenlassen‘ des Entgelts bis zu drei Monaten grundsätzlich nicht von einem Missbrauchsfall auszugehen ist. Dies gilt freilich nicht für ein atypisches Arbeitsverhältnis, das einem Fremdvergleich nicht standhält und daher ebenfalls einen Missbrauchsvorwurf rechtfertigt.

3.3 Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und überhaupt dem Unionsrecht nicht zu entnehmen, dass trotz eines Missbrauchsfalls dem Arbeitnehmer die Mindestsicherung nach Art 3 der Insolvenzrichtlinie zusteht. Ebenso verfehlt ist der Ansatz, im Fall eines atypischen Arbeitsverhältnisses (hier aufgrund der Angaben der Klägerin im Fragebogen), aber ohne Kollusion, stehe die Mindestsicherung nach der Insolvenzrichtlinie zu, was weitergehende Ansprüche nach dem IESG ausschließe.

Entweder liegt ein Missbrauchsfall (im Sinn eines atypischen Arbeitsverhältnisses, das einem Fremdvergleich nicht standhält) vor, der zur Ablehnung der Ansprüche führt, oder die Ansprüche sind nach dem IESG zu beurteilen. Nur wenn das IESG einen Anspruch nicht gewährt, der nach der Insolvenzrichtlinie als Mindestanspruch zu qualifizieren ist, kann sich der Arbeitnehmer auf die unmittelbare Wirkung des Art 3 der Insolvenzrichtlinie berufen. Ein Mindestschutz in einer Richtlinie (zur Mindestharmonisierung) kann einen höheren Schutz im nationalen Recht aber nicht ausschließen. Die Insolvenzrichtlinie unterscheidet auch nicht zwischen einem atypischen Arbeitsverhältnis mit Kollusion und einem atypischen Arbeitsverhältnis ohne Kollusion. Wie bereits erwähnt, stellt sich vielmehr die Frage, ob ein Missbrauchsfall vorliegt. In dem der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde liegenden Fall ist es zwar um einen Gesellschafter-Arbeitnehmer gegangen. Der Europäische Gerichtshof hat dazu aber festgehalten, dass ein Gesellschafter-Arbeitnehmer grundsätzlich nicht anders als ein gewöhnlicher Arbeitnehmer zu behandeln sei.

Überlegungen zum Mindestschutz nach der Insolvenzrichtlinie dürfen somit nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Richtlinie eine Mindestharmonisierung bewirkt. Ein höheres Schutzniveau nach nationalem Recht bleibt somit bestehen.

3.4 Wie schon erwähnt, gesteht die Beklagte zu, dass Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung nach dem IESG gesichert sind. Dies trifft auch zu. […]

4. In Pkt C der Revision verweist die Beklagte – wenn auch kryptisch – auf die Situation eines atypischen Arbeitnehmers. Sollte die Beklagte damit auf die Eigenschaft der Klägerin als Schwester des Kommanditisten der Schuldnerin Bezug nehmen und ableiten wollen, dass das Verhalten der Klägerin einem Fremdvergleich nicht standhalte, so hätte sie nur die Möglichkeit, sich auf einen Missbrauchsfall zu berufen. Im Anlassfall ist dazu jedoch auf die Ausführungen des Berufungsgerichts hinzuweisen, wonach die Beklagte eine Kollusion ausdrücklich nicht behauptet und sich auch nicht darauf berufen habe, dass das Klagebegehren wegen Rechtsmissbrauchs abzuweisen sei. Dass die Beklagte nicht von einem Missbrauchsfall ausgeht, wird auch dadurch bestätigt, dass sie eine Reihe der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche mit Teilbescheiden aus April und Juni 2015 anerkannt hat.“

ERLÄUTERUNG

§ 1 Abs 2 IESG enthält eine Aufzählung der nach dem IESG gesicherten Ansprüche. Dazu gehören ua Entgeltansprüche, insb auf laufendes Entgelt sowie aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, soweit sie aufrecht, nicht verjährt und nicht ausgeschlossenen sind. Eine atypische Vertragsgestaltung, die einem Fremdvergleich nicht standhält, kann jedoch nach der Judikatur des OGH die Geltendmachung von Insolvenz-Entgelt sittenwidrig machen.

Dies steht im Einklang mit dem Unionsrecht, da nach Art 12 der Insolvenz-RL die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung im Fall einer Kollusion oder eines beträchtlichen Einflusses des AN auf das Unternehmen abgelehnt oder eingeschränkt werden kann.

Die IEF-Service GmbH vertrat im vorliegenden Fall nun unter Berufung auf die E des OGH vom 18.12.2003 zu 8 ObS 16/03s sowie des OGH vom 25.11.2003 zu 8 ObS 11/03f die Auffassung, dass auch im Zusammenhang mit einem atypischen Arbeitsverhältnis – soweit keine Kollusion, also keine missbräuchliche Vertragsgestaltung vorliegt – AN-Ansprüche in dem vom EuGH beschriebenen Mindestumfang, also entsprechend der Mindestsicherung nach Art 3 der Insolvenz-RL, gesichert seien, auch wenn nach nationalem Recht kein Sicherungsanspruch bestehe. Wenn eine Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt iSd Europäischen Mindestsicherung erfolge, diene als Rechtsgrund dafür nicht das österreichische IESG, sondern leite sich der Anspruch direkt aus der Insolvenz-RL ab.

Der OGH schloss sich der Rechtsauffassung der IEF-Service GmbH nicht an. Nach Ansicht des OGH ist die Argumentation der IEF-Service GmbH einerseits widersprüchlich, andererseits210 unterliegt die IEF-Service GmbH einem Irrtum, der in der Interpretation der E des EuGH vom 11.9.2003 in der Rs C-201/01, Walcher, seinen Ausgang nimmt.

