Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 15p MSchG/§ 8h VKG: Ein wertvolles Instrument für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 15p MSchG/§ 8h VKG: Ein wertvolles Instrument für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Nach § 15p MSchG/§ 8h VKG haben erwerbstätige Mütter und Väter* einen Anspruch auf Änderung der Lage der Arbeitszeit bis maximal zum Ablauf des siebten Lebensjahres des Kindes oder einem späteren Schuleintritt, wenn
sie zum Zeitpunkt des Antritts in einem Betrieb* mit mehr als 20 AN beschäftigt sind und
das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Jahre (inklusive Elternkarenz nach MSchG und VKG) gedauert hat,
sie mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt leben oder die Obsorge nach den §§ 177 Abs 4 oder 179 gegeben ist und
sich der andere Elternteil nicht gleichzeitig für dasselbe Kind in Karenz befindet.
Dieses Recht ist neben der Elternteilzeit als eigener Rechtsanspruch* ausgestaltet. Er ermöglicht AN betreuungsbedingt die Arbeitszeiten zu verschieben, ohne dabei Stunden reduzieren zu müssen, da nach dem Gesetz das Ausmaß der Arbeitszeit außer Betracht bleibt. Möglich wäre sowohl237 eine Änderung der Tage als auch bei der Stundeneinteilung. Selbstverständlich können auch Teilzeitkräfte den Anspruch begehren, da das MSchG/VKG keine Einschränkung diesbezüglich vorsieht.*
Wie auch bei der Elternteilzeit kann die Lageverschiebung allerdings für jedes Kind nur einmal in Anspruch genommen werden. Eine Rückziehung einer noch nicht angetretenen Lageverschiebung ist nach § 15j Abs 2 MSchG/§ 15b Abs 2 VKG aber möglich und verwirkt den Anspruch nicht.
Nach Ercher/Stech/Langer* kann ein Anspruch auf Änderung der Lage der Arbeitszeit für dasselbe Kind auch nach einer bereits ausgeübten Elternteilzeit nach § 15h MSchG/§ 8h VKG begehrt werden. Die Möglichkeit besteht längstens bis zum Ablauf des siebten Lebensjahres oder späteren Schuleintritt des Kindes. Nach Ende der Lageverschiebung wird die Arbeitszeit vor Antritt der Lageänderung bzw Elternteilzeit wieder wirksam, da es sich bei der Lageänderung – wie bei der Elternteilzeit – um eine zeitlich befristete Maßnahme handelt.
Hinsichtlich des Kündigungs- und Entlassungsschutzes gelten dieselben Spielregeln wie beim Anspruch auf Elternteilzeit: Der Schutz beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor Antritt. Er dauert bis längstens vier Wochen nach dem Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes. Zwischen dem vierten und dem siebten Lebensjahr besteht ein Motivkündigungsschutz.
Das Verfahren zur Durchsetzung des Anspruchs ist gleich geregelt wie beim Rechtsanspruch auf Elternteilzeit (siehe § 15k MSchG und § 8c VKG): Der Beginn und die Dauer der Änderung sowie die konkrete Lage der Arbeitszeit sind mit dem/der AG zu vereinbaren. Dabei müssen AN Meldefristen beachten. Die Absicht, eine Änderung der Lage der Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen (inkl Beginn, Dauer und konkreter Ausgestaltung), hat der/die AN dem/der AG schriftlich bekannt zu geben: Innerhalb der Schutzfrist (§ 5 Abs 1 und § 2 MSchG) nach der Geburt, wenn die Änderung der Lage der Arbeitszeit gleich nach der Schutzfrist beginnen soll*; ansonsten spätestens drei Monate vor dem beabsichtigten Beginn.* Kommt zwischen AG und AN keine Einigung über die Lageänderung binnen einer bestimmten Frist zustande, dann obliegt es – wie auch bei der Elternteilzeit – dem/der AG, aktiv zu werden. Er/sie kann einen gerichtlichen Vergleich anstreben (prätorischer Vergleich) bzw eine Klage auf Einwilligung in die von ihm/ihr vorgeschlagene Ausgestaltung der Lage der Arbeitszeit erheben (§ 15k MSchG und § 8c VKG). Der/die AG hat nach dem Gesetz aber keine Möglichkeit, den Lageanspruch generell abzulehnen.
Bei der Entscheidung hat das Arbeits- und Sozialgericht eine Interessenabwägung zwischen dem Vorschlag des/der AN und dem/der AG vorzunehmen. Das Gericht kann sich entweder dem Vorschlag des/der AG oder dem/der AN anschließen. Der/die AG gewinnt das Verfahren nur dann, wenn die betrieblichen Erfordernisse gegenüber den Interessen der AN überwiegen. Nach den Erläuternden Bemerkungen* „muss es sich bei den betrieblichen Interessen um Umstände handeln, die negative Auswirkungen auf den Betrieb in seiner Eigenschaft als eine dem Zweck der Leistungshervorbringung gewidmete Organisation haben
“.* Eine Berufung gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts ist nicht möglich. Beantragt der AG keinen Vergleich bzw erhebt er keine Klage, dann kann die/der AN die Lageänderung wie bekanntgegeben antreten.
