Motivwidrige Überlassungsbeendigung
Motivwidrige Überlassungsbeendigung
In der Praxis sind Arbeitskräfte* immer häufiger damit konfrontiert, dass sie zwar faktisch für eine konkrete Position – mitunter sogar in leitender Funktion – bei einer konkreten Arbeitgeberin* aufgenommen, dort aber lediglich im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung eingesetzt werden. Insb in diesen Fällen wirkt sich bereits die Beendigung der Überlassung massiv auf die Entgeltansprüche der überlassenen Arbeitskraft aus und hat häufig auch das Ende des Dienstverhältnisses zur Folge.* Dies entspricht nicht der Grundidee der Arbeitskräfteüberlassung, welche etwa dem AÜG zugrunde liegt.* Damit rückt aber gerade die Beendigung der Überlassung – welche sich rechtlich primär zwischen Überlasserin2) und Beschäftigerin2) abspielt – in den Fokus. Macht die überlassene Arbeitskraft etwa geltend, dass die Beschäftigerin die Lage der Normalarbeitszeit nicht fristgerecht bekannt gibt (§ 19c Abs 2 Z 2 AZG), die Anzahl der zuschlagspflichtigen Arbeitsstunden falsch an die Überlasserin weiterleitet oder die Umsetzung bzw Nutzung betriebsrätlicher Strukturen erschwert, muss sie die Beendigung der Überlassung befürchten. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, welche Folgen die Beendigung der Überlassung durch die Beschäftigerin haben kann, wenn deren Beweggrund ein verpöntes Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG darstellt und nicht bereits von den Bestimmungen des GlBG umfasst ist.
Wesentlich ist zunächst, dass nach hM* Vertragsverhältnisse nur zwischen der überlassenen Arbeitskraft und der Überlasserin (idR ein Arbeitsvertrag) und zwischen der Überlasserin und der Beschäftigerin (der sogenannte Überlassungsvertrag, welcher idR ein Dienstverschaffungsvertrag ist) bestehen, nicht jedoch zwischen der überlassenen Arbeitskraft und der Beschäftigerin. Die Beschäftigerin nimmt die Arbeitsleistung der überlassenen Arbeitskraft lediglich faktisch entgegen und gliedert diese in ihren Betrieb ein. Dadurch entsteht weder ein Arbeitsvertrag zwischen überlassener Arbeitskraft und Beschäftigerin, noch ist die überlassene Arbeitskraft an dem Vertragsverhältnis zwischen Beschäftigerin und Überlasserin direkt beteiligt.*
Damit basiert die Auswahl der zu überlassenden Arbeitskraft bzw die Beendigung einer bereits erfolgten Überlassung nur auf der Vereinbarung zwischen der Beschäftigerin und der Überlasserin. Aus Sicht der überlassenen Arbeitskraft besteht per se – ohne Hinzutreten weiterer Um-356stände – kein Anspruch auf Überlassung an einen bestimmten Arbeitsplatz.
Nachfolgend wird nun zunächst behandelt, nach welchen Bestimmungen eine motivwidrige Beendigung der Überlassung (in der Folge auch als „Rückgabe“ bezeichnet) rechtswidrig sein kann, ehe auf die daraus konkret abzuleitenden Rechtsfolgen eingegangen wird. Inwieweit jedoch eine nachfolgende – für sich allein betrachtet – nicht motivwidrige Kündigung des Dienstverhältnisses durch die Überlasserin von der Arbeitskraft bekämpft werden könnte, würde den Umfang des vorliegenden Beitrages übersteigen und kann daher nicht erörtert werden.
