135Keine Sittenwidrigkeit der Berufung auf kollektivvertragliche Verfallsfrist bei auf falschen Arbeitszeitaufzeichnungen basierenden Lohnabrechnungen
Keine Sittenwidrigkeit der Berufung auf kollektivvertragliche Verfallsfrist bei auf falschen Arbeitszeitaufzeichnungen basierenden Lohnabrechnungen
Der AN begehrte nicht bezahlte Überstunden und Spesen, da die Lohnabrechnungen aufgrund der vom AG falsch geführten Arbeitszeitaufzeichnungen unrichtig gewesen seien. Der AG wandte Verfall ein, da der anzuwendende KollV die Geltendmachung aller gegenseitigen Ansprüche binnen drei Monaten bei sonstigem Verfall vorsieht. Der Kl behauptete, dass die Berufung auf die Verfallsklausel wider Treu und Glauben sei, da der Bekl die Arbeitszeitaufzeichnungen vorsätzlich falsch geführt habe. Weiters könne die Verfallsfrist erst nach Hinweis des AG auf die (und somit Kenntnis des AN von der) Unrichtigkeit der Lohnabrechnung zu laufen beginnen.
Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl zurück, da er nicht von einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes ausging. So lag ausgehend von den Feststellungen kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Bekl vor, das von der Absicht getragen war, die Anspruchsdurchsetzung durch den AN zu verhindern oder ernsthaft zu erschweren (vgl OGH 29.10.2015, 8 ObA 75/15k). Der primäre Zweck kollektivvertraglicher Verfallsfristen liegt darin, dem AG rasch Klarheit über mögliche Ansprüche des AN zu verschaffen, um ihn nicht in Beweisschwierigkeiten zu bringen. Die dem AN zugeordnete Verpflichtung zur Überprüfung abgerechneter Überstunden durch eigene, allenfalls auch stichprobenartige Arbeitszeitaufzeichnungen entspricht nach Rechtsmeinung des OGH dieser Zweckbestimmung. Ebenso enthält gegenständliche kollektivvertragliche Verfallsregelung keine Aufklärungspflicht des AG. Der Lauf der Verfallsfrist beginnt somit mit Fälligkeit des Anspruches.
ANMERKUNG DES BEARBEITERS: Die Gerichte hielten die Fehlerhaftigkeit der Arbeitszeitaufzeichnungen des AG nicht einem zur Hemmung der Verfallsfrist führenden Fehlen derselben gleich (§ 26 Abs 9 Z 2 AZG). Sie hielten überdies die Führung von zumindest stichprobenartigen Arbeitszeitaufzeichnungen und eine darauf basierende Überprüfung der vom AG abgerechneten Stunden durch den AN für zumutbar, wodurch eine praktische Anwendung gegenständlicher Bestimmung nur mehr eingeschränkt vorstellbar ist. |