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Kein Anspruch auf Ausgleichszulage für EU-Staatsangehörige bei Armutszuwanderung

MONIKAWEISSENSTEINER

Die bereits in der OGH-E 10 ObS 15/16b (DRdA-infas 2016/4, 148 [Thomasberger]) vertretene Rechtsansicht betreffend die Ablehnung eines Anspruchs auf Ausgleichszulage wird nun in weiteren Entscheidungen bekräftigt und zum Teil erweitert. Verfahrensgegenstand ist die Prüfung eines Anspruchs auf Ausgleichszulage für EU-Staatsangehörige, die einen Wohnsitz in Österreich begründen.

Eine 1943 geborene bulgarische Staatsangehörige übersiedelt 2011 nach Österreich, wo auch ihre Kinder leben. Sie erhält eine bulgarische Pension von rund € 120,- im Monat. Erstgericht und Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren auf Ausgleichszulage mit der Begründung statt, dass sich die Kl auf Grund einer aufrechten Anmeldebescheinigung rechtmäßig in Österreich aufhalte.

Über Revision der Bekl lehnt der OGH den Anspruch auf Ausgleichszulage ab: EU-Bürger, die – so wie die Kl – nicht erwerbstätig und nur im Zusammenhang mit einem Sozialleistungsbezug innerhalb der EU mobil sind, können auf der Grundlage des Unionsrechts keine Ansprüche auf Sozialleistungen wie die Ausgleichszulage geltend machen; eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme ist nicht erforderlich. Aber selbst die Prüfung der besonderen Situation der Kl, wie sie der EuGH noch in der Rs Dano (11.11.2014, C-333/13) zur Prüfung der Frage einer unangemessenen Belastung der Sozialsysteme des Aufnahmemitgliedstaates gefordert hat, führt zu keinem anderen Schluss: Anders als der Kl Brey (EuGH 19.9.2013, C-140/12) der über eine Pension von immerhin € 800,- verfügte, hat die Kl nur einen Bezug von € 120,- im Monat und fällt somit eindeutig in die Kategorie Armutszuwanderung. Die deklarative Anmeldebescheinigung, die sich nur auf das Aufenthaltsrecht bezieht, hat keine unmittelbare Auswirkung auf den Sozialleistungsanspruch.

Auch bei Prüfung des nationalen Rechts ergibt sich kein Anspruch. Nach § 292 ASVG besteht Anspruch auf Ausgleichszulage „solange der Anspruchswerber seinen rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat“. § 292 Abs 1 ASVG ist aber im Lichte des § 52 Abs 1 Z 3 NAG auszulegen. Diese Bestimmung macht das Aufenthaltsrecht des Angehörigen davon abhängig, dass diesem tatsächlich (familienintern) Unterhalt gewährt wird. Der durch § 52 Abs 1 Z 3 NAG rechtmäßige Aufenthalt führt nicht zu einem Anspruch auf Ausgleichszulage, weil die Kosten des Aufenthalts in Österreich (in den ersten fünf Jahren) nicht von staatlicher Seite, sondern über den familieninternen Unterhalt finanziert werden sollen. Ein Anspruch der Kl auf Ausgleichszulage ist daher zu verneinen.

ANMERKUNG DER BEARBEITERIN:
Ebenso OGH 19.7.2016, 10 ObS 53/16s.