Als primäre Anspruchsgrundlage erscheint mE der seit 1.1.2013 in Geltung stehende § 6a AÜG.* Danach ist die Beschäftigerin auch gegenüber überlassenen Arbeitskräften als AG „im Sinne der Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverbote
“, welche für vergleichbare AN gelten, anzusehen (vgl Abs 1). Dies gilt ausdrücklich auch für die Auswahl der überlassenen Arbeitskräfte sowie für die Beendigung einer Überlassung (vgl Abs 2). Die Überlasserin ist überdies verpflichtet für Abhilfe zu sorgen, sobald sie von einer Verletzung weiß oder wissen musste (vgl Abs 3). Weiters bestimmt Abs 4 leg cit, dass eine „im Zusammenhang“ mit der diskriminierenden Beendigung der Überlassung erfolgte Auflösung des Arbeitsverhältnisses angefochten und Schadenersatz verlangt werden kann. Flankiert werden diese Regelungen schließlich von einem Regressrecht der Überlasserin gegenüber der Beschäftigerin (vgl Abs 5).
Es drängt sich nun zunächst die Frage auf, ob nach der Intention des Gesetzgebers unter „Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverbote[n]“ auch ein gegen § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG verstoßender Beweggrund zu verstehen ist. Dies bejahen die Materialien* ausdrücklich. Dort heißt es etwa: „Diskriminierungsverbote außerhalb von Gleichbehandlungsvorschriften finden sich beispielsweise in § 105 Abs 3 Z 1 Arb-VG.
“ Weiters wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Gleichbehandlungsvorschriften auch außerhalb von GlBG und BEinstG finden.* „Durch die offene Formulierung soll sichergestellt werden, dass die der Diskriminierung entsprechenden […] Vorschriften […] auch für [überlassene Arbeitskräfte] wirksam werden.
“
Gerade die Textierung, dass sich „Diskriminierungsverbote“ in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG finden, erscheint wesentlich, da § 6a Abs 4 AÜG den Ausdruck „Diskriminierung“ verwendet, wogegen in den Abs 1 und 3 leg cit von „Gleichbehandlungsvorschriften oder Diskriminierungsverboten“ gesprochen wird. Damit stellen die Materialien klar, dass sämtliche Absätze des § 6a AÜG jedenfalls die Schutzbestimmung des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG mitumfassen. Dies wird etwa auch in Beiträgen von Burger und Schrattbauer/Goricnik bejaht.*
Hier ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass diese Auslegung auch mit Art 12 und 31 der GRC* übereinstimmt. Insb Art 12 leg cit garantiert das Recht jeder Person, Gewerkschaften zu gründen und diesen beizutreten, welches nicht zuletzt durch § 105 Abs 3 Z 1 lit a) ArbVG abgesichert werden soll.
Fraglich erscheint nun allenfalls, ob sämtliche Tatbestände des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG als „Diskriminierungsverbote“ verstanden werden können. Auch wenn unter „Diskriminierung“ im nichtjuristischen Sprachgebrauch häufig eine Diskriminierung iSd GlBG oder BEinstG verstanden wird, wäre diese Auslegung hier zu eng. Nach dem Wortsinn ist unter „diskriminieren“ lediglich „unterscheiden“, bzw „durch unterschiedliche Behandlung benachteiligen oder zurücksetzen“* zu verstehen. Die Unzulässigkeit der „Unterscheidung“ bzw der „unterschiedlichen Behandlung“ ergibt sich somit erst daraus, dass Merkmale definiert werden, aufgrund deren die Ungleichbehandlung gerade nicht zulässig sein soll. Dabei fällt auf, dass § 105 Abs 3 Z 1 leg cit die Absicherung der Einberufung zu Präsenz- oder Zivildienst, von Tätigkeiten im Bereich des AN-Schutzes und der gewerkschaftlichen oder betriebsrätlichen Organisation, sowie der Geltendmachung von offenbar nicht unberechtigten Ansprüchen beabsichtigt. Damit bringt der Gesetzgeber klar zum Ausdruck, dass eine Diskriminierung aufgrund eines dieser Merkmale unzulässig ist.