Ist ein/e AN in einem kleineren Betrieb als 21 Beschäftigte tätig oder hat das Arbeitsverhältnis noch keine drei Jahre gedauert, dann kann eine Änderung der Lage der Arbeitszeit nur mit dem/der AG vereinbart werden. Der Unterschied zum Rechtsanspruch ist, dass sie längstens bis zum Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes vereinbart werden kann (§§ 15i, 15l MSchG bzw §§ 8a, 8d VKG). Kommt keine Einigung mit dem/der AG über eine Lageverschiebung zu Stande, dann kann der/die AN auf Einwilligung in die Lageänderung beim Arbeits- und Sozialgericht klagen (§ 15l Abs 2 MSchG/§ 8d Abs 2 VKG).
Eine in der Praxis häufig gestellte Frage ist, ob durch die Einführung einer Bandbreite bei der238 Elternteilzeit auch eine Änderung beim Anspruch auf Verschiebung der Lage der Arbeitszeit erfolgte. Die Antwort lautet nein: Für Geburten ab 1.1.2016 wurde zwar zu den bereits bestehenden Anspruchsvoraussetzungen (mehr als 20 AN im Betrieb und dreijährige Beschäftigung) eine Bandbreite bei der Arbeitszeitverkürzung als weiterer Anspruchstatbestand festgelegt: Demnach muss bei der Elternteilzeit nach § 15h MSchG/§ 8 VKG die Arbeitszeitreduktion zumindest 20 vH der individuellen wöchentlichen Normalarbeitszeit betragen. Außerdem darf die Mindestarbeitszeit während der Elternteilzeit zwölf Stunden pro Woche nicht unterschreiten.
Die Einführung einer Bandbreite hat aber keine Auswirkungen auf den Anspruch auf Änderung der Lage der Arbeitszeit. Dieser blieb durch die Vereinbarkeits-Novelle unberührt und in seiner bisherigen Form erhalten. Das ergibt sich zum einen eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes: Demnach hat bei der Änderung der Lage der Arbeitszeit das Ausmaß der Arbeitszeit außer Betracht zu bleiben. Zum anderen hat der Gesetzgeber in den Erläuternden Bemerkungen zur Elternteilzeit Neu ausdrücklich festgehalten: „Eine Änderung des Anspruches auf Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 15p tritt dadurch nicht ein. Nach dieser Bestimmung bleibt das Ausmaß der Arbeitszeit bei der sinngemäßen Anwendung Teilzeitbestimmung generell außer Betracht. Eine Neuregelung des Arbeitszeitausmaßes ist daher für diese Bestimmung nicht von Bedeutung.
“*
Beispiel 1: Handelsangestellte mit wechselnder Arbeitszeit
Frau M ist seit vier Jahren in einem Handelsunternehmen mit mehr als 20 AN beschäftigt. Vor der Geburt ihres Kindes arbeitet Frau M 30 Stunden pro Woche. Der Dienstplan wird alle zwei Wochen neu festgelegt, wobei Frau M oft schon vor sieben Uhr in ihrer Filiale sein muss und wenn sie am Nachmittag eingeteilt wird, immer wieder erst nach 20 Uhr gehen kann. Aufgrund der Öffnungszeiten des Kindergartens beantragt Frau M eine Änderung der Lage der Arbeitszeit, nämlich fix Montag bis Freitag 8 bis 14 Uhr.
Beispiel 2: Verschiebung von täglichem Arbeitsbeginn und -ende
Eine AN arbeitet vor der Geburt des Kindes in Teilzeit von 7:00-12:00 Uhr. Sie erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Änderung der Lage der Arbeitszeit. Aufgrund der Öffnungszeiten des Kinderbetreuungsplatzes beantragt sie eine Verschiebung der Lage der Arbeitszeit auf 9:00-14:00 Uhr.
Beispiel 3: Büroangestellter in Vollzeit
Ein Büroangestellter arbeitet seit sechs Jahren 40 Stunden Vollzeit von Mo bis Fr 9:30 bis 18:00 Uhr (inkl Mittagspause) in einem großen Unternehmen. Da er am Nachmittag künftig sein Kind pünktlich vor Schließung des Kindergartens abholen muss, beantragt er eine tägliche Verschiebung auf 8:00 bis 16:30 Uhr.
Erwerbstätige Mütter und Väter haben unter den oben genannten Voraussetzungen sowohl einen Anspruch auf die Reduktion der Arbeitszeit (Elternteilzeit) als auch auf die Änderung der Lage der Arbeitszeit. Bei Zweiterem müssen die Stunden nicht reduziert werden.
Bei beiden Ansprüchen besteht ein Kündigungsund Entlassungsschutz.
Für Geburten ab 1.1.2016 besteht bei der Elternteilzeit die Verpflichtung, die individuelle wöchentliche Normalarbeitszeit um zumindest 20 % zu reduzieren. Wer das nicht möchte, weil bereits eine Verschiebung der Arbeitszeit eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen würde, kann den Anspruch auf Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 15p MSchG/§ 8h VKG ohne Stundenreduktion geltend machen.239