215

Neufeststellung der Versehrtenrente – zwei Fälle der wesentlichen Änderung

CHRISTAMARISCHKA

Der Kl erlitt einen Arbeitsunfall, infolge dessen ihm eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 % als Dauerrente gewährt wurde. Tatsächlich lag zum Gewährungszeitpunkt die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit zwischen 5 und 10 %. Derzeit beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 5 %. Die Versehrtenrente wurde mit der Begründung, dass wesentliche Unfallfolgen nicht mehr vorhanden seien, entzogen.

Das Erstgericht verpflichtete die Bekl zur Weitergewährung der Rente, weil im Vergleich zum Gewährungszeitpunkt nur eine geringfügige und damit unwesentliche Verbesserung eingetreten sei, die eine Entziehung nicht rechtfertige. Grundsätzlich steht die Rechtskraft eines Bescheides der neuerlichen Prüfung der Grundlagen dieser Entscheidung im Leistungsverfahren entgegen. Ausnahmen bestehen nur für Fälle, in denen nach dem Zeitpunkt der Entscheidung eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist, wie etwa in den §§ 99, 183 Abs 1 ASVG ua.

Das OLG wies das Begehren auf Gewährung der Versehrtenrente über den Entziehungszeitpunkt hinaus ab und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

In der außerordentlichen Revision macht der Kl geltend, dass sich der Sachverhalt, auf dem die Zuerkennung der Dauerrente basiere, nicht geändert habe, weshalb eine Entziehung nicht zulässig sei.

Der OGH weist die außerordentliche Revision zurück und führt aus, dass für die Neufeststellung der Versehrtenrente zwei Tatbestände im Gesetz (§ 183 Abs 1 ASVG) vorgesehen und zu unterscheiden sind: Erstens eine Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 % – dieser Tatbestand ist im konkreten Fall nicht erfüllt. Sehr wohl erfüllt ist jedoch der zweite im Gesetz genannte Tatbestand, der dann vorliegt, wenn durch die Änderung ein Rentenanspruch entsteht oder wegfällt. In diesem Fall kommt jeder Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit – etwa um 5 % – eine wesentliche Bedeutung346 iS einer Durchbrechung der Rechtskraftwirkung des Bescheids zu.

Ein anderes Vorgehen käme zu dem schwer vertretbaren Ergebnis, dass ein Versehrter, dem eine Dauerrente von 20 % zu Recht gewährt worden ist, bei einer geringfügigen Verbesserung die Entziehung der Rente in Kauf nehmen müsste, während einem Versehrten mit einer tatsächlichen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 5 bis 10 % die (aufgrund einer Fehleinschätzung) gewährte Dauerrente trotz Vorliegens einer umfänglich gleichen Verbesserung nicht entzogen werden könnte.