Hier muss schließlich noch darauf hingewiesen werden, dass § 105 Abs 3 Z 1 lit i) ArbVG eine357 Geltendmachung wörtlich gegenüber der „Arbeitgeber[in]“ verlangt. Auch wenn – wie oben dargestellt – kein Vertragsverhältnis zwischen der überlassenen Arbeitskraft und der Beschäftigerin besteht, ergeben sich doch sämtliche (Weisungs-) Rechte der Beschäftigerin ausschließlich aufgrund des Arbeitsvertrages zwischen der überlassenen Arbeitskraft und der Überlasserin. Delegiert nun aber die Überlasserin ihre Befugnisse an eine dritte Partei (die Beschäftigerin), müssen die damit untrennbar verbundenen (Schutz-)Rechte der überlassenen Arbeitskraft (zumindest) auch gegenüber dieser (der Beschäftigerin) bestehen. Folgerichtig stellt § 6a Abs 1 AÜG auch die gesetzliche Fiktion auf, dass die Beschäftigerin „als Arbeitgeber[in] der
[überlassenen Arbeitskraft] iSd Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverbote
“ gilt, was gem Abs 2 leg cit ausdrücklich auch die Beendigung der Überlassung betrifft. Käme man damit nicht ohnedies bereits zu einem weiten Verständnis des § 105 Abs 3 Z 1 lit i) ArbVG, müsste sich die Überlasserin wohl ohnehin die Geltendmachung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen durch die überlassene Arbeitskraft gegenüber der Beschäftigerin zurechnen lassen. Der überlassenen Arbeitskraft den Schutz zwar dann zu gewähren, wenn diese sich an die Überlasserin wendet, um etwaige Missstände bei der Beschäftigerin abzustellen, nicht jedoch dann, wenn die überlassene Arbeitskraft sich direkt an die Verursacherin wendet, wäre eine sachlich nicht nachvollziehbare Differenzierung.
Zusammengefasst sind daher jedenfalls auch Forderungen gegenüber der Beschäftigerin von § 6a AÜG iVm § 105 Abs 3 Z 1 lit i) ArbVG umfasst.
Das in Kapitel 3.1 dargestellte Ergebnis deckt sich auch mit der weiteren Analyse des AÜG. So trifft die Beschäftigerin gem § 6 Abs 3 AÜG während der Dauer der Überlassung dieselbe Fürsorgepflicht wie die AG. Nach dem richtigen Verständnis der Fürsorgepflicht beinhaltet diese eine allgemeine Interessenwahrungspflicht der AG,* aufgrund derer sie insb gehalten ist, den Schutz der Persönlichkeitsrechte, sowie jenen vor diskriminierender Behandlung sicherzustellen.* Dabei verstößt eine schlechtere Behandlung ohne sachliche Rechtfertigung grundsätzlich gegen die geschützten Persönlichkeitsrechte der überlassenen Arbeitskraft.*
Zur Bestimmung des Inhalts der Fürsorgepflicht ist insb auch § 2 AÜG zu berücksichtigen, welcher den Schutz der überlassenen Arbeitskraft als Normzweck des AÜG definiert. Die wohl hRsp geht hier davon aus, dass die Beschäftigerin bei Verstoß gegen die ihr obliegende Fürsorgepflicht gegenüber der überlassenen Arbeitskraft schadenersatzpflichtig werden kann.*
Die Fürsorgepflicht ist daher jedenfalls auch von der Beschäftigerin bei der Auswahl der überlassenen Arbeitskraft zu berücksichtigen,* betrifft diese doch den Kern der geschützten Interessen der überlassenen Arbeitskraft: Von der Überlassung sind beide Hauptleistungspflichten unmittelbar betroffen, da davon sowohl das Entgelt als auch die Art und der Ort der Tätigkeit abhängen. Gerade weil die tatsächliche Überlassung für die AG den wirtschaftlichen Grund des Dienstverhältnisses darstellt, betrifft sie häufig auch den Bestand des Dienstverhältnisses selbst.* Ist daher die Aufrechterhaltung bzw Herstellung eines angemessenen Arbeitsumfeldes schon von der Fürsorgepflicht umfasst,* muss dies umso mehr für die Überlassung selbst gelten.