152Auswirkungen einer unrichtigen Entscheidungsform der Gerichte auf Rechtsmittel und Fristen
Auswirkungen einer unrichtigen Entscheidungsform der Gerichte auf Rechtsmittel und Fristen
In der gegen den teilweise stattgebenden Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vom 24.1.2014 gerichteten Klage vom 1.4.2014 begehrte der Kl „die ihm nach dem Gesetz zustehende volle Alterspension seit Pensionsantritt, die volle Ausgleichszulage seit Pensionsantritt, die Kinderzuschüsse für zwei Kinder, die Rückerstattung aller Abzüge ausgenommen Krankenversicherung sowie jährlichen Inflationsausgleich für die säumigen Beträge“. Er vertrat zusammengefasst den Standpunkt, der Abzug des Sachbezugs wegen freier Station sei zu Unrecht erfolgt; die Ausgleichszulage wäre ihm in „voller Höhe“ ab 1.2.2007 auszubezahlen gewesen.
Das Erstgericht erkannte mit einer (einheitlich) als „Urteil“ abgefassten E die Bekl schuldig, dem Kl die Ausgleichszulage unter Abzug eines Sachbezugs in Höhe von 10 % der freien Station ab 1.9.2013 in Höhe von monatlich € 789,22 und ab 1.1.2014 in Höhe von monatlich € 812,81 zu gewähren (Pkt 1 des Spruchs) und wies das Mehrbegehren auf Zahlung einer höheren Ausgleichszulage ab (Pkt 2 des Spruchs). Das Begehren auf „Zahlung einer vollen Alterspension seit Pensionsantritt, einer vollen Ausgleichszulage seit Pensionsantritt, eines Kinderzuschusses für zwei Kinder, Rückerstattung aller Abzüge ausgenommen Krankenversicherung und jährlichen Inflationsabgeltung für die säumigen Beträge“ wurde zurückgewiesen (Pkt 3 des Spruchs). Aus der Begründung des Ersturteils zu Pkt 3 des Spruchs ergibt sich, dass die Zurückweisung mangels Zulässigkeit des Rechtswegs erfolgte, da diesem Begehren, soweit es über den in Pkt 1 des Spruchs genannten Zeitraum und Betrag hinausgehe, der Grundsatz der sukzessiven Kompetenz und die Rechtskraft der in der Vergangenheit gefällten (im232 Einzelnen festgestellten) Vorentscheidungen entgegenstünden.
Das Berufungsgericht gab dem gegen diese E gerichteten, als „Berufung“ bezeichneten Rechtsmittel des Kl teilweise Folge und änderte das Ersturteil mittels einer ebenfalls (einheitlich) als „Urteil“ abgefassten Entscheidung ab. Im Übrigen wurde der „Berufung“ nicht Folge gegeben und die erstinstanzliche E in ihrem Spruchpunkt 3 (betreffend die Zurückweisung) bestätigt und die „ordentliche Revision“ nicht zugelassen.
Die Berufungsentscheidung wurde dem Rechtsvertreter des Kl am 29.12.2015 zugestellt. Am 26.1.2016 langte beim Erstgericht ein als „außerordentliche Revision“ bezeichnetes (ausschließlich) gegen die Zurückweisung des Klagebegehrens gerichtetes Rechtsmittel mit dem Antrag ein, der „Revision“ Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass „eine Ausgleichszulage in gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum 1.2.2007 bis 30.8.2013 zuerkannt werde, dies „unter Heranziehung des infolge Wertanpassung erhöhten, bei Fällung der hier beantragten Entscheidung geltenden Richtsatzbetrages und des aktuell geltenden Kinderzuschlagsbetrages“.
Der OGH wies das Rechtsmittel als verspätet zurück und begründete seine E wie folgt:
1. Soweit die Vorinstanzen das auf „Zahlung der vollen Alterspension seit Pensionsantritt, der vollen Ausgleichszulage seit Pensionsantritt; des Kinderzuschusses für zwei Kinder, Rückerstattung aller Abzüge ausgenommen Krankenversicherung und jährlichen Inflationsausgleich für die säumigen Beträge“ gerichtete Klagebegehren mit „Urteil“ zurückgewiesen haben, haben sie eine unrichtige Entscheidungsform gewählt, weil die Zurückweisung der Klage mit Beschluss zu erfolgen hat. Für die Beurteilung, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliegt, ist nicht die tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Entscheidungsform maßgebend (RIS-Justiz RS0036324 [T7]). Die E des Berufungsgerichts ist daher in diesem Umfang in Wahrheit ein Beschluss, gegen den der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zulässig ist, wenn die E von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
2. Der OGH hat erneut ausgesprochen, dass das Vergreifen in der Entscheidungsform aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die E erhobenen Rechtsmittels beeinflusst (RIS-Justiz RS0036324). Auch die Frage, ob eine E anfechtbar ist und mit welchem Rechtsmittel das zu geschehen hat, hängt daher nicht davon ab, welche Entscheidungsform das Gericht tatsächlich gewählt hat, sondern nur davon, welche Entscheidungsform die richtige ist (RIS-Justiz RS0041880 [T1]). Das gegenständliche Rechtsmittel ist demnach als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln.
3. Dieser ist jedoch verspätet, weil auch das Vergreifen in der Entscheidungsform nicht zur Verlängerung von unerstreckbaren Notfristen führt und daher keine Auswirkung auf die gegen die E offenstehenden Rechtsmittelfristen hat (vgl RIS-Justiz RS0036324 [T14]). Rechtsmittelfristen sind Notfristen, die gem § 128 Abs 1 ZPO auch durch das Gericht nicht verlängert werden können (OGH 20.5.2014, 4 Ob 77/14y mwN). Gegen die E der zweiten Instanz steht somit nur der innerhalb von 14 Tagen einzubringende Revisionsrekurs zur Verfügung. Nach § 521 Abs 1 ZPO beträgt die Revisionsrekursfrist nur mehr dann vier Wochen, wenn sich der Revisionsrekurs gegen einen Endbeschluss oder Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO richtet (vgl OGH 26.11.2015, 9 Ob 67/15s).
Der Kl hat in zweiter Instanz mit seinem Begehren auf Gewährung einer Ausgleichszulage ab 1.9.2013 ohne Anrechnung eines Sachbezugs für freie Station zur Gänze obsiegt, so dass er mangels Beschwer zur Erhebung einer Revision nicht berechtigt war. Es kam daher nur die Anfechtung der Zurückweisung des Klagebegehrens in Betracht, dies auch hinsichtlich der gar nicht vom Antrag des Kl bei der Bekl umfassten, in der Klage dennoch begehrten „Inflationsabgeltung“. In einer derartigen Verfahrenskonstellation besteht keine Veranlassung, dem Kl, der allein durch die Zurückweisung der Klage beschwert sein kann, die längere (vierwöchige) Rechtsmittelfrist zu eröffnen (RIS-Justiz RS0041670 [T6, T7]). Für die Anfechtung der Zurückweisung gilt wie bereits ausgeführt somit die 14-tägige Revisionsrekursfrist, weshalb es bei dieser Frist zu bleiben hat.
Das nach Ablauf der 14-tägigen Revisionsrekursfrist erhobene, als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandelnde Rechtsmittel wurde daher als verspätet zurückgewiesen.233