121Rückforderung irrtümlich zu viel ausgezahlten Entgelts – gutgläubiger Verbrauch und Sorgfaltspflicht
Rückforderung irrtümlich zu viel ausgezahlten Entgelts – gutgläubiger Verbrauch und Sorgfaltspflicht
Reagiert die bekl Hausbesorgerin auf ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bezüge aufgrund der Höhe der Überzahlungen, indem sie die zuständige Hausverwalterin dreimal darauf hinweist, diese ihr aber die Richtigkeit der Entgeltzahlungen wiederholt zusichert, dann hat Bekl ihrer Sorgfaltspflicht ausreichend entsprochen. Sie kann daher auf die Richtigkeit der Abrechnung sowie die höhere Entlohnung vertrauen und den gutgläubigen Empfang und Verbrauch einwenden.
Die Bekl war ab 27.7.1987 als Hausbesorgerin einer Liegenschaft tätig. Nach einem Eigentümerwechsel war die Kl im Zeitraum Jänner 2011 bis jedenfalls März 2012 Eigentümerin dieser Liegenschaft; sie übertrug die Hausverwaltung an eine Gesellschaft, die die Abrechnung des Hausbesorgerentgelts von einer Treuhandgesellschaft vornehmen ließ. Die Treuhandgesellschaft rechnete irrtümlich überhöhte Entgeltbeträge zugunsten der bekl Hausbesorgerin ab. Aus diesem Grund nahm die Kl im fraglichen Zeitraum Überzahlungen in Höhe von rund monatlich € 830,- bis € 850,- vor. Die bekl Hausbesorgerin wies die Hausverwalterin dreimal daraufhin, dass sie ein Vielfaches im Vergleich zum früher bezahlten Entgelt erhalte und fragte, ob dies in Ordnung sei. Der Hausbesorgerin wurde jedes Mal zugesichert, dass die Entgeltzahlungen in der erfolgten Höhe richtig seien, sie ging daher davon aus, dass ihr der höhere Entgeltanspruch zustehe. Mit der am 30.7.2014 eingebrachten Klage forderte die Kl die irrtümlich geleisteten Überzahlungen zurück. Die Bekl wandte teilweise Verjährung sowie gutgläubigen Verbrauch der Überzahlungen ein.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Nachdem das Berufungsgericht der Klage (mit Ausnahme der verjährten Ansprüche) stattgegeben hatte, weil die Bekl trotz Erfüllung ihrer Nachforschungspflicht aufgrund der Höhe der Überzahlungen ungeachtet der Zusicherungen der Hausverwaltung weiterhin Zweifel an der Richtigkeit der enormen Steigerung ihres Einkommens haben müsse, erachtete der OGH die Revision für zulässig sowie berechtigt und stellte die klageabweisende E des Erstgerichts wieder her: Die Bekl habe ihre Sorgfaltspflicht erfüllt und durfte auf die Richtigkeit der Entlohnung vertrauen; zufolge gutgläubigen Empfangs und Verbrauchs können die Überzahlungen daher nicht zurückgefordert werden.
„2.3 Im hier vorliegenden Fall ist nicht fraglich, dass die Beklagte aufgrund der Höhe der Überzahlungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bezüge haben musste und subjektiv auch tat-198sächlich hatte. Die Besonderheit liegt darin, dass die Beklagte auf ihre Zweifel reagiert und die zuständige Hausverwalterin dreimal darauf hingewiesen hat, dass sie ein Vielfaches im Vergleich zu früher ausgezahlt erhalten habe. Dementsprechend hat sie nachgefragt, ob dies in Ordnung sei. Damit hat die Beklagte ihrer Sorgfaltspflicht entsprochen. Aufgrund der wiederholten Zusicherungen der Hausverwalterin, die über Auftrag der Klägerin tätig geworden und dieser daher zuzurechnen ist, dass die Entgeltzahlungen in der erfolgten Höhe richtig seien, konnte die Beklagte auf die Richtigkeit der Abrechnung und die höhere Entlohnung im Zusammenhang mit dem Wechsel des Arbeitgebers vertrauen. Nach den Feststellungen ist sie auch tatsächlich von einem höheren Entgeltanspruch ausgegangen, was sie nach den Feststellungen auf die Zahl der zu putzenden Fenster, auf die zu putzenden Fensterbretter und Geländer, auf den zu reinigenden Dachboden und auf den Materialkostenersatz bezog.
In dieser Situation mussten für die Beklagte die Zweifel an der Richtigkeit der Steigerung ihres Einkommens nicht fortbestehen. […]
Die hier angestellten Überlegungen gelten umso mehr, als die Überzahlung von der Beklagten weder veranlasst noch sonst beeinflusst wurde. Vielmehr waren die unrichtigen Abrechnungen allein in der Sphäre des Arbeitgebers gelegen.
3. Insgesamt ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Rückforderung der Überzahlungen an die Beklagte zufolge gutgläubigen Empfangs und Verbrauchs nicht gegeben sind.“
Die Beratungspraxis zeigt immer wieder Fälle auf, in denen AN mit einer Rückforderung irrtümlich zu viel ausbezahlten Entgelts durch AG konfrontiert sind. Zumeist haben die AN das erhaltene Entgelt in gutem Glauben, es stünde ihnen rechtmäßig zu, bereits ausgegeben.
Nicht immer jedoch dürfen sie diese Überzahlungen auch tatsächlich behalten: Grundsätzlich kann gem § 1431 ABGB eine solche irrtümlich geleitete Nichtschuld wieder zurückgefordert werden (Löschnigg, Arbeitsrecht12 [2015] 261; Preiss in
Nach dem OGH hat der rückfordernde AG die Unredlichkeit des AN zu beweisen, weil der AN nämlich grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass ihm alle vom AG zukommenden Leistungen auch wirklich endgültig zustehen; es müssen daher besondere Umstände vorliegen, aus denen für den AN erkennbar wird, dass keine ordnungsgemäße Zahlung vorliegt. Die bekl Hausbetreuerin hatte im vorliegenden Fall berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Bezüge und daher aus diesem Grund nicht nur einmal, sondern sogar mehrmals Rücksprache mit der zuständigen Hausverwaltung geführt, die ihr die Rechtmäßigkeit wiederholt zusicherte. Sie ist damit ihrer Sorgfaltspflicht iS einer Nachforschungspflicht in gebotenem Maß nachgekommen. Da sie aufgrund eines erhöhten Arbeitsaufwands auch tatsächlich von einem höheren Entgelt ausging, mussten – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit daher nicht fortbestehen. Nach dem OGH musste die bekl Hausbetreuerin nicht noch mehr unternehmen, um den Rückforderungsanspruch auszuschließen.