* Wie Schindler* zutreffend ausführt, verstößt daher eine Beendigung der Überlassung aus einem verpönten Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG jedenfalls (auch) gegen die Fürsorgepflicht der entscheidenden Partei (idR der Beschäftigerin). Gerade im Lichte der Art 12 und 31 GRC („würdige Arbeitsbedingungen“) erscheint dieses Ergebnis sachgerecht.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Einräumung eines unbeschränkten Rechtes der Beschäftigerin zur Auswahl der überlassenen Arbeitskraft jedenfalls dann gegen das Verbot des § 8 AÜG verstößt, wenn dieses auch diskriminierende oder sittenwidrige (dazu sogleich in Kapitel 4.2) Motive zulassen würde. Dieser Teil des Überlassungsvertrages wäre mE insoweit als teilnichtig zu qualifizieren.*358
Zunächst ist festzuhalten, dass nach stRsp* und hM* überlassene Arbeitskräfte dann als AN der Beschäftigerin iSd § 36 ArbVG anzusehen sind, wenn die Überlassung für eine längere Zeit (zB mehr als sechs Monate) gedacht ist und weitere AG-Funktionen auf die Beschäftigerin übergegangen sind (Weisungsrechte, Arbeitszeitregelungen udgl). Dennoch ist es ebenfalls stRsp* und hM,* dass die Anfechtungsbestimmungen des § 105 ArbVG jedenfalls weiterhin gegenüber der Überlasserin durchzusetzen sind und nicht auf die Beschäftigerin übergehen. Davon ausgenommen sind lediglich Fälle, in welchen die Überlassung zu dem Zweck erfolgt, den Schutz nach § 105 ArbVG zu umgehen.* Aufgrund dieser klaren Judikaturlinie besteht mE kein Raum § 105 ArbVG analog auf die Beendigung der Überlassung auszudehnen. * Als essentielle Norm der arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen ist sie allerdings als Richtschnur zur Auslegung der Sittenwidrigkeit heranzuziehen (siehe Kapitel 4.2).
Hier sei noch auf die Rsp des OGH hingewiesen, wonach die Rechtsstellung von überlassenen Arbeitskräften umso eher an jene der Stammbelegschaft anzunähern ist, „je weiter sich die konkret[e] Arbeitskräfteüberlassung von jenem Typus entfernt, den der Gesetzgeber bei der gesetzlichen Regelung im Auge hatte
“.* In diesem Fall sind die Regelungen des AÜG nicht „notwendigerweise […] als abschließend anzusehen
“.*
Die Beendigung der Überlassung durch die Beschäftigerin ist idR als Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes (auf Grundlage des Überlassungsvertrages*) zu qualifizieren,* welches nach hM* jedenfalls der Prüfung nach § 879 ABGB unterliegt. Auch ist mE unstrittig, dass Rechtsgestaltungsakte zu Lasten berechtigter Interessen Dritter sittenwidrig sein* und eine missbräuchliche Rechtsausübung darstellen können.* Nicht zuletzt dienen die guten Sitten auch dem Schutz Dritter.* In diesem Fall geht die hM* davon aus, dass das eingeräumte Recht bereits ursprünglich in einem engeren Umfang bestand, als es prima facie den Anschein gemacht hat.
Fraglich erscheint nun, ob die Beendigung der Überlassung aus einem der verpönten Motive des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG heraus als sittenwidrig zu qualifizieren ist. Als Kriterien werden etwa die Ausnutzung einer Machtposition,* ein grobes Missverhältnis zwischen den beteiligten Interessen* bzw das gänzliche Fehlen geschützter Ausübungsinteressen,* der Schutz Dritter vor nicht wünschenswerten Vertragsgestaltungen,* sowie die aus der Rechtsordnung ableitbaren Wertungsgesichtspunkte* und der Schutz ihrer Regelungsziele* genannt.