In dieser E ging es um die Problematik des sogenannten „Stehenlassens“ des Entgelts durch den AN ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der EuGH gelangte zum Ergebnis, dass die – ohne sachlichen Grund erfolgende – Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt, zu dem der AN die finanzielle Krise der Gesellschaft erkennen konnte, hinaus, eine missbräuchliche Verhaltensweise darstelle, die es dem Mitgliedstaat erlaube, eine Ausnahme von der Entgeltsicherung vorzusehen. Im Hinblick auf Art 4 der Insolvenz-RL könne die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den AN aber nicht als ungewöhnlich angesehen werden, wenn das unbezahlte Arbeitsentgelt einen Zeitraum von weniger als drei Monaten betreffe. Aus der zitierten E ergibt sich somit, dass bei einem „Stehenlassen“ des Entgelts für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten grundsätzlich nicht von einem Missbrauchsfall auszugehen ist. Dies gilt freilich wiederum nicht für ein atypisches Arbeitsverhältnis, das einem Fremdvergleich nicht standhält und daher insgesamt als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist.

Aus dieser E sowie der sonstigen stRsp des EuGH (vgl 17.11.2011, C-435/10, van Ardennen, Rn 38; 5.11.2014, C-311/13, Tümer, Rn 48; vgl allgemein auch 10.11.2011, C-126/10, Foggia, Rn 50) folgt daher, dass die Ausnahme von Missbrauchsfällen von der Insolvenz-Entgeltsicherung mit der Insolvenz-RL und somit mit dem Unionsrecht in Einklang steht. In einem Missbrauchsfall ist die IEF-Service GmbH daher berechtigt, die geltend gemachten Ansprüche zur Gänze abzulehnen (vgl OGH 22.2.2011, 8 ObS 2/11v; OGH 29.3.2016, 8 ObS 3/16y). Entgegen der Ansicht der Bekl ist weder der zitierten E des EuGH, noch dem Unionsrecht zu entnehmen, dass AN auch im Fall von Missbrauch die Mindestsicherung nach Art 3 der Insolvenz-RL zustehen soll. Ebenso verfehlt ist der Ansatz der IEF-Service GmbH, wonach im Fall eines atypischen Arbeitsverhältnisses ohne Kollusion die Mindestsicherung direkt auf Grund der Insolvenz-RL und im darin vorgesehenen Umfang zustehe, was weitergehende Ansprüche nach dem IESG ausschließe.

Entscheidend ist nach Ansicht des OGH vielmehr, ob ein Missbrauchsfall – iS eines atypischen Arbeitsverhältnisses, das einem Fremdvergleich nicht standhält – vorliegt. Ist dies der Fall, sind sämtliche Ansprüche zur Gänze abzuweisen. Liegt kein Missbrauchsfall vor, sind die Ansprüche nach dem IESG zu beurteilen. Anspruchsgrundlage ist in beiden Fällen ausschließlich das IESG. Es besteht in Missbrauchsfällen ohne Kollusion kein direkter Anspruch auf Grund der Insolvenz-RL. Nur wenn das IESG einen Anspruch, der nach der Insolvenz-RL als Mindestanspruch zu qualifizieren ist, nicht gewährt, kann sich der AN auf die unmittelbare Wirkung des Art 3 der Insolvenz-RL berufen.

In ihrer Revision verweist die Bekl zwar auf die Situation eines atypischen AN, beruft sich aber nicht auf die Abweisung des Klagebegehrens wegen Vorliegens eines atypischen Arbeitsverhältnisses. Wenn die Bekl auf die Eigenschaft der Kl als Schwester des Kommanditisten der Schuldnerin Bezug nehmen und daraus ableiten hätte wollen, dass das Verhalten der Kl einem Fremdvergleich nicht standhält, hätte sie nur die Möglichkeit gehabt, sich auf einen Missbrauchsfall zu berufen. Laut OGH ist dazu jedoch auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen, wonach die Bekl eine Kollusion ausdrücklich nicht behauptet und sich auch nicht darauf berufen habe, dass das Klagebegehren wegen Rechtsmissbrauchs abzuweisen sei. Dass die Bekl nicht von einem Missbrauchsfall ausgeht, wird laut OGH auch dadurch bestätigt, dass sie einen Teil der von der Kl geltend gemachten Ansprüche mittels Teilbescheiden zuerkannt hat.

Dass es sich bei der Kündigungsentschädigung und der Urlaubsersatzleistung um Ansprüche handelt, die grundsätzlich nach dem IESG gesichert sind, wird von der Bekl nicht in Frage gestellt. Der Anspruch auf Schadenersatz nach § 25 Abs 2 IO entspricht der arbeitsrechtlichen Kündigungsentschädigung. Nach dem für das IESG maßgeblichen sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff handelt es sich bei der Kündigungsentschädigung um einen Entgeltanspruch (OGH 23.1.2015, 8 ObS 7/14h). Die hier in Rede stehende Kündigungsentschädigung ist daher nach § 1 Abs 2 Z 1 IESG gesichert. Dasselbe gilt auch für die Urlaubsersatzleistung.

Die Frage, ob es sich bei der Kündigungsentschädigung und der Urlaubsersatzleistung um Ansprüche handelt, die unter den Begriff der „Abfindung“ nach Art 3 der Insolvenz-RL zu subsumieren sind, kann daher laut OGH dahingestellt bleiben.

Insgesamt gelingt es der Bekl nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die E des Berufungsgerichts erweist sich – im Ergebnis – als zutreffend. Die Revision war daher zurückzuweisen.211