Die Ausnutzung einer Machtposition (die Disposition der Beschäftigerin wirkt sich in der Regel direkt auf das Entgelt der überlassenen Arbeitskraft und häufig indirekt auf den Bestand des Dienstverhältnisses aus) ist ebenso wie die Wertung der Rechtsordnung (vgl etwa §§ 105 Abs 3 Z 1 ArbVG, 2 AÜG, Art 5 Abs 1 der Leiharbeits-RL,* Art 12, 31 Abs 1 GRC) evident. Auch sind auf Seiten der Beschäftigerin keinerlei berechtigte Ausübungsinteressen ersichtlich, eine der Handlungen gem § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG zu verhindern oder zu erschweren. Keine überlassenen Arbeitskräfte einzusetzen, welche Ansprüche gegenüber der Be-359schäftigerin geltend machen, kann keinesfalls ein schützenswertes Interesse darstellen oder dem „Rechtgefühl […] aller billig und gerecht Denkenden“* entsprechen.
Da eine motivwidrige Beendigung der Überlassung wie dargestellt gegen §§ 6, 6a AÜG bzw 879 ABGB verstößt, stellt sich nunmehr die Frage nach den Rechtsfolgen. Diesbezüglich sei nochmals darauf hingewiesen, dass eine Auseinandersetzung mit einer etwaigen anschließenden Beendigung des Dienstverhältnisses durch die Überlasserin (vgl insb § 6a Abs 4 AÜG) in diesem Beitrag nicht erfolgen kann.
Die wohl hM* geht davon aus, dass jedenfalls die Beschäftigerin bei Verstoß gegen §§ 6, 6a AÜG gegenüber der überlassenen Arbeitskraft schadenersatzpflichtig werden kann. Die überlassene Arbeitskraft hat in diesem Fall insb Anspruch auf den Ersatz etwaiger Entgeltdifferenzen zwischen Stehzeit und Überlassung gegenüber der Beschäftigerin.
Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Bestimmung des § 6a Abs 5 AÜG, welche ein Regressrecht der Überlasserin gegenüber der Beschäftigerin für sämtliche „aus Abs 3 und 4“ leg cit resultierenden Aufwendungen (Schrank spricht hier von einem verschuldensunabhängigen Aufwandsersatz*) vorsieht. Während dies iVm dem Anfechtungsrecht gem Abs 4 leg cit nachvollziehbar erscheint, setzt § 6a Abs 3 AÜG für die Abhilfeverpflichtung der Überlasserin voraus, dass diese von einer Verletzung der Diskriminierungsverbote oder Gleichbehandlungsvorschriften weiß oder wissen musste. Wird also die Überlasserin von der überlassenen Arbeitskraft von einem motivwidrigen Verhalten der Beschäftigerin informiert und gelingt ihr keine Einigung mit dieser, so könnte sie allenfalls sogar verpflichtet sein, die Überlassung zu beenden und der Arbeitskraft weiterhin das höhere Überlassungsentgelt zu bezahlen* (siehe dazu jedoch auch Kapitel 5.2). Sie könnte sich anschließend bei der Beschäftigerin regressieren. Ähnlich wäre die Situation, wenn das motivwidrige Verhalten der Beschäftigerin ein Ausmaß erreicht, dass einen weiteren Einsatz der überlassenen Arbeitskraft von vornherein unzumutbar erscheinen lässt.
Damit kommt man zu dem Ergebnis, dass die Überlasserin gegenüber der überlassenen Arbeitskraft für motivwidrige Verhaltensweisen (insb Überlassungsbeendigungen und die daraus resultierenden Entgeltdifferenzen) der Beschäftigerin haftet, wenn sie davon weiß oder wissen musste.*
Eine nach Beendigung der Überlassung erfolgte Information an die Überlasserin ist mE jedoch nicht ausreichend, was durch die Formulierung „während der Dauer der Beschäftigung“ in § 6a Abs 3 AÜG verstärkt wird.*
Nachdem der Schadenersatzanspruch jedenfalls die Differenz zum Überlassungsentgelt umfasst, stellt sich die Frage nach der Dauer des Schadenersatzanspruches. Hier kann mE die Literatur zu § 6a Abs 4 AÜG herangezogen werden. Hier wird etwa vertreten, dass sich die Diskriminierung durch das Verstreichen einer gewissen Zeit nicht relativiere, solange die Arbeitskraft glaubhaft machen könne, dass sie ohne diskriminierende Rückgabe weiterhin überlassen wäre* (zB wenn eine andere überlassene Arbeitskraft auf diesem Arbeitsplatz eingesetzt wird). Dem wird jedoch entgegengehalten, dass es zu einer Abschwächung kommen müsse, da das Abwarten der Verjährungsfristen unbillig sei.* Mangels Orientierungsmöglichkeit an einer „Kündigungsfrist“ wird im Ergebnis wohl auf den konkreten Einzelfall (unter Beachtung der Schadensminderungspflicht) abzustellen sein.* Burger* geht etwa in Bezug auf Überlassungsbeendigungen – jedoch unter Verweis auf die Bestimmungen des GlBG – von einer Mindestfrist von drei Monaten aus.
Ob hingegen die Beendigung der Überlassung selbst bekämpft werden kann (die überlassene Arbeitskraft also weiterhin bei der Beschäftigerin eingesetzt werden muss), erscheint umstritten.360
Hier ist insb § 6a Abs 2 AÜG zu beachten, welcher Diskriminierungen bei Beendigung der Überlassung und Auswahl der überlassenen Arbeitskraft ausdrücklich verbietet (vgl Kapitel 3.1). Dennoch spricht sich – soweit ersichtlich – der überwiegende Teil der Literatur gegen eine Anfechtung der Rückgabe aus.* Als Begründung wird angeführt, dass nicht der Arbeitsvertrag, sondern das Rechtsverhältnis zwischen Beschäftigerin und Überlasserin betroffen und ein etwaiger Bestandschutz der überlassenen Arbeitskraft nur im Verhältnis zur Überlasserin zu verwirklichen sei. Differenzierend stellt hingegen Schindler auf die Disposition der überlassenen Arbeitskraft ab, welche – solange keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften durch die Beschäftigerin verletzt werden – zu beachten sei.* Eine Beendigung der Überlassung laufe der Intention des GlBG, insb bei einer Überlassung mit Aussicht auf Übernahme in die Stammbelegschaft, zuwider, weshalb eine Anfechtung – gegebenenfalls analog zur Kündigungsanfechtung – möglich sei.*
ME darf nicht übersehen werden, dass – wie oben dargestellt – die Auswahl bzw Rückstellung als Ausübung eines Gestaltungsrechtes durch die Beschäftigerin* zu qualifizieren ist. Dieses unterliegt sowohl den Einschränkung gem § 6a AÜG (vgl Kapitel 3) als auch § 879 ABGB (vgl Kapitel 4.2) und ist daher betreffend der motivwidrigen Ausübung gem §§ 8 AÜG* bzw 879 ABGB (teil-)nichtig.
Damit stellt sich jedoch die Frage, ob sich die überlassene Arbeitskraft auf diese Nichtigkeit berufen kann, obwohl das (nichtige) Gestaltungsrecht auf einer Vereinbarung basiert, an welcher die überlassene Arbeitskraft nicht direkt beteiligt ist. Dazu ist festzuhalten, dass die Nichtigkeit der Rechtshandlung nur in jenem Umfang eintritt, als der Zweck der Verbotsnorm oder der Grund der Sittenwidrigkeit es erfordern.* Mangels Überwiegen von Allgemeininteressen wird zunächst wohl nicht von absoluter Nichtigkeit auszugehen sein, sondern lediglich relative Nichtigkeit vorliegen. Grundsätzlich sagt hier die Rsp, dass sich außerhalb des Vertrages stehende Dritte nicht auf dessen Nichtigkeit berufen können.* Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dies wohl nicht rein formaljuristisch gemeint ist, sondern vielmehr auf ein fehlendes rechtliches Interesse der dritten Person abstellt. So wurde die Frage etwa in OGH 16.12.1992, 3 Ob 572/92, ausdrücklich nicht beantwortet und in OGH 17.3.2004, 9 ObA 50/03y, sogar ausgesprochen, dass die AG nicht an eine Geheimhaltungsverpflichtung mit dem AN gebunden ist, wenn deren Zweck darin besteht, die Unterhaltsansprüche der Gattin des AN zu schmälern. Dies stellt mE klar eine differenzierte Auslegung des oben genannten Grundsatzes dar. Auch deckt sich dies mit dem Rechtssatz, dass die durch die Norm geschützte Person die Nichtigkeit geltend machen kann.* So weist Krejci* etwa zutreffend darauf hin, dass auch außerhalb des konkreten Vertrages stehende Dritte unter den betroffenen Schutzzweck fallen können und insofern nicht als „außerhalb des Vertrages Stehende“ anzusehen sind.* Überzeugend führt Krejci weiter aus, dass die dritte Person schließlich auch Ansprüche aus dem gegenständlichen Vertrag ableitet und die Vertragsparteien durch die Vereinbarung direkten Einfluss auf die Rechtsstellung der dritten Partei nehmen.*
Da nun überdies der wesentliche Zweck der oben genannten Bestimmungen jedenfalls im Schutz der überlassenen Arbeitskraft liegt, muss die Nichtigkeit auch von dieser geltend gemacht werden können. Es wäre mE nicht sinnvoll anzunehmen, dass zwar die Ausübung des Gestaltungsrechtes* wegen Verstoßes gegen Schutzvorschriften zugunsten der überlassenen Arbeitskraft sittenwidrig ist, die (einzige) geschädigte Person (die überlassene Arbeitskraft) sich jedoch mangels direkten Vertragsverhältnisses nicht auf die Sittenwidrigkeit berufen können sollte. Gerade die hier zu beachtende Strafbestimmung des § 22 Abs 1 Z 1 lit a) AÜG (welcher das Verlangen der Einhaltung einer getroffenen gesetzwidrigen Vereinbarung unter Strafe stellt) unterstreicht dieses Auslegungsergebnis.
Überdies widerspräche ein anderes Ergebnis auch dem Grundsatz, dass niemand (hier: die dies einwendende Beschäftigerin) aus dem eigenen rechtswidrigen Verhalten einen Vorteil ziehen darf.*361
Die überlassene Arbeitskraft wird jedoch im Einzelfall ein rechtliches Interesse an der tatsächlichen Fortsetzung der Überlassung nachweisen müssen, welches über das – durch den allfälligen Schadenersatzanspruch abgedeckte – höhere Überlassungsentgelt hinausgeht. Hier wird gerade im Hinblick auf die hM zum „Recht auf Beschäftigung“* ein äußerst strenger Maßstab anzulegen sein. Dennoch ist mE ein rechtliches Interesse etwa dann zu bejahen, wenn eine Übernahme in die Stammbelegschaft beabsichtigt bzw konkret absehbar war,* oder wenn das Arbeitsverhältnis von vornherein nur zum Zweck der Überlassung an einen konkreten Arbeitsplatz bei einer konkreten Beschäftigerin begründet wurde und sich der Mehrwert dieser Arbeitskräfteüberlassung für die Beschäftigerin geradezu in der Umgehung der entsprechenden Schutzbestimmungen erschöpft.* ,*
Beendet die Beschäftigerin die Überlassung aus einem der verpönten Motive iSd § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG stellt dies jedenfalls einen Verstoß gegen § 6a AÜG, idR auch gegen §§ 6 AÜG und 879 ABGB, dar. Die überlassene Arbeitskraft kann in der Folge Schadenersatz von der Beschäftigerin fordern, welcher jedenfalls die Differenz zum höheren Überlassungsentgelt umfasst. Ein Anspruch gegen die Überlasserin setzt hingegen voraus, dass diese davon wusste oder wissen hätte müssen.
Kann die überlassene Arbeitskraft überdies ein rechtliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Überlassung beweisen, welches über die bloße Entgeltdifferenz hinausgeht, kann unter Umständen auch die Beendigung der Überlassung selbst bekämpft werden.
Zu einer etwaigen nachfolgenden Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Überlasserin wäre insb auf § 6a Abs 4 AÜG zu verweisen. Dazu konnte in diesem Beitrag jedoch keine nähere Auseinandersetzung erfolgen.362